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Nashörner

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Der Dichter Eugène Ionesco, Grossmeister des absurden Theaters, bringt 1959 sein berühmtestes Stück «Rhinocéros» (»Die Nashörner») auf die Bühne. Darin beschreibt er die Verwandlung einer ganzen Stadtbevölkerung in eine Herde von Nashörnern. Der Einzige, der von dieser Verwandlung ausgenommen bleibt, ist Bérenger, die Hauptfigur des Stücks. Die Metamorphose beginnt bei einzelnen Menschen und greift mehr und mehr um sich. Nach dem anfänglichen Entsetzen folgt die langsame Gewöhnung an die neue Existenzform, je öfter die Menschen diese an anderen und schliesslich an sich selbst wahrnehmen. Am Ende wird die Nashornheit («la rhinocérite») zur neuen Normalität: Die Menschen vergessen, dass sie einmal Menschen waren, und fühlen sich schliesslich wohl in ihrer gepanzerten (Nashorn-)Haut. Selbst Bérenger kann der Versuchung, sich der allgemeinen Vernashornung anzuschliessen, nur schwer widerstehen. So weit kommt es dann aber doch nicht. Bérenger ist und bleibt der einzige Mensch in einer Stadt voller Nashörner. Dabei hinterlässt er nicht den Eindruck eines siegreichen Einzelkämpfers, der den Menschen und das Menschliche heroisch vor dem Untergang bewahrt. Vielmehr ist er ein gelangweilter, dem Alkohol zugeneigter, kleiner Angestellter, der im Leben keinen Sinn zu erkennen vermag. Erst am Schluss des Stücks fällt er die Entscheidung, sich auf die Seite der Menschheit und gegen die Nashörner zu stellen: «Ich bin der letzte Mensch. Ich werde es bleiben bis zum Ende. Ich kapituliere nicht.»

Den tieferen Sinn von Ionescos Stück zu erkennen, ist leicht und schwer zugleich. Der Witz besteht darin, dass Ionescos Karikatur der Wirklichkeit diese bis zur Kenntlichkeit verzerrt. Es besteht kein Zweifel, dass Ionesco sein Drama als grundsätzliche Kritik an Massenbewegungen verstanden wissen wollte, seien diese nun von Ideologien, Volks(ver)führern, Parteiprogrammen, Religionen oder anderen geschlossenen Glaubenssystemen gelenkt. Als Rumäne kannte sich Ionesco im stalinistischen Totalitarismus Ceausescu’scher Prägung bestens aus. Als Freiwilliger in der französischen Résistance kämpfte er gegen den Totalitarismus der Nazis. Ionesco wusste also genau, wovon er sprach, wenn er die um sich greifende Entmenschlichung beschrieb, die Gehirnwäsche, die aus Menschen willfährige Roboter oder eben fühllose, gepanzerte Nashörner macht. Mitläufer, die den Gleichschritt in der abgestumpften Masse dem Selberdenken und der persönlichen Freiheit vorziehen.

Ist das Nashornsyndrom grösser oder kleiner geworden als zur Zeit Ionescos? Unbestrittenermassen leben wir Menschen heute weniger autoritätsgläubig als früher. Wir gestalten unser Leben selbstbestimmter, unabhängiger, freier. Niemand will sich vorschreiben lassen, was er oder sie zu tun oder zu lassen habe. All das würde im Grunde dafür sprechen, dass wir uns auf die Seite Bérengers geschlagen haben, auf die Seite der Menschheit und gegen die Nashörner. Aber ist es tatsächlich so? Ist die Freiheit, die uns angeblich so viel bedeutet, tatsächlich eine selbstgestaltete oder nicht doch eher eine vordefinierte Freiheit? Die Freiheit zu konsumieren, die Freiheit, uns dem zwanglosen Zwang der grossen Zahl, der Mode, der Mehrheitsmeinung, der allgegenwärtigen Propaganda, der digitalen Diktatur zu unterwerfen? Sind wir nicht im Begriff, uns gegen eine Welt, die immer mehr und immer gefährlichere Katastrophen baut, zu schützen, indem wir uns immunisieren, indem wir uns eine dicke Haut zulegen, indem wir, na ja, allmählich zu Nashörnern werden…!

So gesehen geht uns Ionescos Stück auch heute noch etwas an. Wie können wir dem Sog der Masse, des Konsums, der Scheinfreiheit widerstehen? Ionesco hat es in einem Interview folgendermassen gesagt: «Die Grundvoraussetzung kreativen Denkens ist, glaube ich, abseits der Strömung zu sein. Denn wenn man mit dem Strom schwimmt, ist man niemals bei sich selbst. Man glaubt, mit dem Strom schwimmen zu müssen. Aber im Grunde muss man selbst ein Strom sein, nicht mittendrin. Selbst wenn man nur ein kleines Rinnsal ist.»

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