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«Jede Geschichte ist besonders»

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Im März 1993 wurde Mats Staub 21  Jahre alt. In diesem Jahr machte er die Matura, gründete mit einem Kumpel eine Wohngemeinschaft, begann ein Studium der Theaterwissenschaft, verliebte sich und fing an, sein religiös geprägtes Umfeld zu verlassen. «Alles veränderte sich, ich fühlte mich nirgends mehr zu Hause, und ich brauchte Jahre, um mich selber wiederzufinden», sagt der Berner heute. So individuell seine Geschichte ist, so sehr gehört vieles davon zum Lebensgefühl junger Erwachsener dazu. Davon lebt das Langzeitprojekt «21 – Erinnerungen ans Erwachsenwerden», das Mats Staub jetzt am Kunstfestival Belluard Bollwerk Inter­national in Freiburg zeigt.

Der Künstler, der sich selber lieber als «Zuhörer» bezeichnet, hat dafür seit 2012 in verschiedenen Ländern Menschen jeden Alters nach ihren Erinnerungen an das Jahr gefragt, in dem sie 21  Jahre alt wurden. Während des Gesprächs zeichnete er die Antworten der Interviewten auf und verdichtete diese anschliessend zu sieben- bis zwanzigminütigen Erzählungen. Einige Monate später spielte er den Menschen diese Tonspuren vor und filmte sie beim Zuhören. Er lässt sie so in ihre Erinnerungen eintauchen und vor den Augen der Zuschauer noch einmal erwachsen werden. «Das sind sehr intime Momente», sagt Staub.

Geschichten aus Freiburg

Rund 170 solche Porträts sind bis heute entstanden; etwa 80 davon sind am Bollwerk-Festival zu sehen. Darunter befinden sich drei Videos, die Mats Staub extra in Freiburg neu gedreht hat: Dompropst Claude Ducarroz erzählt, wie er 1960 nach der Matura und der Rekrutenschule ins Priesterseminar eintrat. Isabelle-­Loyse Gremaud berichtet, wie sie 1988 ihrem Herzen folgte und statt Lehrerin Schauspielerin wurde. Und Elise Corpataux, deren 21. Geburtstag erst drei Jahre zurückliegt, erinnert sich an die Anfänge ihres Kunststudiums, an die Probleme in der Wohngemeinschaft und an eine komplizierte Liebesgeschichte. Diese drei neuen Freiburger Erzählungen ergänzen drei ältere, die Mats Staub schon früher in Bern aufgezeichnet hat.

Die Personen, die er interviewt, wählt Staub nicht selber aus, sondern lässt sie von den örtlichen Veranstaltern suchen. «Es ist wichtig, dass sie mir ihre Geschichte beim Interview zum ersten Mal erzählen, denn dann erzählt man am schönsten.» Zudem legt der Künstler Wert darauf, dass ihm nicht Prominente oder bekannte Originale vorgeschlagen werden, sondern «ganz normale Menschen». «Mich interessiert das normale Leben», sagt er, «obwohl es das ja gar nicht gibt. Am Ende stellt sich jede Geschichte als besonders heraus, und es scheint, als hätte ich das gesucht.»

Von den Dreissigern bis heute

Die Geschichten, die Mats Staub bisher zusammengetragen hat, stammen aus der Schweiz, Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Grossbritannien, Serbien, Australien, der Demokratischen Republik Kongo und Südafrika; Aufnahmen in Frankreich und in Spanien sind geplant. Alle Befragten sprechen in den Videos Deutsch, Französisch oder Englisch. Die jüngste interviewte Person war zum Zeitpunkt des Gesprächs gerade noch 21  Jahre alt; die älteste feierte ihren 21. Geburtstag im Jahr 1939. Ziel sei es, von den 1930er-Jahren bis in die Gegenwart jedes Jahr aus mehreren Perspektiven erzählen zu lassen, sagt Staub, der das Projekt noch bis 2021 weiterführen will.

Doch warum eigentlich gerade der 21. Geburtstag? Das habe mit den Ursprüngen der Idee zu tun, erklärt Mats Staub. Diese entstand 2012 bei einem Projekt mit Senioren in einem Altersheim in Frankfurt. Die Menschen erzählten dort von einer Zeit, als man erst mit 21  Jahren mündig wurde. «Und bis heute hat der 21. Geburtstag in vielen Ländern eine wichtige Bedeutung.» Und dann ist da noch Staubs persönliche Geschichte: «Ich hatte noch mit Ende dreissig ein schwieriges Verhältnis zum Begriff ‹Erwachsenwerden›», sagt Staub. «Das Projekt in Frankfurt brachte mich dazu, mich mit dem Jahr meines 21. Geburtstags auseinanderzusetzen.» Dass daraus ein so umfassendes Langzeitprojekt entstehen würde, war damals nicht geplant. «Ganz überraschend war es aber auch nicht», sagt der Künstler, «denn meine Biografie ist immer der Ankerpunkt meiner Projekte.»

«21 – Erinnerungen ans Erwachsen­werden»: Während des ganzen Festivals bis zum 7. Juli zwei bis drei Mal täglich (ausser Mo.) im Arsen’alt beim Bollwerk. Da die Platzzahl begrenzt ist, muss man im Voraus ein Ticket kaufen; damit kann man die Installation so oft besuchen, wie man möchte. Details: www.belluard.ch

Zur Person

«Reisender in Sachen Erinnerung»

Mats Staub wurde 1972 in Muri bei Bern geboren. Er studierte Theaterwissenschaften, Religionswissenschaften und Journalistik in Bern, Freiburg und Berlin. Er arbeitete als Journalist und später als Dramaturg am Theater Neumarkt in Zürich. Seit 2004 entwickelt er Kunstprojekte zwischen Theater, Journalismus und Literatur, in denen es um Menschen und ihre Erinnerungen geht. Er sei ein «Reisender in Sachen Erinnerung», sagt er in Anlehnung an den Titel eines Zeitungsartikels, der einmal über ihn erschienen ist. Seit 2008 lebt Mats Staub hauptberuflich von seinen Projekten; 2015 zeigte er am Bollwerk-Festival in Freiburg «Mein anderes Leben». Seinen Wohnort wechselt er regelmässig. Aktuell lebt er in Berlin, wenn er nicht gerade irgendwo in der Welt unterwegs ist.

cs

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