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Die Mitwirkung aller macht eine Stadt

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Enrico Slongo, bevor Sie nach Freiburg kamen, wirkten Sie erfolgreich in Langenthal als Stadtbaumeister. Warum konnten Sie dem Angebot aus Freiburg nicht widerstehen?

Ich bin in Tafers aufgewachsen, besuchte das Gymnasium St. Michael, und im Sommer ging ich in die Motta baden. Ich kenne Freiburg und habe einen Bezug zur Stadt. Als ich die Stellenausschreibung sah, lockte mich der Umstand, dass Freiburg eine richtige Stadt ist. Freiburg ist eine Zähringerstadt von hoher Bedeutung, ein Kantonshauptort, hat eine richtige Altstadt, eine Neustadt aus dem 19. Jahrhundert mit den Quartieren Perolles und Guintzet, dazu kommen die Stadtteile aus den 1970er-Jahren. Das ist alles sehr sichtbar und vorhanden und zeugt von einer Stadtentwicklung über eine ganz lange Zeit.

Hatten Sie Respekt vor der neuen Aufgabe?

Nein. Vorher habe ich ja das Gleiche gemacht. Alle Schweizer Städte müssen sich im Grunde mit demselben Thema auseinandersetzen: dem Agglomerationsprogramm des Bundes. Beim ersten machten nur ein paar wenige Städte und Gemeinden mit, erst beim zweiten Programm sind auch die anderen auf den Zug aufgesprungen, weil sie merkten, dass das eine gute Sache ist. Sie lancierten viele Verkehrsinfrastrukturprojekte und schnürten wunderbare Pakete: neue Unterführungen, Bushaltestellen, Kreuzungen, Bahnhofsplätze. Das ist auch in Freiburg passiert. Mit der neuen finanziellen Möglichkeit des Bundes, Infrastrukturprojekte auf die Siedlungsentwicklung abzustimmen, ist jede Stadt konfrontiert. Und in jeder Stadt steht man vor der Herausforderung, die vielen Projekte fristgerecht umzusetzen.

Sie haben es gesagt: Auch in Freiburg wurden viele Projekte angerissen. Vieles ist in der Schwebe, der Eindruck des Unfertigen dominiert. Können Sie schon ein Planungskonzept erkennen?

Ja. Mit dem neuen Ortsplan wurde zum ersten Mal ein sehr umfangreiches städteplanerisches Konzept geschaffen. Damit liegt nun ein gutes Basis­instrument vor. Vielleicht muss das eine oder andere aber noch verifiziert, entschärft, ergänzt werden.

An was denken Sie da?

Ein Beispiel ist die Zone III, in der bis zu dreissig Meter hohe Gebäude möglich sind. Aufgrund der kritischen Rückmeldungen laufen nun Diskussionen, ob noch eine Zone IV eingeführt werden soll mit einer tieferen Gebäudehöhe und Ausnutzung.

Erfolgt dies auch aufgrund der Einsicht, dass das pro­gnostizierte Bevölkerungswachstum möglicherweise übertrieben ist?

Es ist sehr schwierig, zu sagen, ob dem so ist. Die Stadt stützt sich bei ihrer Planung auf die Statistik des Bundes und Vorgaben des Kantons. Es mag sein, dass die Annahmen für Freiburg zu sehr von der Entwicklung der Stadt Bulle beeinflusst wurden, die stark gewachsen ist. Das tatsächliche Bevölkerungswachstum hängt am Ende aber auch von der Einwanderungspolitik des Bundes ab.

Was sind sonstige Schwachstellen des Ortsplans?

Allgemein stellt sich die Frage, ob die Totalrevision von Ortsplänen noch zeitgemäss ist. Das ist ein riesiger Aufwand, in dessen Prozess unsäglich viele Themen gleichzeitig bearbeitet werden müssen. Totalrevisionen stammen aus Zeiten, als es mehr oder weniger nur ein Baureglement und einen Zonenplan gab. Heute dagegen fliesst in einen Ortsplan das ganze baukulturelle Erbe ein, die gesamte Energie- und Grünraumplanung sowie die Verkehrsthemen. All diese Themen ziehen viele Partikularinteressen nach sich. Der eine macht Einsprache wegen des Baureglements, der andere, weil er Einschränkungen bei der Wahl des Energieträgers erfährt oder sein Haus plötzlich geschützt ist. Die Masse der Fragen, die abgewickelt werden muss, ist kaum zu stemmen.

Und was ist die Lösung?

Ich bin der Meinung, dass die Ortsplanung ein laufender Prozess sein muss. Nur so kann man auf Probleme zeitgemäss reagieren und muss nicht Jahrzehnte auf die nächste Total­revision warten. Das Erfordernis der Planbeständigkeit könnte – alles im Einverständnis mit dem Kanton – thematisch garantiert werden. Andere Kantone gehen bereits diesen Weg.

Die Platzverhältnisse in Freiburg sind begrenzt. Das engt Ihren Gestaltungsspielraum ein. Es ist schwierig, beispielsweise in der Murtengasse alles unter einen Hut zu bringen: Trottoir, Bäume, Veloweg, Busspur und Autofahrbahn. Wie gehen Sie damit um?

Als Stadtarchitekt ist man auch an eine Geschichte gebunden. Ich glaube, die Zeiten von Brasilia, einer Stadt, die man am Reissbrett entwickelt hat, sind vorbei. Das ist nur noch in sehr autoritären Systemen möglich, aber nicht in einer direkten Demokratie, wie wir sie in der Schweiz kennen. Darum sind partizipative Prozesse, also das Einbinden der Stakeholder – darunter fallen Politik, Immobiliengesellschaften, Grundeigentümer, Nachbarn, die Gemeindeverwaltung oder Quartiervereine – wichtig. So entsteht ein allgemeines Verständnis dafür, wieso und mit welcher Auswirkung ein Stadtquartier oder neue Stadträume, wie Ihr Beispiel der Murtengasse, entstehen kann. Und das sind eben lange Prozesse, weil sie auch Einsprachen zulassen.

Dieses Verständnis von Stadtentwicklung will aber irgendwie nicht zum verdichteten Bauen passen, das zwar gegen die Zersiedelung und für den Erhalt von Grünflächen wichtig ist, aber vor allem in den Anfängen sehr dogmatisch gehandhabt wurde. Der Schritt zu den Plattenbauten in der DDR schien nicht mehr weit.

Das ist so. Ich bin ein Gegner des Wortes «Verdichten». Das ist nicht zeitgemäss. Es bezeichnet einen Akt, der darin besteht, dichtzumachen. Die Qualitätsfrage, die Auswirkung auf den Stadtraum und das Ortsbild werden ausgeblendet. Ich finde den Ausdruck «Siedlungsentwicklung nach innen» viel adäquater. Denn er beschreibt eine Entwicklung, die sich nicht an Ausnützungsziffern orientiert, auf die Immobilienpromotoren pochen können, um entsprechende Renditen zu realisieren.

Wie soll Siedlungsentwicklung nach innen gehen mit variablen Ausnutzungsziffern?

Es braucht qualitätssichernde Verfahren, wie zum Beispiel das seit einem Jahr von der SIA eingeführte Planungsinstrument der Testplanung. Dieses wurde in Bern, Basel, Zürich und Langenthal schon angewendet. Dabei werden vier Teams bestimmt, die zusammen mit der Politik, im Beisein der Promotoren, der Nachbarn und des Quartiervereins, einen Ort testen.

Was wird getestet?

Eine mögliche städtebauliche Struktur und programmatische Ansätze: Wie viel Wohnen erträgt es an dem Ort, wie viel Arbeit, wie viel Erschliessung, wie viel Freiraum? Auf dieser Grundlage wird dann die Ausnützungsziffer festgelegt. Der Promotor baut dann nicht nach einer im Ortsplan vorgegebenen Zahl, sondern auf der Basis von in dreidimensionalen Projekten getesteten Vorgaben.

Das geplante Quartier im Windig Les Hauts de Schiffenen passt aber nicht in das von Ihnen beschriebene Vorgehen. Das Projekt wirkt immer noch wie eine Retorte.

Für mich ist es klassische Schule: Man nimmt eine grosse Parzelle und macht ein Wohnbauprojekt. Ich habe gewisse Bedenken, dass man heutzutage noch solche Quartiere baut. Denn Lebensqualität in einer Stadt ist soziale, kulturelle, wirtschaftliche Vielfalt, weshalb Arbeiten, Wohnen und Freizeit an einem Ort stattfinden müssen. Ein Stadtquartier muss also durchmischt sein. Reine Wohnquartiere wie Les Hauts de Schiffenen sind nicht mehr aktuell.

Können Sie als neuer Stadtarchitekt bei solchen Projekten noch die Reissleine ziehen?

Die Frage ist schwierig, wobei ich nicht grundsätzlich gegen ein Stadtquartier an diesem Ort bin. Schlussendlich muss der Gemeinderat überzeugt sein. Er bestimmt die Ausrichtung der Stadtplanung. Bei Les Hauts de Schiffenen gibt es mehrere Einsprachen in Bezug auf den Ortsplan, auf den Detailbebauungsplan und das Baugesuch. Wir haben nun entschieden, die Situation zuerst in Bezug auf den Ortsplan zu bereinigen, was auch noch zu Korrekturen beim Detailbebauungsplans führen kann.

Wo sehen Sie sonst noch Verbesserungspotenzial? Oder anders gefragt, was finden Sie aus städteplanerischer, architektonischer Sicht an Freiburg gelungen und was nicht?

Freiburg besticht in erster Linie durch die Ablesbarkeit der städtebaulichen Geschichte, wie ich eingangs erklärt habe. Das ist durchaus zu würdigen. Es gibt auch Ikonen wie den Botta-Bau, die nicht wegzudenken sind. In Zukunft sollte allerdings der Tatsache mehr Beachtung geschenkt werden, dass eine Stadt zwar von einer offenen Bauweise lebt, wie den Villen im Gambach, es aber auch die geschlossene Bauweise braucht, wie typischerweise im Perolles. Ich finde, die geschlossene Bauweise fehlt bei den aktuellen Bauprojekten, man setzt immer den Punktbau in eine Parzelle rein. Ich denke da an die im Entstehen begriffenen Blöcke an der Giessereistrasse oder an der Zeughausstrasse. Dabei geht eine städteräumliche Qualität verloren, weil kein Rückraum definiert wird. Die zufällig gesetzten Bauten verhindern, dass der Aussenraum als qualitativ hochwertiger Stadtraum erlebt werden kann. Dies, weil der Aussenraum nur noch ein Distanzraum von einem Haus zum anderen ist.

Kommen wir zum Sorgenkind Burgquartier. Einsprachen etwa wegen der Streichung von Parkplätzen verzögern seine Umgestaltung. Was braucht es, damit das Vorzeigeprojekt der Stadtregierung nicht zum Debakel wird?

Erstens muss gesagt werden, dass das Projekt der Italiener vom Architekturbüro Montagnini Fusaro grandios und zwingend notwendig ist. Aber ich glaube auch, dass so grosse Projekte im öffentlichen Raum Zeit brauchen, weil viele betroffen sind. Die Menschen brauchen Zeit, um Distanz von ihrer persönlichen Betroffenheit zu gewinnen, zugunsten des grossen Ganzen. Projekte im öffentlichen Raum beeinflussen viele Gewohnheiten und das macht Angst. Etwas Neuem muss man aber positiv und mit Stolz gegenüberstehen können. Mir fehlt diese positive Sicht in Freiburg ein bisschen. Man verliert sich in Parkplatzfragen und vergisst den Mehrwert, den man durch die Neunutzung gewinnt.

Aber die Zeit gibt sich ja nicht mal der Gemeinderat. Auf die Forderung nach dem Erhalt von Parkplätzen im Quartier antwortete er mit der absurd anmutenden Idee, am Fuss der Alpenstrasse ein neues Parkhaus zu bauen. Ist das die Lösung?

Ich habe keine Mühe damit, wenn Parkplätze im öffentlichen Raum bleiben, damit die Leute zu den Geschäften gelangen. Aber vielleicht braucht es nicht so viele wie jetzt, und nicht gerade unter den Bäumen des Ulmenplatzes. Und vielleicht ist das Projekt bisher zu radikal diskutiert worden. Vielleicht muss es in Etappen gedacht werden, und in jeder Etappe muss gefragt werden: Wie viele Autos können im öffentlichen Raum stehen bleiben?

Aber nochmals die Frage: Kann ein neues Parking die Lösung sein?

Es braucht nun Entscheide, damit man in der ersten Etappe rund um die Kathedrale weiterkommt. Danach kommen die Etappen rund um die Grenette, das Tinguely-Mu­seum, den Nova-­Friburgo-Platz und so weiter. Bei jedem Schritt kann man ausloten, wie viele Parkplätze noch möglich sind, ohne sofort ein neues Parkhaus zu bauen.

Wird die Planung des Parkings Petit-Paradis also vorerst zurückgestellt?

Ich könnte mir das vorstellen. Das Projekt ist aus meiner Sicht eher nicht Teil der zweiten Etappe, möglicherweise aber der dritten Etappe.

Mit Langenthal haben Sie den Wakkerpreis gewonnen. Wollen Sie das auch mit Freiburg schaffen?

Freiburg hätte ein grosses Potenzial dafür. Um den Wakkerpreis zu gewinnen, reicht es aber nicht aus, um die Kathe­drale herum Pflasterstein zu verlegen. Heute muss zusammen mit der Bevölkerung eine qualitativ hochstehende Stadt entwickelt werden. Interessanterweise hat im Kanton Freiburg bisher keine Gemeinde den Wakkerpreis bekommen.

Weil es bisher an einer gelebten Bau- und Planungskultur sowie am Dialog gefehlt hat?

Ja, vielleicht.

Zur Person

Enrico Slongo ist in Tafers aufgewachsen

Der 47-jährige Enrico Slongo verbrachte seine Kindheit in Tafers. Er besuchte in Freiburg das Kollegium St. Michael. Danach studierte er Architektur an der ETH Lausanne und schloss mit dem Master in Raumplanung an der ETH Zürich ab. Er arbeitete bei Architekturbüros in Basel und Bern. Von 2013 bis 2019 war Slongo Stadtbaumeister in Langenthal, das dieses Jahr mit dem Wakkerpreis ausgezeichnet wurde. Er ist mit einer Waadtländerin verheiratet, Vater von zwei Töchtern und lebt in Muri bei Bern.

rsa

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