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Nicolas Betticher: «Die Amtsträger haben versagt»

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Nicolas Betticher hat in einem Brief an den Papst schwere Vorwürfe gegen Schweizer Bischöfe und Priester erhoben. Ihm geht es «um die Opfer, nicht um die Amtsträger». Er fordert, dass das Kirchenrecht endlich angewandt wird und die «bewusste Vertuschung» aufhört. Das Kirchenrecht erlaubt die Aufhebung der Verjährung.

Nicolas Betticher, haben Sie den Brief an den «SonntagsBlick» weitergegeben?

Nein, ich habe mich immer an das Berufsgeheimnis gehalten. Bei dem Brief handelt sich um eine interne Kommunikation an den Vatikan über Missstände in der Schweizer Kirche, die zu untersuchen sind. Ich nehme zur Kenntnis, dass mein internes Schreiben den Weg an die Medien gefunden hat. Da es an die Öffentlichkeit gelangt ist, nehme ich dazu aber natürlich Stellung.

Warum haben Sie den Brief verfasst?

Ich wollte, dass wir als Kirche nicht nur historisch aufarbeiten – die Vorstudie erscheint ja am Dienstag und sie ist sehr, sehr wichtig. Aber es ist auch wichtig, dass wir kirchenrechtlich aufarbeiten. Das kann die historische Studie nicht leisten, beziehungsweise, es ist nicht ihre Aufgabe. Verantwortung zu übernehmen, Konsequenzen zu ziehen und Missbrauchstäter aus dem Dienst der Kirche zu entfernen, das ist unsere Aufgabe als Kirche. Mein Anliegen ist es, dass wir dies auch tun.

Sie waren bis 2011 Generalvikar des Bistums Lausanne, Genf und Freiburg. Warum haben Sie sich nicht schon viel früher mit Ihrem Wissen an den Vatikan gewandt?

Wir alle, auch ich, haben Fehler gemacht. Wir müssen heute zu der Tatsache stehen, dass wir lange nicht sauber gearbeitet haben. Ich habe lange zugeschaut und gesehen, dass nichts geschieht. Deshalb habe ich, wie es der Papst in «Vos Estis» auch explizit von Priestern fordert, den Heiligen Stuhl informiert.

Was steht in Ihrem Brief an den Vatikan?

Ich habe den Vatikan von allen Missbrauchsfällen, von denen ich Kenntnis habe, unterrichtet. In meinem Brief sind alle Fälle mit Fragen aufgelistet. Diese sollen dem Untersuchungsrichter helfen, die Wahrheit herauszufinden.

Inwiefern?

Zum Beispiel: Ich weiss von Fall XY. Wurde hier eine Voruntersuchung gemacht? Wurde ein Verfahren eingeleitet? Was waren die Resultate? Gab es ein Urteil? Das soll dem Untersuchungsrichter helfen, die Wahrheit zu finden. Und dann kommt es hoffentlich zu einem ordentlichen Verfahren.

Wie sähe ein solch ordentliches Verfahren aus?

Gemäss Kirchenrecht hiesse das: Man hört alle an – und nicht nur den mutmasslichen Täter. In ausserordentlichen Verfahren wird häufig nur der Beschuldigte angehört. Das hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass viele Verfahren eingestellt wurden. Nur ein ordentliches Verfahren kann die Wahrheit ans Tageslicht bringen – und einen Beschuldigten entweder überführen oder ihn entlasten.

Was motiviert Sie persönlich?

Ich denke an die Opfer. Denn es geht um sie und nicht um die Amtsträger. Die Amtsträger haben versagt. Auch ich damals als Generalvikar und Offizial. Das nehme ich auf mich. Aber ich kann heute, 15 Jahre später, nicht mehr akzeptieren, dass man so weiter macht. Ich führe viele Gespräche mit Betroffenen. Die Betroffenen erleben bis heute immer wieder, dass ihre Meldungen ohne Konsequenzen für die Täter bleiben. Das ist schlimm.

Haben Sie auch die Forschenden der Uni Zürich über die Vorwürfe informiert?

Ja, ich habe ihnen alle Informationen gegeben. Diese bearbeiten sie historisch, und Joseph Bonnemain, der vom Vatikan als Sonderermittler eingesetzt wurde, bearbeitet sie rechtlich. Das ist wichtig. Parallel zur historischen Untersuchung brauchen wir auch eine rechtliche. Wir als Kirche waren lange zu langsam. Wir müssen jetzt handeln.

Warum bleibt die Kirche untätig?

Ich kann das auch nicht verstehen. Selbst heute, da es in jedem Bistum Kommissionen gibt, wird häufig wenig getan. Man beschränkt sich darauf, gemeldete Fälle der Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Und wenn diese dann sagt, dass der Fall verjährt ist, archiviert man noch heute diesen in den Bistümern. Dabei erlaubt das Kirchenrecht, die Aufhebung der Verjährung. Warum macht man das nicht? Weil man dann vielleicht auf Wahrheiten stösst, die man gar nicht wissen will. Und das ist eine Art Vertuschung, die bewusst gemacht wird. Und das kann ich nicht mehr akzeptieren.

Zur Person

Angesehener Freiburger Kirchenmann

Nicolas Betticher (61) war von 1995 bis 2000 Sprecher der Schweizer Bischofskonferenz. Danach war er Mitarbeiter von Bundesrätin Ruth Metzler, bevor er 2001 Kanzler des Bistums Lausanne, Genf und Freiburg wurde. 2009 ernannte ihn Bischof Bernard Genoud zum Generalvikar. Nach der Amtsübernahme durch Charles Morerod ging Betticher nach Bern als Sekretär der Nuntiatur. Seit 2015 ist er Pfarrer und Pfarreileiter von Bruder Klaus in Bern. Er ist ausserdem Offizial am Interdiözesanen kirchlichen Gericht.

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