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Schnapsteufel und Abstinenzler

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Über kein Thema haben die Schweizer an der Urne so häufig abgestimmt wie über den Alkohol. Die Frage nach dem richtigen Umgang mit der berauschenden Substanz hat die Schweizer Gesellschaft in der Vergangenheit stets umgetrieben und tut dies bis heute. Die beiden Historiker Peter Moser und Juri Auderset haben nun die erste umfassende Geschichte der Alkoholfrage in der Schweiz vorgelegt. In ihrem Buch «Rausch und Ordnung» gehen sie den zentralen Entwicklungslinien der Schweizer Alkoholpolitik vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart nach. Die Publikation entstand im Auftrag der 1887 gegründeten Eidgenössischen Alkoholverwaltung (EAV), deren Auflösung das Parlament kürzlich beschlossen hat. Mit der Abschaffung der Behörde geht ein 130 Jahre dauerndes Kapitel der Schweizer Geschichte zu Ende. Das Buch sollte deshalb zunächst eine Art abschliessendes Fazit für die Arbeit der EAV darstellen.

Auch Sozial- und Kulturgeschichte

«Wir wollten nicht einfach eine klassische Institutionsgeschichte schreiben», sagt der Freiburger Historiker Juri Auderset im Gespräch mit den FN (Interview siehe Kasten). Vielmehr sei es den Autoren darum gegangen, durch die Brille der EAV die Geschichte der Alkoholpolitik als Ganze nachzuzeichnen, und dabei letztlich auch einen Blick auf allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen zu werfen. «In der Diskussion rund um den Alkohol verbinden und verdichten sich viele gesellschaftliche Fragen, die zugleich über den Alkohol als solchen hinausweisen», so Auderset. Weil das Alkoholproblem immer auch in Hinblick auf andere gesellschaftliche Themen diskutiert wurde, ist das neu entstandene Buch auch eine Sozial- und Kulturgeschichte der Schweiz aus der Perspektive der Alkoholpolitik und deren wichtigstem Vertreter.

Dabei zeigen die Autoren auf überzeugende Weise, wie die Veränderungen der Alkoholpolitik jeweils mit anderen gesellschaftlichen Umwälzungen zusammenhängen. So zum Beispiel im ersten Kapitel, das sich der Entstehungszeit der EAV widmet. Ende des 19. Jahrhunderts prägte die Industrialisierung die Schweiz. Viele Arbeiter litten unter prekären Arbeits- und Lebensbedingungen und versuchten diesen mit Alkoholräuschen zu entgehen. Anhänger der zahlreichen Abstinenzbewegungen, die auf der Strasse gegen den Alkohol und damit gegen die Misere der Arbeiterschaft protestierten, sprachen bald von der «Branntweinpest» oder vom «Schnapsteufel». Die soziale Frage, wie sie Marx und Engels in ihren Schriften stellten, verband sich mit der Alkoholfrage. Einen grossen Sieg an der Urne errangen die Alkoholgegner 1908 bei der Abstimmung zum Absinth-Verbot, das erst im Jahr 2005 definitiv aufgehoben wurde.

«Süssmost statt Apfelschnaps»

Angesichts der Lebensmittelknappheit im Ersten Weltkrieg wurde die Alkoholfrage in den Kontext der Ernährungspolitik eingebettet. Die Behörden machten die Bürger darauf aufmerksam, dass mit dem Brennen von Schnaps wichtige Lebensmittel verschwendet würden. «Süssmost statt Apfelschnaps», war nun die Devise. Ganz anders gaben sich die Rahmenbedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Der wirtschaftliche Aufschwung führte zu einem neuen Konsumverhalten, der Alkohol wurde neu interpretiert. Stärkere Spirituosen wurden zu einem Zeichen von Wohlstand, teure Whiskeys ersetzten den billigen Kartoffelschnaps. «Das Laster der Armen wurde zur eleganten Gewohnheit der Reichen», fasste der Soziologe Peter Wüthrich diese Entwicklung zusammen.

Bis heute stellt sich die Alkoholfrage immer wieder aus neuen Blickwinkeln. Waren es Ende des 19. Jahrhunderts noch die Arbeiter, um die sich die Alkoholgegner sorgten, so spricht die Öffentlichkeit heute von Jugendalkoholismus und beschwört damit das Bild einer verkommenen Jugend. Alkohol bleibt bis heute eine schillernde und vielseitig interpretierbare Substanz. «Der Alkohol ist seit jeher symbolisch stark aufgeladen», sagt Juri Auderset. «Deshalb bleibt das Thema bis heute politisch so brisant».

Juri Auderset / Peter Moser: Rausch und Ordnung. Eine illustrierte Geschichte der Alkoholfrage, der schweizerischen Alkoholpolitik und der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (1887-2015), 2016.

Interview

Weder Erfolgs- noch Misserfolgsgeschichte

Der Freiburger Historiker Juri Auderset arbeitet an den Universitäten Freiburg und Bern und für das Archiv für Agrargeschichte. Er ist einer der beiden Autoren des neu erschienenen Buches «Rausch und Ordnung», das sich mit der Geschichte der Alkoholfrage in der Schweiz beschäftigt. Mit den FN sprach er über die Geschichte der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (EAV), in deren Auftrag das Buch entstand.

 

In Ihrem neuen Buch geht es unter anderem um die Geschichte der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (EAV), die 1887 gegründet wurde. In welchem zeitgeschichtlichen Umfeld entstand die Behörde?

Sie entstand in der Zeit der Industrialisierung und der «sozialen Frage», wie man damals sagte. Viele Arbeiter in den neu entstandenen Fabriken arbeiteten und lebten unter schwierigen und teilweise prekären Bedingungen. Viele suchten im Alkohol eine Möglichkeit, ihrem düsteren Lebensalltag für einen Moment zu entfliehen. Für sie war der Schnaps oft Nahrungs-, Genuss- und Rauschmittel in einem. Der Alkoholkonsum der Arbeiterschaft und der ländlichen Unterschichten wurde von den Mässigkeits- und Abstinenzbewegungen problematisiert. Oft war vom «Schnapsteufel» oder von der «Branntweinpest» die Rede. Dadurch wurde der Ruf nach einem stärkeren Eingreifen des Bundes laut.

Wie erfolgreich war die EAV in der Bekämpfung des Alkoholismus?

Erfolgreich ist man bestenfalls auf Zeit. Insofern ist die Geschichte der EAV weder eine reine Erfolgs- noch eine Misserfolgsgeschichte. Die EAV konnte in bestimmten Zeiträumen wichtige Erfolge in der Regulierung der Alkoholherstellung in der Schweiz und in der Steuerung des Konsums verbuchen. Andererseits waren ihr im Umgang mit Spirituosen aus dem Ausland oft die Hände gebunden – ein Problem, das sich mit dem Wandel der Trinkkulturen und den Konsumvorlieben für ausländische Spirituosen natürlich verstärkt hat.

Kürzlich wurde im Parlament entschieden, die EAV aufzulösen. Hat das zu bedeuten, dass die Alkoholfrage heute nicht mehr relevant ist?

Nein. Das würde ich nicht so sagen. Die Alkoholfrage ist weiterhin hochaktuell, was zum Beispiel die anhaltende Diskussion über das Trinkverhalten von Jugendlichen zeigt. Die Auflösung der EAV sagt uns vielleicht mehr über den Wandel im Verständnis des Staates als über die Alkoholfrage. Der neoliberale Wunsch nach einem «schlanken» Staat mit hochspezialisierten Tätigkeitsgebieten hat sich stark auf das Handeln des Staates und der Verwaltung ausgewirkt. Eine Institution wie die EAV, die über weite Strecken des 20. Jahrhunderts die Regulierung der Alkoholfrage mit der Ernährungs-, Agrar-, Gesundheits-, Sozial- und Fiskalpolitik verknüpfte, ist heute kaum mehr erwünscht.

 

 

 

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