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Maschinen beginnen zu lieben

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Maschinen beginnen zu lieben

Einstürzende Neubauten im Fri-Son

Am letzten Samstag spielte die Berliner Band Einstürzende Neubauten zum dritten Mal im Freiburger Fri-Son. Obwohl der Auftritt der Band im Vergleich zu früher ruhiger wirkte, bestimmten industrielle Klänge den Abend.

Von THOMAS PITTINO

Vor zwanzig Jahren entstand in Berlin die Band Einstürzende Neubauten. Mit Blixa Bargeld als Sänger und Kopf der Gruppe avancierten sie vom Berliner Untergrund zu einem im Feuilleton gern besprochenem Kulturgut deutscher Musik. Doch mit dem Einzug von Bands wie «Rammstein» und «Nine Inch Nails» in die internationalen Charts war für die Neubauten eine Änderung ihrer Musik unausweichlich. Mit der so genannt «unhörbaren Musik» Anfang der 80er schockierten sie zu Beginn die deutschen Musikkritiker, ermöglichten jedoch auch die spätere Akzeptanz von «Lärm» in populärer Musik. Die mit dem neuen Album «Silence is Sexy» abgeschlossene Veränderung der Gruppe hin zur etwas ruhigeren, Lied-orientierteren Musik mag frühere Fans irritieren oder enttäuschen, bietet aber den Neubauten die einzige Möglichkeit, weitere Jahre für sie glaubhafte Musik zu machen.

Stille als Konzertanfang

Mit dem Titelstück des neuem Albums eröffneten die Einstürzenden Neubauten das Konzert im Fri-Son. In minutenlanger Stille, nur unterbrochen vom Anzünden und Rauchen einer Zigarette, verharrten die Bandmitglieder regungslos auf der Bühne und machten dabei deutlich, wie ernst es ihnen mit dem neuen Album ist. Hörbar irritiert wartete das Publikum auf das, was man von den Neubauten kennt: kompromisslos harte, industrielle Musik. Diese war dann auch teilweise vorhanden, doch spielten die Musiker viel präziser und geplanter, als man es von den alten Jahren her kennt. Wiederum kamen Turbinen, Sägeblätter und Metallplatten zum Einsatz, doch wirkte dies auf den Zuhörer eher wie ein angenehmer Teppich aus Lärm, wie eine industrielle Ballade, gesungen von reif gewordenen Maschinen.

Grund dafür ist zum einen die Auswahl der gespielten Stücke. Praktisch komplett wurde das neue Album vorgestellt. Verbunden mit etlichen Liedern aus «EndeNeu», der letzten Veröffentlichung, und «Tabula Rasa» durchlief die Band nochmals die musikalische Transformation der letzten sieben Jahre. Von «Interimsliebende» über «Schacht von Babel» bis hin zu «Musentango» konnte das Publikum immer mehr mitschwanken und -summen – ein Novum für ein Neubauten-Konzert. Blixa Bargeld erwähnte selbst, er möchte versuchen, die alte Verhärtung der Band und deren Musik etwas zu brechen. Musikalisch ist dies sicherlich gelungen. Ob dies jedoch auch über das Konzert zu sagen ist, bleibt offen. Sieht man Bargeld auf der Bühne zwischen Alex Hacke und Jochen Arbeit herumhüpfen, muss man zwar schmunzeln, wünscht sich aber insgeheim, er stünde weiter regungslos auf der Bühne und gäbe zwischen den Stücken bloss einige zynische Bemerkungen von sich.

Nach gut zwei Stunden beendeten die Einstürzenden Neubauten mit «Salamandria» ein sehr gutes, doch stellenweise überraschendes Konzert.

Ein Musiker wird Komiker

Vor dem Konzert der Einstürzenden Neubauten hatten die Freiburger Nachrichten die Möglichkeit, ein Gespräch mit deren Sänger zu führen.

Mit BLIXA BARGELD
sprach THOMAS PITTINO

Vor 20 Jahren haben Sie mit den Einstürzenden Neubauten im «Moon» in Berlin das erste Konzert gegeben. Wie beurteilen Sie selbst ihren Einfluss auf andere Gruppen und auf die Musik der letzten 20 Jahre generell?

Ich weiss, dass es ihn gibt. Ich weiss von vielen Kollegen, dass sie sich auf das, was wir in den letzten 20 Jahren gemacht haben, beziehen. Aber ich bin nicht firm genug in der populären Musik, um irgendwelche genaueren Sachen darüber sagen zu können. Ich weiss, es gibt dutzendweise – auch erfolgreiche – Gruppen, die uns als ihren grössten Einfluss herbeiziehen – ich weiss aber nicht, was die machen.

Sagt Ihnen aber «The Young Gods» aus Freiburg etwas?

Natürlich! Wir haben fünf oder sechs Konzerte mit den Young Gods in den 80er Jahren gespielt, und wir spielen dieses Jahr wieder mit den Young Gods in Turin. Ich wusste nicht, dass es die Young Gods noch gibt, aber das sagt man von den Neubauten ja auch immer. Die Young Gods waren eine Band, die keine Kompromisse einging, und das hat mir natürlich immer gefallen.

Sie sagen oft, es wären vor allem klassische Komponisten, die Sie beeinflussen.

Ich habe eine ganze Zeit lang das, was ich als katholischen Minimalismus bezeichne, gehört. Das sind eben Henryk Gorcki und Arvo Pärt. Später, als es dann spiritueller Minimalismus war, hörte ich Ganschelli, dessen extremen Dynamiken mich faszinierten. Von Forte zu Piano und zurück. Ich mag seine Arbeit mit Brüchen.

Mit «Tabula Rasa» wurde eine Veränderung der Musik der Einstürzenden Neubauten eingeleitet und mit «EndeNeu» fortgesetzt. Kann man sagen, diese Veränderung hätte mit dem neuesten Album «Silence is Sexy» einen Abschluss gefunden?

Wie weit das ein Abschluss ist, weiss ich nicht. Doch es ist sicherlich richtig, dass, hauptsächlich mit «EndeNeu», die Band sich in einem grossen Transformationsprozess befand. Dieser manifestierte sich hauptsächlich dadurch, dass drei Mitglieder die Band verliessen. Auf der neuen Platte hat sich die Band nun, mit neuen Mitgliedern, wieder gefunden. «Silence is Sexy» wurde von Anfang bis Ende in derselben Zusammensetzung produziert, was sich in die Qualität des Albums auszahlte.

Wie sieht die Zukunft aus? Können Sie sich vorstellen, nochmals ein Album mit «unhörbarer Musik» zu produzieren?

Ich kann mir viel vorstellen. Aber ich weiss nicht, ob ich das will. Die ganze Band ist mit dem letzten Album sehr zufrieden. Ich denke, es ist ein ziemlicher Monolith. Ich würde genau in der Richtung weitergehen. Allerdings weiss ich nicht, was mich als nächstes interessiert. Im Moment würde ich am liebsten ein Album machen, das völlig unrhythmisch ist.

Auf dem neuen Album singen Sie oft in Englisch. Weshalb?

Der Hauptgrund ist der, dass diese Platte, die einen gewissen Abschluss des vollzogenen Transformationsprozesses markiert, ausserhalb der Reihe steht und nicht wie die alten Alben rezipiert werden kann.

Kann die englische Sprache auch helfen, eine Schreibblockade zu überbrücken?

Nein! Eine Schreibblockade hatte ich nur bei «EndeNeu». Damals hing dies mit der gesamten Veränderung der Band zusammen. Bei «Silence is sexy» wurde das Englisch gezielt eingesetzt.

«Auch die Komik ist ein Riss im Machtgefüge.» Bezieht sich diese von Ihnen gemachte Aussage auf die Veränderung der Neubauten?

Man könnte das sicherlich auch so sehen. Wenn Sie das Konzert heute Abend sehen, dann werden sie feststellen, dass eine Menge Ironie drin-steckt. Eine Bereitschaft, sich zwar nicht lächerlich zu machen, doch diese Verhärtung, diesen Schorf aufzubrechen. Es ist eigentlich die Anarchie der Dinge, die in der Materialität unserer Musik liegt, gebrochen mit dem Machtgefüge der Sprache.

Muss man sich also auf Blixa Bargeld als Komiker vorbereiten?

Ja doch, bestimmt!

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