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«Hass? Wen sollte ich denn hassen?»

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Sulaiman Omar schüttelt keine Hände zur Begrüssung, denn er hat selber keine. Dafür streckt er einem mit herzlichem Lachen seinen Armstumpf entgegen. Der heute 42-jährige Kurde hat seine beiden Hände mit 18 Jahren bei der Explosion einer Landmine in seinem Heimatland Syrien verloren. Sulaiman Omar hat eine traurige Geschichte, aber ein gutes Leben.

Während Omar zu Hause in Avenches seine Geschichte erzählt, serviert er charmant ein Glas Mineralwasser. Dass dies möglich ist, hat er einer Klinik in Oberhausen, Deutschland, zu verdanken, die sich um kriegsversehrte Kinder und Jugendliche kümmert. Die Armstümpfe des jungen Mannes wurden dort noch einmal operiert. Dabei wurde jeder Stumpf zweigeteilt und so mit den Sehnen verbunden, dass Omar mit den beiden Enden greifen kann. Mittlerweile ist er sehr geschickt im Umgang mit seinen Armen. Der 42-Jährige fährt Fahrrad, aber auch ein manuell geschaltetes Auto und zeigt Bilder seiner inzwischen dreijährigen Tochter auf dem Smartphone, als hätte er zehn Finger.

Ständige Schikanen

Der Kurde hat einen langen Weg zurückgelegt, bevor er da angekommen ist, wo er jetzt ist. Omar ist in Amuda, einer syrischen Ortschaft direkt an der türkischen Grenze im Dreiländereck Syrien-Türkei-Irak aufgewachsen. Nachdem er seine Hände bei dem tragischen Unfall verloren hatte, bekam er in Syrien nicht etwa staatliche Unterstützung. Im Gegenteil: Als junger Kurde geriet er ins Visier des syrischen Geheimdienstes und wurde verdächtigt, für die Kurdische Arbeiterpartei PKK tätig zu sein. Schliesslich floh er 1991 auf abenteuerlichen Wegen nach Deutschland und kam 2009 in die Schweiz.

In Syrien hatte Omar in der dritten Liga Fussball gespielt, in Deutschland entdeckte er den Laufsport. «Wenn ich etwas mache, dann tue ich es mit Leib und Seele», sagt er. Das sei ihm angeboren und der Grund, weshalb er ein gutes Leben habe, trotz der Behinderung. Und was Omar nicht in den Händen hat, hat er in den Füssen. «In Syrien sagte ich immer, wenn ich Nike-Schuhe und eine tolle Ausrüstung hätte, wäre ich besser als Maradona», erinnert er sich. In Deutschland feiert er dann tatsächlich grosse Erfolge. So wird er über 10 000 Meter Deutscher Meister in der Kategorie Behinderte. Und im Jahr 2006 setzt er einen Rekord, der bis heute ungeschlagen ist: Er läuft 5000 Meter in 16:40:06 – ein Glanzresultat, auf das er heute noch stolz ist.

Keine mühsame Pflicht

Omar liebt den Sport. Aber er ist auch im Alltag ein zufriedener Mensch. Was viele als mühevolle Pflicht empfinden, ist für Omar sinnvolles Engagement. Für ihn ist die tägliche Arbeit bei der Stiftung des Seebezirks für Erwachsene Behinderte (SSEB) in Murten mehr als ein Glücksfall: «Ich hatte noch nie einen Chef, mit dem ich mich so gut verstanden habe», meint er. Was ihn zum zufriedenen Mitarbeiter macht, ist nicht nur die Chance, als körperlich Behinderter die Schwierigkeiten anderer Behinderter besonders gut nachvollziehen zu können und ihnen im Alltag beizustehen, es ist auch die Integration in das Team. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Bevor Omar seine Ex-Freundin kennenlernte und wegen ihr in die Schweiz gekommen ist, hat er in Deutschland eine Ausbildung als Erzieher gemacht. Dort fand er jedoch nur kurze Anstellungen und konnte seine Qualitäten nie langfristig einbringen wie jetzt bei der SSEB.

Ein Schatten legt sich über Sulaiman Omars Augen, wenn er über sein Heimatland Syrien spricht. «Das Schlimmste am Bürgerkrieg ist, das vor allem wehrlose Kinder, Frauen und alte Menschen leiden und Opfer werden», sagt er. Und – die Parteien seien alle ohne Unterschied unsäglich brutal. «Die Rebellen terrorisieren das Volk genauso wie die Leute Assads. Sie treten Türen ein und stehlen alles, was sie können.» Omar kennt das Assad-Regime von Kindsbeinen an und musste als Schüler an Pro-Assad-Demonstrationen teilnehmen, weil man sonst bestraft wurde.

Das Assad-Regime sei dermassen verhasst, das das Volk nie mehr kleinbeigeben werde, meint Omar und zitiert einen Rebellen, der gesagt habe, es sei besser, einmal zu sterben als immer zu sterben. Melancholisch fügt er an: «Aber Syrien wird nie mehr das Land sein, das es einmal war. Das ganze Land ist viel zu stark geprägt vom Krieg.» Unverständlich ist Omar, dass das Ausland dem Konflikt tatenlos zusieht und Assad nach wie vor von Russland und China unterstützt werde. Heute würden viele bereuen, dass man den Aufstand begonnen habe. «Aber am Anfang hofft man immer auf eine positive Veränderung», meint er.

Einen Bruder verloren

Obwohl viele seiner Familienmitglieder aus Syrien geflohen sind, sind Verwandte zurückgeblieben. Manche für immer. Am 31. Dezember 2011 bekam er eine SMS von einem Bruder in Deutschland, er müsse ihn sofort besuchen. Als Omar dort war, erfuhr er, dass ein anderer Bruder bei einer Demonstration in Syrien erschossen worden war. Die Trauer habe ihn damals überwältigt, erinnert er sich. Und später – kam da Hass auf? «Hass?», fragt Omar zurück, «ja wen sollte ich denn hassen? Die Soldaten sind doch auch nur Opfer des Regimes.»

Sulaiman Omars Stimmung hellt sich schlagartig auf, wenn er von seiner kleinen Tochter erzählt. «Mein Vater hatte nie Zeit für uns», erinnert er sich, «das will ich unbedingt anders machen und meiner Tochter viel Zeit und Liebe schenken.» Letztes Jahr hat die Dreijährige auch am Kerzerslauf teilgenommen, erzählt Omar mit Vaterstolz: «300 Meter ist sie mit mir mitgelaufen.»

«Syrien wird nie mehr das Land sein, das es einmal war.»

Sulaiman Omar

Kurde aus Syrien

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