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«Hier wird arg geklüngelt und gemischelt»

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«Hier wird arg geklüngelt und gemischelt»

André Marty, Korrespondent des Schweizer Fernsehens, über die Situation in Israel

Wie beurteilt ein Schweizer die Situation in Israel? Wie erlebt er den Rummel um Sharon und wie denkt er über die Zukunft des Landes? André Marty ist seit eineinhalb Jahren Israel-Korrespondent des SF und wohnt mit seiner Familie in Tel Aviv.

Mit ANDRé MARTY sprach
IRMGARD LEHMANN

Zurzeit schaut die ganze Welt nach Israel. Bemerken Sie etwas davon im Land?

Die meisten TV-Stationen haben zusätzliche Journalisten und Techniker eingeflogen, die BBC beispielsweise «covert» den Sharon-Event mit rund 60 Personen. In seinem Heimatdorf Kfar Malal sind wir Journalisten uns schier auf die Füsse getreten, alle wollen wir mit seinen Jugendfreunden sprechen, was dem einen oder anderen älteren Herrn dort etwas zu viel des Guten war … Die Israeli sind es gewöhnt, im Scheinwerferlicht zu stehen, wenngleich dieses Mal durchaus eine gewisse Angespanntheit festzustellen ist.

Wie ist die Stimmung in Israel – in Tel Aviv ?

Selbst in der Stadt, die niemals schläft, in der viele schon fast überkompensierend-ausgelassen leben, selbst in Tel Aviv ist Sharon das Thema. Das scheint mir nachvollziehbar.

Denn der sterbenskranke Premier verkörpert für viele Menschen den Hoffnungsträger auf bessere, friedlichere Zeiten. Auch jene Frauen und Männer, die Sharon nie im Leben ihre Stimme geben würden, trauen ihm – und eben gerade nur ihm – zu, dass er einen mehrheitsfähigen Kompromiss im israelisch-palästinensischen Konflikt erzielen könnte.

Wie lautet der Tenor im Volk bezüglich des Gesundheitszustandes Sharons, bezüglich der allfälligen Nachfolge?

Das ist es, was viele beunruhigt: Wird der Nachfolger Sharons dessen eingeschlagenen Kurs weiterverfolgen können? Die ersten Meinungsumfragen nach Sharons Notoperationen zeigten zwar, dass eine Mehrheit der Israeli seinem interimistisch eingesetzten Stellvertreter Ehud Olmert zutraut, die Regierungsgeschäfte zu führen und Neuwahlen zu gewinnen.

Aber ist Olmert auch in der Lage, allenfalls unpopuläre Entscheide durchzuboxen, so wie dies Sharon mit dem Gaza-Rückzug tat? Wird Olmert eine politische Mehrheit hinter sich bringen, um allenfalls weitere Siedlungen in der Westbank zu räumen? Ohne solch heikle Entscheide wird es schwierig bis unmöglich sein, überhaupt in Verhandlungen mit den Palästinensern zu steigen – falls die Palästinenser einen Weg aus ihrem politischen Chaos finden.

Ist Sharon tatsächlich ein Hardliner, ein Mann, der sich nicht in die Karten blicken lässt?

Sharon war ein General, Sharon ist ein General und Sharon bleibt ein General. Der Mann hat wie ein Militär denkend den Gaza-Streifen aus taktisch-militärischen Gründen geräumt, um eine andere Front halten zu können, nämlich Siedlungen in der Westbank und vor allem die Idee der ungeteilten Hauptstadt Jerusalem.

Niemand kann heute mit Sicherheit sagen, ob Sharon je weitere Siedlungen geräumt hätte. Anzunehmen ist es, immer mit der Absicht, eine Zwei-Staaten-Lösung nach seinem Gutdünken durchdrücken zu können, also die Grenzen eines künftigen palästinensischen Staates zu diktieren.

Wird der interimistisch eingesetzte Präsident Ehud Olmert einen andern Kurs einschlagen? Etwa die Räumung der Siedlungen im Westjordanland?

Kaum, denn Olmert ist ja so etwas wie ein Ziehsohn Sharons. Er war es, der als Erster laut von der Räumung des Gaza-Streifens sprach, er lancierte immer wieder mal politische Versuchsballone im Auftrag seines Chefs. Die Frage ist vielmehr, ob Olmert je das Format seines Übervaters Sharon erreichen wird.

Israels Politik mutet manchmal wie ein ziemlich übles Geschäft an, hier wird noch weit mehr als anderswo geklüngelt, gemischelt und gemauschelt. Ob Olmert darin je die Skrupellosigkeit Sharons erreicht, bleibt abzuwarten.

Welche Entwicklung wird es geben, falls Sharon nicht mehr in die Politik zurückkehrt?

Tendenziell wird es dem Annäherungsprozess zwischen Israeli und Arabern schaden. Denn keinem anderen israelischen Politiker ist im Moment zuzutrauen, dass er eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich scharen könnte, um schmerzhafte Kompromisse einzugehen. Und der einstige Premier «Bibi» Netanyahu, der auch um die Nachfolge Sharons ins Rennen steigt, ist sicherlich nicht gerade der versöhnlichste Politiker Israels. Insofern ist von israelischer Seite beschränkter Optimismus angesagt.

Andererseits kann Sharon auf arabischer Seite nicht mehr als Lieblings-Feindbild herbeigezogen werden, um sich gegen eine Annäherung zu stemmen.

Die Wahlen in Israel und in den palästinensischen Gebieten werden einen ersten klärenden Hinweis geben, wohin die Reise im Nahen Osten gehen könnte.

Wird es jemals einen autonomen palästinensischen Staat geben?

Daran ist kaum zu zweifeln. Die Frage ist freilich, wie solch ein Staat aussehen wird, wie die Grenzfestlegung aussieht und ob solch ein Gebilde auch wirtschaftlich überlebensfähig wäre. Die Situation im Gaza-Streifen nach dem Rückzug der Israeli zeigt einiges: Gaza steht nach wie vor faktisch unter israelischer Kontrolle was die Grenzübertritte betrifft und vor allem die Ein- und Ausfuhr von Waren und Gütern.

Der Gaza-Streifen ist heute de facto kein autonomes palästinensisches Gebiet, von einem überlebensfähigen Gebiet kann keine Rede sein. Dazu ist die palästinensische Autonomie-Behörde viel zu schwach.

Ist das Leben in Israel sicherer jetzt, wo der Gaza-Streifen in palästinensischen Händen ist?

Sicherheit ist in erster Linie ein psychologisches Gefühl. Faktisch nahm auch die Zahl der Anschläge innerhalb Israels im letzten Jahr massiv ab; 2005 kamen 45 Israeli bei Anschlägen ums Leben, im Vorjahr warens noch 117 gewesen, die Armee listet 2990 so genannte Terror-Attacken auf. Auf jeden Fall aber hat die «tahdia», die Waffenruhe, zu einer gewissen vorläufigen Entspannung geführt. Wobei die Situation innerhalb des Gaza-Streifens und in den angrenzenden Ortschaften auf israelischer Seite völlig anders aussieht.

Nämlich?

Im Gaza-Streifen herrschen eigentlich anarchische Zustände. Die verschiedenen Clan-Strukturen konnten das herrschende Machtvakuum nutzen, die palästinensischen Sicherheitskräfte beschränken sich nicht selten aus Eigeninteressen auf eine Zuschauerrolle. Die Lebensqualität der Palästinenser im Gaza-Streifen hat sich seit dem Rückzug der israelischen Siedler und Soldaten nicht verbessert.

Wie steht es eigentlich mit dem Tourismus? Kommen die Touristen wieder ins Land?

Und wie: Nachdem sich die politische Lage etwas stabilisiert hat, verzeichnete der israelische Tourismus im letzten Jahr markante Zuwachsraten. Alleine über die Weihnachtstage kamen um die 80 000 – meist christliche Touristen – nach Jerusalem; geschätzte
30 000 besuchten auch Bethlehem.

Noch sind wir weit entfernt von den Besucherzahlen vor dem Ausbruch der Intifada im Jahr 2000, aber immerhin realisieren viele, dass sich Israel/ Palästina nicht einfach

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