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Schönheit und Vielfalt des Senslerdeutschen

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Schönheit und Vielfalt des Senslerdeutschen

Gespräch mit Christian Schmutz, Autor des Senslerdeutschen Wörterbuches

Christian Schmutz und Walter Haas, die Autoren des Senslerdeutschen Wörterbuches, wollen mit ihrem Werk niemandem vorschreiben, wie er die Sensler Mundart zu sprechen oder zu schreiben hat. Sie wollen vielmehr auf die Schönheit, Vielfalt und Lebendigkeit dieser Sprache hinweisen. Sie verbinden damit die Hoffnung, dass die Sensler – auch die Jungen – mit Stolz zu ihrer Sprache stehen.

Unter einem Wörterbuch stelle ich mir etwas Abgeschlossenes, Vollständiges vor. Hast du in deinem Werk alles erfasst, was typisch ist für den Sensler Dialekt?

Es ist unmöglich, alles zu erfassen. Wir sind zwar von den «typischen» Wörtern ausgegangen und haben darum herum die «gewöhnlicheren» angeordnet. Sicher sind uns aber einige durch die Latten gegangen. Sicher gibt es auch in einzelnen Familien Wörter, die andere vielleicht nicht brauchen, aber ebenso Senslerdeutsch sind. Insofern kann das Wörterbuch einer lebendigen Sprache oder eines Dialekts gar nie vollständig sein, und viele werden vielleicht die eine oder andere Form nicht so im Wörterbuch finden, wie sie es sagen. Es soll stattdessen ein Grundlagenwerk darstellen, das eine weitere Beschäftigung mit dem Senslerdeutschen erst auslöst. Wir wären den Lesern des Senslerdeutschen Wörterbuchs sehr dankbar, wenn sie uns auf Fehlendes, aber auch auf Ungereimtheiten hinweisen könnten.

Die Mundarten sind zurzeit einem grossen Wandel unterworfen. Kommt dein Wörterbuch noch rechtzeitig?

Natürlich verändern sich unsere Dialekte, und ich habe bei meinen Befragungen viele ältere Leute getroffen, die ein unglaubliches Wissen an den Tag legten. Insofern hast du recht mit deiner Frage: Jedesmal wenn jemand stirbt, geht auch ein riesiges Sprachwissen mit ins Grab. Aber dadurch, dass wir auch frühere schriftliche Quellen angezapft haben, können wir einen sprachlichen Überblick von fast 200 Jahren bewerkstelligen. Wir sind also noch nicht zu spät.

Wie bist du auf die Idee gekommen, dich an ein solches Unterfangen heranzuwagen? Hast du ein besonderes Verhältnis zum Sensler Dialekt oder zur Sprache überhaupt?

Der Hauptgrund, weshalb ich mich an das Germanistik-Studium heranwagte, war mein Interesse an Dialekten. Ich begann bereits Material für eine senslerdeutsche Grammatik zu sammeln, als mich Walter Haas anfangs 1992 fragte, ob ich ein Senslerdeutsches Wörterbuch schreiben wolle.

Kannst du kurz beschreiben, wie du bei der Erstellung des Wörterbuches vorgegangen bist?

Nach dem Herantasten an das Thema mit einer Seminararbeit begann ich als Unterassistent, die senslerdeutsche Literatur auszuwerten. Dazu gehörten auch die Grammatik von Walter Henzen aus dem Jahre 1927 und die Befragungen zum Sprachatlas der deutschen Schweiz in den 50er-Jahren. Diese Angaben habe ich dann 26 Leuten von Gurmels bis Schwarzsee vorgelegt, um zu sehen, wie heute noch gesprochen wird. In 13 Ortschaften war dabei eine Person älter als 65 und eine jünger als 25 Jahre alt. So konnten Unterschiede von Ober- bis Unterland und von älteren zu jüngeren Leuten ausgemacht werden. Erst nach der Auswertung dieser Befragungen konnte ich die Informationen wörterbuchgerecht anordnen. Da haben wir lange geübt, um möglichst viele Informationen auf möglichst wenig Platz zu bringen.

Hat sich bei der Arbeit auch deine Sprache gewandelt? Hast du etwas hinzugelernt?

Ich selber bin in dieser Zeit acht Jahre älter geworden, und wie bei allen anderen Leuten hat sich meine Sprache mit dem Fortgang meines Lebens leicht geändert. Ich habe aber auch sehr viel dazugelernt und kann heute kaum mehr sagen, was ich ursprünglich wusste und was während der Beschäftigung mit dem Senslerdeutschen hinzugekommen ist. Ich bin mittlerweile «sprachverbildet», und ich wäre für eine sprachliche Befragung höchst ungeeignet.

Für wen hast du das Wörterbuch geschrieben und welchen Rat gibst du den Benützern?

Das Zielpublikum sind die Sensler Leute. Wir wollen ihnen keine Normen geben, was richtig und was falsch ist. Das wäre eine Frechheit! Stattdessen wollen wir auf die Schönheit, Vielfalt und Lebendigkeit des Senslerdeutschen hinweisen.

Welches ist der originellste Ausdruck oder eine spezielle Wendung, auf die du gestossen bist?

Ganz spontan fällt mir der Ggùggelistùùrz für den «Purzelbaum» ein. Gemäss Sprachatlas der deutschen Schweiz sagte man im Sensebezirk von rund 50 Jahren ds Ggùggeli stçtze. Aber dadurch, dass man mit stçtze in der Bedeutung «in die Höhe strecken» nichts mehr anfangen konnte, haben die Sensler das Wort umgedeutet zu stçç rze. Aus ds Ggùggeli stçç rze ist schliesslich im ganzen Bezirk de Ggùggelistùùrz mache geworden. Dies ist ein Beispiel für eine neuartige Entwicklung, die in der Schweizer Dialektlandschaft einzigartig ist. Also nicht immer ist «alt gleich rein» und «neu gleich verdorben».

Wie steht es mit den «neuen Wörtern» im Sensler Dialekt?

Wie bei jedem anderen Dialekt kommt auch im Senslerdeutschen immer Neues dazu, im rasanten Wandel der Neuzeit sicher noch mehr als zuvor. Die Deutschfreiburger können, auch wenn sie Senslerdeutsch sprechen, von Taschtatuur oder Referendumskomytee reden, ohne ihren Dialekt zu verleugnen. Neue Wörter, die eine Bedeutungsbeziehung mit typischen Sensler Wörtern haben, haben wir meist auch aufgenommen. Aber hier haben wir auch einiges weggelassen, denn das Wort Wasser ist nicht unbedingt eines, das man bevorzugt sucht. Auch wenn es sich im Fall des Senslerdeutschen Wörterbuchs durchaus für einen Besuch eignet. Das neue hiiser kommt neben dem alten hiiseraamig/hiisraamig auch vor, ist aber extra mit «neu» markiert.

Was ist nun das Typische am Sensler Dialekt? Sind es ein paar ausgefallene Wörter und Ausdrücke, oder ist es mehr?

Natürlich macht es mir besonders Freude, wenn ich jemanden Fageta für «Hosentasche» oder Gryggi für «Grille» sagen höre. Aber dass eine Person Senslerdeutsch spricht, merkt man nicht an einzelnen Wörtern, sondern an der Lautung der Wörter und an ihrer Betonung und Aussprache.

Welche Zukunft prophezeist du der Sensler Mundart? Ist ihr Wortschatz reich genug, um in der modernen Welt bestehen zu können?

Ich zweifle keine Sekunde daran! In erster Linie kommt es auf die Einstellung an, die man seiner Sprache gegenüber hat. Ich bin sicher, dass die Sensler stolz genug auf ihren einzigartigen Dialekt sind, um ihn zu erhalten. Dies kann man ganz einfach machen, indem man so spricht, «wie einem der Schnabel gewachsen ist». Natürlich wird sich die Sprache noch verändern, aber davor dürfen wir uns nicht fürchten.

Du hast mit dreissig Jahren ein Standardwerk verfasst, an dem andere ein ganzes Leben arbeiten. Legst du die Arbeit nun zur Seite, oder geht sie weiter?

Wie anfangs gesagt: Das Wörterbuch ist ein Grundlagenwerk und nie wirklich abgeschlossen. Vom gesammelten Material liesse sich noch viel bearbeiten, aber vorläufig mache ich etwas ganz anderes.

(Anmerkung der Redaktion: Christian Schmutz absolviert ein Stage auf der Redaktion der «Freiburger Nachrichten». Daher auch die Du-Form bei den Fragen.) Anton Jungo

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