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«Kann die Haut nicht einfach abstreifen»

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Wer mit Alfred alias Popi Werro durch die Freiburger Altstadt schlendert, fühlt sich in andere Zeiten zurückversetzt. Fensterauslagen längst geschlossener Geschäfte tauchen vor dem inneren Auge auf, Ford Taunus, Buckel-Volvo und Opel Kadett parken auf der Reichengasse, Menschen lugen hinter den Vorhängen ihrer Altstadtwohnungen hervor, Schwyzerörgeli-Klänge dringen aus dem Tirlibaum, dem Tanneur und dem Engel hinaus auf die Gassen. Wir sind unterwegs vom Bahnhof Richtung Klein-St.-Johann-Platz auf den Spuren der Familie Werro.

Erinnerungen an früher

Die Werros lebten früher wie die Mülhausers, die Gerzners, die Ostertags und die Nobels in der Freiburger Unterstadt, wo sie jeweils ihr Winterquartier hatten, bevor sie im Frühling wieder auf Reisen gingen. Sie gehören der Bevölkerungsgruppe der Jenischen an, den Fahrenden mit Schweizer Bürgerrecht. «Früher lebten viele Jenische in der Freiburger Unterstadt», erinnert sich Popi Werro.

Immer wieder bleibt er stehen und deutet mit der Hand in eine Richtung. «Hier war früher ein Antiquitätengeschäft – Meuwly hiess die Frau», erinnert er sich, als wir am Café du Tunnel auf der Reichengasse vorbeigehen. In dieser Gasse gab es in den 1960er-Jahre mehrere Möbelgeschäfte, mit denen die Fahrenden Handel trieben. Am Morgen früh seien die Fahrenden mit ihren Autos vorgefahren, um ihren Geschäften nachzugehen. «Mein Vater restaurierte Möbel, die wir beim Hausieren ergatterten und dann an die sesshaften Händler verkauften.» Daneben gingen die Familienmitglieder auch von Tür zu Tür und boten ihr Können als Messerschleifer an.

Popi wurde 1959 geboren. Sein Vater war ein Werro aus Zumholz, seine Mutter eine Burri aus Bern. Anfang der 1960er-Jahre hatten die Eltern einen Standplatz bei den Neiglen. Eine Weile lebten sie auch in einem Haus eingangs des Galterntals – grad gegenüber dem Café Engel –, und für kurze Zeit ging Popi auch in Zumholz in die Primarschule. Zumholz ist der Heimatort der Werros. In diese Gemeinde hatten sich seine Vorfahren irgendwann um 1800 eingekauft, vorher waren sie staatenlos.

Am Stalden hält Werro erneut inne. «In einem dieser Häuser haben meine Grosseltern gewohnt.» Wir queren den Klein-St.-Johann-Platz und gehen Richtung Bernbrücke: «Da unten sind wir Schlittschuh gelaufen. Und hier sind wir die Felswände hochgeklettert, das darf man heute auch nicht mehr.»

«Lebten quasi in den Beizen»

Popi Werro hatte eine glückliche Kindheit. Er strahlt, wenn er von den Festen erzählt, die die Fahrenden in den Freiburger Kneipen schon zur Mittagszeit feierten. «Im ersten Stock des Epée haben die Alten Schwyzerörgeli gespielt, während wir Jungen im Keller modernere Musik machten.» Obwohl Popi Werro schon lange nicht mehr in Freiburg lebt – heute hat der Vater von fünf Kindern seine Basis in Zürich – kennt er alle hiesigen Lokale. «Ja, klar», lacht er verschmitzt. «Wir lebten quasi in den Beizen.»

Im Café de l’Ange trinken wir einen Kaffee. Von seinen Eltern sagt Werro: «Sie waren sehr gut zu uns Kindern, wenn auch ein wenig speziell. Manchmal verschwanden sie einfach für vier Tage.» Aber die grosse Schwester habe dann auf sie aufgepasst. «Wir haben oft im Freien geschlafen.»

Immer unterwegs

Die Familie Werro blieb von der Verfolgung durch die Schweizer Behörden verschont. Im Rahmen des Projekts «Kinder der Landstrasse» wurden zwischen 1926 und 1973 Fahrenden die Kinder weggenommen, sie wurden in die Psy­chia­trie eingewiesen, verwahrt und zwangssterilisiert. «Meine Eltern blieben darum nie lange an einem Ort, damit die Behörden ihrer nicht habhaft werden konnten.»

Jenseits der Mittleren Brücke, in einem der kleinen Häuser an der Saane, wohnte eine Cousine von Werro. Und als er sich der Kirche St. Johann nähert, erzählt er, dass diese von den Fahrenden auch heute noch für Beerdigungen genutzt werde. «Danach fährt die Trauergesellschaft jeweils in einer Karawane zum Friedhof, wo der Verstorbene begraben wird. Das ist eindrucksvoll.»

Fahrende lebten im Hier und Jetzt, sie würden das Unverplante mögen, sagt Popi Werro. Er trauert darum der Zeit nach, als es den Fahrenden noch möglich war, einfach bei einem Bauern mit dem Wohnwagen Halt zu machen. «Heute braucht alles und jedes eine Bewilligung.»

Seit ein paar Jahren versucht Popi Werro, den Sesshaften die Kultur der Jenischen an den Zigeu­ner­kulturtagen näherzubringen. Daneben schleift er immer noch Messer, handelt mit Antiquitäten und Altmetall. Im Unterschied zu früher findet der Handel aber eher im Internet statt oder auf organisierten Märkten.

«Wir probieren einfach»

Manchmal habe er schon überlegt, ob seine Kinder nicht eine Lehre hätten absolvieren sollen. «Aber dem Sohn, der eine Lehre gemacht hat, dem geht es heute am schlechtesten, weil er Mühe hat, mit seinem Einkommen auszukommen.» Schliesslich brauche ein Jenischer keinen Beruf zu lernen: «Wir können ein Haus von A bis  Z selber bauen, wir müssen das nicht lernen, wir probieren es einfach.» Sesshaft zu werden, kommt für Werro jedenfalls nicht infrage. «Man kann seine Haut nicht einfach abstreifen.» Sagt es, und reist ab.

Zur Serie

Jenische und Sinti in Freiburg

Vom 9. bis 12. August findet auf der Wiese der Grossrahmengasse in der Freiburger Unterstadt die Feckerchilbi statt. Die Feckerchilbi ist ein jahr­hun­derte­altes Treffen der Jenischen und aller «Fecker» und «Fahrenden». «Fecker» ist ein altes Innerschweizer Wort für herumziehende Gewerbetreibende, also für Jenische, Sinti und andere Händler und Hausierer, die an die Türen klopften und Waren und Dienstleistungen anboten. Heute ist es ein Fest der Jenischen und Sinti der Schweiz und dient der Begegnung mit der Mehrheitsgesellschaft. Im Hinblick auf die Chilbi widmen die FN den Jenischen und Sinti in Freiburg eine Serie.

rsa

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