Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

«Ich schaue vorwärts»

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Im vergangenen Herbst hat Laurence Wagner von Anja Dirks die Leitung des Kunstfestivals Belluard Bollwerk International übernommen. Heute Donnerstag hätte die erste Festivalausgabe unter der Verantwortung der 35-Jährigen starten sollen, wäre nicht die Corona-Pandemie dazwischengekommen. Das 37. Bollwerkfestival ist abgesagt; Teile des Programms werden ab Herbst an verschiedenen Orten zur Aufführung gelangen (die FN berichteten). Die FN haben mit Laurence Wagner über ihren ungewöhnlichen Einstand als Direktorin, über die Kultur in der Krise und über den Umgang mit der Ungewissheit gesprochen.

Laurence Wagner, wie viele andere Veranstaltungen ist das Bollwerkfestival dem Coronavirus zum Opfer gefallen. Ihren Einstand hatten Sie sich sicher anders vorgestellt …

Ja, in meinen schlimmsten Albträumen hätte ich mir so etwas nicht vorstellen können! Umgekehrt denke ich, dass es vielleicht auch ein Vorteil war, als neue Direktorin mit dieser Ausnahmesituation konfrontiert zu sein: Ich musste alles anders machen als vorgesehen und immer wieder neue Lösungen finden. Das war für mich womöglich einfacher als für jemanden, der diese Arbeit schon seit Jahren gleich macht.

Der erste Schock über die Absage ist vorbei. Wie fühlen Sie sich jetzt, in diesen Tagen, in denen das Festival geplant war?

Ich fühle mich, als würde ich in zwei Realitäten leben: Da ist zum einen die tatsächliche Gegenwart, in der vieles lahmgelegt ist und Ängste und Sorgen vorherrschen. Und da ist zum anderen das, was eigentlich hätte sein sollen und immer noch im Bewusstsein ist. Ich denke die ganze Zeit, jetzt wäre ich gerade da, und jetzt würde ich gerade dies machen. Dieses Gefühl habe ich natürlich ganz besonders in Bezug auf unser Programm, das ich dem Publikum so gerne gezeigt hätte. Der schwerste Moment war für mich der, als wir definitiv entschieden haben, das Festival abzusagen. Jetzt schaue ich schon wieder vorwärts und freue mich über das, was trotzdem möglich ist: Wir werden ab Herbst einige Produktionen an verschiedenen Orten zeigen können, andere werden wir 2021 ins Programm aufnehmen. Und im Juli werden wir zusammen mit anderen Veranstaltern trotz allem noch ein kleines Festival organisieren können.

Wie verbringen Sie jetzt die Zeit, in der das Bollwerkfestival stattgefunden hätte?

Es ist natürlich sehr viel ruhiger, als es hätte sein sollen. Es gibt kein öffentliches Programm, aber wir machen ein paar kleine Anlässe mit dem Team und einigen Künstlern im Bollwerk, um für uns ein bisschen etwas von der Festivalstimmung zu retten. Ausserdem arbeiten wir mit einigen Internet-Radiostationen zusammen, die unsere musikalischen Beiträge spielen.

Wenn Sie an Ihr geplantes Programm denken: Gibt es Projekte, um die es Ihnen besonders leidtut?

Nein, ich kann keine Projekte hervorheben. Das Programm war ein Ensemble mit einer klaren Dramaturgie, und ich glaube an jeden einzelnen Teil davon. Obwohl die Dramaturgie jetzt explodiert ist, bin ich glücklich, dass wir vieles werden retten können. Ich denke zum Beispiel an das Lesungsformat «Poesie ist kein Luxus», das wir im September im Theater Gessnerallee in Zürich zeigen dürfen. Wir werden dann auch eine Busreise für interessierte Freiburgerinnen und Freiburger nach Zürich organisieren. Wir bringen unser Publikum an neue Orte, das ist eine interessante Entwicklung. Einige Projekte werden wir voraussichtlich 2021 zeigen. Trotzdem wird das Programm im nächsten Jahr nicht einfach eine Kopie – nur schon deshalb, weil das, was wir gerade erleben, vieles verändern wird, auch in der Kunst.

An was für Veränderungen denken Sie da?

Wir haben in den letzten Monaten eine Zeit des Stillstands, der Melancholie und des Mangels erlebt. Für mich persönlich war es sehr hart, so lange kein Theater sehen zu können. Jetzt kommt alles allmählich wieder in Bewegung, aber es ist schwer zu sagen, wohin es sich entwickeln wird. Ich bin sicher, dass Kunst und Kreativität überleben werden, weil sie lebensnotwendig sind. Was mir Sorgen macht, sind die Arbeitsbedingungen für Künstlerinnen und Künstler, nicht nur in der Schweiz, sondern auf der ganzen Welt. Die Wirtschaftskrise macht das System zerbrechlich. Und wir haben gelernt, dass nichts sicher ist. Wir waren es gewohnt, dass immer und überall etwas los war, und auf einmal läuft gar nichts mehr. Plötzlich stellt man sich Fragen über das Angebot und die Konsumgewohnheiten.

Manche sprechen ja von einem Überangebot, das nun korrigiert werde. Wie stehen Sie dazu?

Es ist schon richtig, dass auch die Kulturszene sich solchen Fragen stellt. Aber was mich stört, ist, dass sich die Diskussion oft auf die Kultur beschränkt. Viel wichtiger wäre es doch, über unser ganzes Wirtschaftssystem nachzudenken. Natürlich kann man weniger Kultur machen, aber vor allem sollte man weniger Kleider in China produzieren oder weniger Luxusgüter konsumieren. Die Angebotsvielfalt in der Kultur hat für mich auch etwas Demokratisches; die vielen Angebote ergänzen sich und sprechen ein breites Publikum an.

Apropos Publikum: Glauben Sie, dass dieses das breite Angebot nach der Zwangspause mehr zu schätzen weiss?

Drei Monate Pause sind nicht viel. Ich denke, das Publikum wird fordernd bleiben, und das ist auch gut so. Die Menschen brauchen Kultur, auch wenn eine Pandemie kommt oder ein Atomkrieg. Wir brauchen diese Räume gemeinsamer Erfahrungen und Emotionen; ohne sie ist das Leben einfach weniger schön.

Braucht es die Kultur in Krisensituationen, wie wir sie gerade erleben, denn ganz besonders?

Ich glaube, in solchen Situationen brauchen wir die Katharsis des Theaters mehr denn je, das gemeinsame Weinen und Lachen, den neuen Blick auf das, was gerade passiert. Die Kultur eröffnet neue Perspektiven, sie kann Botschaften vermitteln und Forderungen stellen. Für mich ist sie ein ebenso wichtiger Hebel wie die Politik. Die Kultur ist ein zentraler Teil der Gesellschaft. Wenn die Gesellschaft sich verändert, dann verändert sich auch die Kultur und wird gleichzeitig zum Werkzeug dieser Veränderung.

Blicken wir zum Schluss noch in die Zukunft: Sie planen bereits das Bollwerkfestival 2021, obwohl vieles nach wie vor unsicher ist. Wie gehen Sie damit um?

Wir gewöhnen uns langsam daran. In den letzten Monaten haben wir gelernt, dass wir nichts wissen und dass wir nicht alles im Griff haben können. Seit März arbeiten wir ständig mit Möglichkeiten: Wir schauen, wie die aktuelle Situation ist, reagieren darauf und passen uns immer wieder an. Die Kulturszene ist da vielleicht im Vorteil, weil sie per se agil und kreativ ist. Trotzdem: Um weitermachen zu können, brauchen wir eine Perspektive. Darum gehen wir momentan davon aus, dass sich die Situation weiter stabilisieren wird, und versuchen, so zu planen.

Und wenn sich die Lage wieder verschlechtern sollte?

Das macht mir schon Sorgen, denn dann wird die Kultur zu den Bereichen gehören, die am meisten leiden werden. Viele Entscheidungsträger unterschätzen die Bedeutung der Kultur und die Tatsache, dass auch hier viele Arbeitsstellen betroffen sind. Das Bollwerkfestival ist in der privilegierten Lage, von den Subventionsgebern Unterstützung zu bekommen, auch in der aktuellen Krise. Gelder von Stiftungen oder Sponsoren zu erhalten, könnte auch für uns schwieriger werden, aber unsere Existenz ist momentan nicht in Gefahr. So schwierig die Situation ist, können wir in der Schweiz doch in gewisser Weise von Hilfe profitieren. In vielen anderen Ländern sind die Kunstschaffenden weitgehend auf sich gestellt. Da ist es wichtig, dass wir solidarisch sind, denn gerade ein Festival wie das unsere ist auch abhängig von dem, was im Ausland passiert. Wir müssen jetzt damit umgehen, dass wir vieles nicht kontrollieren können – und gleichzeitig müssen wir einfach tun, was wir können, um das Beste aus der Situation zu machen.

Informationen über Veranstaltungen aus dem Belluard-Programm gibt es laufend unter www.belluard.ch.

Die FN lassen den abgesagten Festivalsommer trotzdem stattfinden und geben den Veranstaltern im Verlauf des Sommers das Wort.

Zur Person

Paris, Rom, Zürich – und jetzt Freiburg

Die 35-jährige Laurence Wagner ist als Tochter eines Schweizers und einer Chilenin in Lausanne aufgewachsen. Sie hat an der Universität Lausanne und an der Hochschule für Kunst und Design Genf französische Literatur, Kunstgeschichte sowie Geschichte und Ästhetik des Kinos studiert. In den vergangenen zehn Jahren lebte und arbeitete sie in den USA, in Chile, Paris, Rom, Genf und Zürich. Unter anderem war sie von 2014 bis 2018 Programmverantwortliche des Théâtre de l’Usine in Genf. Im September 2019 wurde sie zur Direktorin des Bollwerkfestivals ernannt; seit Oktober lebt sie in Freiburg.

cs

 

 

Kommentar (0)

Schreiben Sie einen Kommentar. Stornieren.

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Pflichtfelder sind mit * markiert.

Meistgelesen

Mehr zum Thema