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Oberste Polizeidirektorin warnt vor organisierter Kriminalität

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«Wir müssen Lücken schliessen, die von Kriminellen genutzt werden, um uns zu unterwandern»: Karin Kayser-Frutschi, Co-Präsidentin der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren KKJPD, fordert im Interview mehr Zusammenarbeit, Aufmerksamkeit und Mittel im Kampf gegen die organisierte Kriminalität.

Behörden von Bund und Kantonen gehen laut einer Studie des Bundesamts für Polizei Fedpol davon aus, dass die Schweiz «mittel bis stark» von organisierter Kriminalität unterwandert ist. Teilen Sie diese Ansicht?

Diese Kriminalität ist besser organisiert und stärker verbreitet, als vielen von uns bewusst ist. Aber die Sensibilisierung hat jetzt begonnen: Ich höre viele Leute, die sagen, sie hätten nie gedacht, dass es so schlimm ist.

Sie und ihr Kripo-Chef in Nidwalden warnten kürzlich am Regionalfernsehen vor der organisierten Kriminalität. Ist das Teil der Sensibilisierung?

Ja. Wir versuchen das Problem beispielsweise mit dem Thema Barbershops zu veranschaulichen, das auch Sie aufgegriffen haben. Wir sagen den Leuten: Schauen Sie sich an, wie sich diese Shops entwickelt haben. Welche Fläche sie haben. Wie viele Leute dort arbeiten, zu welchen Preisen sie arbeiten. Wenn Sie Unternehmer wären, würde das funktionieren? Sicher nicht. Was also könnte dahinterstecken?

War bisher auch die Politik zu wenig sensibilisiert?

Wir alle wähnten uns in der Schweiz sicher. Wir meinten lange, die organisierte Kriminalität sei zwar rundherum in Europa, aber nicht bei uns. Auch in Nidwalden nahm man die organisierte Kriminalität lange überhaupt nicht wahr. Tatsächlich war sie auch lange nicht vorhanden.

Und jetzt?

Mittlerweile ist sie auch bei uns immer stärker präsent. Als die Behörden in Städten wie Zürich oder Basel immer mehr gegen die organisierte Kriminalität eingriffen, wich ein Teil nach Luzern aus. Als Luzern aktiver wurde, wich sie weiter in kleinere Kantone aus. Auch wir haben mittlerweile dubiose Strukturen. Ländliche Gegenden werden längst nicht mehr verschont, ganz im Gegenteil.

Diese Clans ziehen dorthin, wo wenig kontrolliert wird?

Sie schauen, wo es Kontrolllücken gibt, und lassen sich dort nieder.

Nidwalden merkte das zu spät?

Nicht nur Nidwalden. Wir haben ein liberales Staatsverständnis, das stark auf Vertrauen basiert. Die Schweiz ist kein Kontrollstaat, der jedes Unternehmen überprüft. Bei uns hat man die Freiheit, ein Unternehmen zu eröffnen. Wenn die Buchhaltung stimmt und die Regeln befolgt werden, lässt der Staat einen gewähren. Wir möchten, dass die Unternehmer unternehmerisch wirken können. Aber irgendwann merkt man, dass einige dieses Vertrauen systematisch ausnützen. Dass wir besser hinschauen müssen. An diesem Punkt stehen wir jetzt.

Ein Problem bei der Aufdeckung dieser Clans ist: Behörden von Bund, Kantonen und Gemeinden dürfen ihre Informationen über verdächtige Personen oder Vorgänge heute nicht austauschen.

Hier stehen wir vor einer grossen Herausforderung. Der Föderalismus ist ein ganz wichtiges und positives Prinzip für unserer Land. Aber wir müssen innerhalb dieses Föderalismus unbedingt die Zusammenarbeit verstärken.

Das heisst?

Für uns ist es zentral, dass wir den polizeilichen Datenaustausch bekommen. Austausch im Sinn von: dass wir Informationen miteinander teilen können. Ich habe kürzlich eine Änderung unseres Polizeigesetzes ins Parlament gebracht. Sie ermöglicht es unserer Polizei, sich mit anderen Ämtern auszutauschen. Auch dass sich das Handelsregisteramt mit dem Grundbuchamt austauschen darf. Oder dass sich bei konkretem Verdacht die Polizei beim Sozialamt über eine Person erkundigen darf.

Das ist heute nicht möglich?

Hier fehlt heute zum Teil die rechtliche Basis. Wir haben teilweise Gesetze, die ganz im Sinn der Täter sind.

Auch zwischen Kantonen hapert es mit dem Austausch …

Das wird in der kleinräumigen Innerschweiz sehr schnell zum Problem. Wenn wir eine Person in Nidwalden aufgreifen, wissen wir nicht, ob in Luzern etwas gegen sie vorliegt. Wir hatten auch schon Maghrebiner, die einen Haftbefehl aus einem anderen Kanton zückten, als wir sie aufforderten, sich auszuweisen. Erst so erfuhren wir, dass die Person in einem anderen Kanton polizeibekannt ist.

Warum hat der den Haftbefehl überhaupt bei sich?

Er bekam ihn irgendwann ausgehändigt und hielt ihn wohl für eine Art staatlichen Ausweis. Auch ich bin für einen starken Persönlichkeitsschutz. Aber er darf nicht zulasten von Dritten gehen. Wir Schweizer sind manchmal etwas blauäugig. Andere europäische Länder rufen unsere Sicherheitsbehörden schon länger auf: «Schaut hin, lasst es nicht so weit kommen wie bei uns».

Aus Belgien kommt der Drogenboss Flor Bressers, der sich zwei Jahre lang in der Schweiz unter falschem Namen aufhielt und in Saus und Braus lebte. Diese Clans erkennen die Schwächen im System und nützen sie aus?

Das haben wir gesehen, als das Bundesamt für Polizei in Kooperation mit Europol den Kommunikationsdienst Sky ECC knackte, den die kriminellen Organisationen benutzten.

Diese Kommunikation zeigte laut Fedpol insbesondere die starke Präsenz der Balkanmafia und der italienischen Mafia bei uns.

Es ist bedenklich, was da alles zum Vorschein kam. Die Daten führten uns vor Augen, wie verbreitet diese kriminellen Clans in der Schweiz bereits sind, wie sicher sie sich fühlen, wie sie die Gesellschaft unterwandern. Wir erhielten Unmengen von Informationen, es laufen Dutzende von Verfahren.

Machte Sky ECC Ihnen erst so richtig klar, wie gross der Handlungsbedarf ist?

Der Fall Sky ECC zeigte einfach den Handlungsbedarf drastischer als bisher.

Die KKJPD will jetzt handeln. Sie legten den Kantonen den Entwurf einer Interkantonalen Vereinbarung über den Datenaustausch zum Betrieb gemeinsamer Abfrageplattformen und Datenbanksystemen vor.

Wir haben vier mögliche Wege, das Problem zu lösen. Der einfachste, aber am wenigsten effektive ist, wenn jeder Kanton sein Polizeigesetz ändert. Dann haben wir aber 26 verschiedene Polizeigesetze und wenn die Änderung in einem Kanton nicht durchkommt, ist mit diesem kein Austausch möglich. Die zweite Stufe ist die Interkantonale Vereinbarung. Also ein Regelwerk, das für alle Kantone gilt. Da sind die kantonalen Parlamente jeweils skeptisch, weil ein Konkordat die eigene kantonale Gesetzgebung übersteuert. Die dritte Möglichkeit wäre, den Datenaustausch auf Bundesebene in der Gesetzgebung zu verankern. Die vierte Stufe ist eine Verfassungsänderung: Man schreibt in die Verfassung, dass Bund und Kantone untereinander Daten austauschen dürfen.

Welches ist der beste Weg?

Am schnellsten ginge es mit dem Bundesgesetz. Es gibt aber verschiedene Stimmen, die die Verfassungsmässigkeit einer solchen Regelung anzweifeln. Die Sicherheitskommissionen des Parlaments haben sich nun deshalb für eine Verfassungsrevision ausgesprochen. Und die KKJPD arbeitet parallel an einer Interkantonalen Vereinbarung.

Der Datenaustausch, der über die geplante Polizei-Abfrageplattform «Polap» erfolgen soll, ist umstritten. Der Eidgenössische Datenschützer etwa äusserte sich vehement dagegen.

Datenschutz ist auch mir wichtig. Aber statt öffentlich zu streiten, müssten wir eigentlich miteinander schauen, dass wir das Ganze gut austarieren können. Wir suchen nun das Gespräch mit den Datenschutzbeauftragten.

Wie wollen Sie Kritiker überzeugen?

Indem wir die Notwendigkeit des Informationsaustauschs besser erklären. Wofür wir ihn benötigen und wofür nicht. Es ist ja nicht so, dass der Polizist X vor dem Computer sitzt und nach dem Motto agiert: «Gestern Abend habe ich doch diesen Typen gesehen, mal sehen was ich anhand seiner Autonummer über ihn rausfinden kann.»

Sondern?

Es geht schlicht darum, dass die Polizei wissen soll, was die Polizei weiss, ohne dass die Kantonsgrenzen eine Rolle spielen sollen. Wenn ein Polizist in Luzern jemanden kontrolliert, soll er die sicherheitsrelevanten Informationen sehen dürfen, die bei der Polizei in Zürich über diese Person vorliegen.

Trotz der Hindernisse: Dieser Datenaustausch kommt?

Davon bin ich überzeugt. Die überwiegende Mehrheit unserer Gesellschaft versteht nicht mehr, dass wir diesen Datenaustausch nicht haben. Wir müssen aber Vertrauen und Transparenz schaffen und der Bevölkerung zeigen, dass es nicht darum geht, den Überwachungsstaat einzuführen. Sondern darum, Lücken zu schliessen, die von Kriminellen genutzt werden, um uns zu unterwandern.

Die abtretende Fedpol-Chefin Nicoletta della Valle sagt: Wegen der fehlenden Daten haben wir in der Schweiz heute kein richtiges Lagebild, was die Verbreitung der organisierten Kriminalität bei uns betrifft.

Das Lagebild werden wir sukzessive ausweiten müssen. Der Föderalismus ist unsere Basis, er ist gut, aber er muss sich zeitgemäss entwickeln. Wir brauchen ein Lagebild, das über die Dorfgrenze, die Kantonsgrenze, die Landesgrenze hinausgeht. Denn die kriminellen Strukturen sind gut organisiert, länderübergreifend und haben immense Ressourcen.

Muss der Föderalismus modernisiert werden?

Ich würde eher sagen: Er muss mit der gesellschaftlichen Veränderung mitwachsen.

Sie kommen aus einem Kanton, der eher Mühe hat mit Veränderung.

Wir sind sicher ein konservativer Kanton, der auf Tradition und Zusammengehörigkeitsgefühl setzt, was in unserer Gesellschaft sehr wertvoll ist. Aber wir müssen auch die nötige Offenheit haben, uns auf neue Entwicklungen einzustellen, uns anpassen. Ich denke, das geschieht gerade.

Es braucht auch mehr Geld. Hat die Polizei zu wenig Ressourcen, wie immer wieder gesagt wird?

Es gibt kein Polizeikorps in der Schweiz, das sagen kann, es habe genug Ressourcen. Die Polizei läuft schon im Normalbetrieb am Limit. Kommt es zu einem aussergewöhnlichen Fall, braucht es gegenseitige Unterstützung. Das ist auch gut so, das leisten wir gerne. Beispielsweise für die Ukraine-Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock. Aber das Problem ist, dass wir daneben die Alltagsgeschäfte kaum mehr bewältigen können.

Was heisst das?

Wir können zu wenig auf die Bedürfnisse der Bevölkerung eingehen und nicht immer das leisten, was diese von der Polizei erwartet: dass sie sofort kommt, wenn man anruft, dass sie immer ein offenes Ohr hat. Eine andere Folge ist, dass man Fälle auf die lange Bank schieben muss und die Strafverfolgung darunter leidet. Gleichzeitig sollen wir immer effektiver und effizienter arbeiten.

Wozu führt das?

Fehlende Ressourcen bewirken, dass man halt dann manchmal gewisse Dinge durchgehen lässt. Oder man wendet, gerade im IT-Bereich, Systeme an, die günstiger sind als die Konkurrenz und einfacher zu beschaffen. Wenn aber dann etwas passiert – ich denke beispielsweise an den Fall Xplain –, kommt der grosse Aufschrei. Und dann werden neue Schranken und Regularien eingeführt, die unsere Arbeit weiter erschweren und teurer machen

Haben Sie ein Beispiel?

Die ständig steigenden Sicherheitsanforderungen in den Systemen führen beispielsweise dazu, dass sich unsere Leute ständig neu anmelden müssen, das Anmeldeprozedere wird gleichzeitig aufwendiger. Da geht Zeit verloren, die wir lieber für die Fallbearbeitung verwenden würden.

Ein Problem, das auch zunehmend Ressourcen der Polizei bindet, sind die Fussball-Hooligans.

Kürzlich hörte ich, dass sich bei einem Korps vier Mitarbeitende ausschliesslich um die Bearbeitung der Themen und Probleme kümmern, die der lokale Fussballclub mit sich bringt. Und jene, die die Krawalle veranstalten, zahlen deswegen ja nicht mehr Steuern. Das zahlt die Allgemeinheit, es bindet Ressourcen, die wir besser einsetzen könnten. Hier würde ich auch mehr Unterstützung der Klubs erwarten: dass sie sich viel klarer von gewaltbereiten «Fans» distanzieren.

Nicht nur bei solchen Sportanlässen ist die Polizei zunehmend Aggressionen ausgesetzt.

Die Gewalt gegen die Polizei hat massiv zugenommen. Es wird schwieriger, Leute zu finden, die diesen herausfordernden Job machen wollen. Wer sich in Uniform zeigt, erhält heute keine Vorschusslorbeeren mehr. Wenn die Akzeptanz der Polizei nicht mehr vorhanden ist, hat der Rechtsstaat ein Problem. So weit sind wir zwar noch nicht, aber es verschiebt sich gerade etwas in die falsche Richtung.

Was kann man dagegen tun?

Unsere Umfragen zeigen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei andauernd sehr hoch ist. In gewissen Kreisen geht aber der Respekt verloren. Hier müssen wir das Gespräch suchen und teilweise auch Grenzen setzen. Und insgesamt müssen wir darlegen, dass unsere Behörden die nötigen Mittel und zeitgemässe Instrumente brauchen, um Gefahren wie die der organisierten Kriminalität wirksam zu begegnen. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt. Wir sind eine intelligente, kritische Gesellschaft, die zur Selbstreflexion fähig ist.

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