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Steinernes Eingangstor zum Paradies

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Autor: Fahrettin Calislar

Das Land um die drei Seen des westlichen Mittellandes ist eines der wichtigsten Siedlungsgebiete der Vorgeschichte. Das belegen die vielen Dolmen, Menhire und erratischen Blöcke, von denen die meisten rituellen Zwecken gedient haben müssen, sagt Kurt Derungs: «Es hat relativ viele Kultsteine hier.» Derungs ist von Haus aus Ethnologe, er beschäftigt sich mit der Entwicklung der alten Kulturen. «Mein Steckenpferd ist die Anthropologie der Landschaft.»

Ihm geht es um die Landschaft, in welche die Menschen eingebettet waren, und um ihren Umgang mit dieser Landschaft, ihren Bäumen, Bergen, Gewässern und Steinen. So kam der Bündner Derungs vor zwanzig Jahren ins Dreiseenland und auf den Mont Vully am Murtensee.

Siedlung La Tène ist nahe

Dort begann er sich mit dem sogenannten Agassiz-Stein zu beschäftigen, einem riesigen Findling (siehe Kasten), der vor Urzeiten vom Rhonegletscher von seinem Abbruchgebiet am Furkapass bis zum Mont Vully transportiert wurde. Von Menschenhand konnte er unmöglich bewegt worden sein. Derungs versuchte zu erahnen, wie wohl die alten Kelten, die damals hier siedelten, auf den Stein reagiert hatten. Das lasse Rückschlüsse auf das Verständnis der Lebenswelt der alten Menschen zu, sagt er. Sicher sei, dass sie eine mythologische Erklärung dafür haben mussten.

Die frühe keltische Kultur ist dank der Funde in La Tène in der Nähe des Neuenburgersees gut erforscht. «Das ist die berühmteste keltische Kultstätte in der Schweiz», so Derungs. Sie stammt aus dem dritten Jahrhundert vor Christus. Man weiss aber auch von Spuren, die 12000 Jahre alt sind und bis zur letzten Eiszeit reichen. «Jeder Mensch, der hier gesiedelt oder vorbeigekommen ist, ist auf solche Steine gestossen», fährt Derungs fort. Es gebe viele Beispiele in der Region. «Die Leute haben solche Ritualplätze, die ihnen die Natur geschenkt hat, natürlich gleich gebraucht.»

Vom Riesen Gargantua

Der Erforschung des Steines folgte die Suche nach Überlieferungen, also Sagen oder Brauchtümern im Zusammenhang beispielsweise mit dem Felsen. «Leider ist die Suche nicht immer sehr ergiebig, doch es gibt ein paar Puzzlesteine.» Auffällig ist, wie er in seinem Buch «Mythen und Kultplätze im Dreiseenland» schreibt, dass die lokale Bevölkerung den Felsen mit seinem alten Namen «Palet Tournant» oder «Drehender Wurfstein» bezeichnet.

Der Name erinnert an eine Sage rund um den Riesen Gargantua. Sie entstand in Frankreich und ist dort in vielen Variationen verbreitet. Demnach soll der Riese Gargantua beim Wandern am Murtensee vorbeigekommen sein. «Es habe ihn gezwickt im Schuh. Er habe den Kieselstein aus dem Schuh genommen und fallen lassen, so sei der Stein hier liegen geblieben.» Die Geschichte sei allerdings höchstens 400 Jahre alt.

Eine andere Sage erzählt vom Teufel, der im Mont Vully gehaust habe. Während eines Kampfes mit dem Riesen Gargantua habe dieser einen Stein auf das Haus des Teufels geschleudert. Aus diesem habe der Teufel dann ein Eingangstor gemacht, das sich regelmässig um Mitternacht drehte und den Weg in den Palast des Teufels freigab. Um den Menschen Böses zu tun, lockte er sie in seinen Palast und ins Verderben, bis die Kirche den Stein exorzierte und den Teufel in die Hölle zurückschickte. Seither habe sich der Stein nicht mehr bewegt, weiss die Legende.

Heute absurd, damals logisch

Es gebe allerdings noch andere Erzählungen über den Agassiz-Stein, der erst seit 1907 nach dem Forscher Jean-Louis Agassiz (1807–1873) aus Môtier so genannt wird. Denn Steine, die sich der Legende nach zu bestimmten Zeitpunkten drehen, gab es viele, und sie wurden keineswegs als Teufelswerk verstanden. «Das waren natürliche Versammlungsorte, eine Art Naturtempel.» Er gehe davon aus, dass es Prozessionen zu diesen rituellen Stätten gab, zum Beispiel nach der Schneeschmelze im Frühling. Das Ereignis stand oft mit einem Übergang im Zusammenhang, beispielsweise an Mittsommer oder Mittwinter.

«Wenn ich sage, die Steine haben sich gedreht, klingt das für unser heutiges Weltbild ja absurd», sagt Derungs. Doch dieses animistische Weltbild ging von einer belebten und beseelten Natur aus: «Ein Baum kann sich bewegen, ein Stein kann sich drehen oder sprechen, alles hat also menschliche Züge.» Es sei nicht möglich, einfach mit der modernen Logik an diese Gedankenwelt heranzugehen, man müsse versuchen, ihren Kontext und Rahmen zu betrachten: «Natur ist hier nicht etwas Abstraktes, sondern etwas sehr Konkretes.» Der Animismus habe eben eine innere Logik: «Alles ist personifiziert. Deshalb stimmt es auch für diese Leute, dass sich der Stein drehen oder bewegen kann.»

Das Paradies auf Erden

Die Menschen gingen davon aus, dass ihre Angehörigen nach dem Tod in den Bergen leben. Sie dachten: «Der Palet Tournant sei der Eingang zum Mont Vully.» Der als hohl verstandene Berg wurde als «Anderswelt» oder Unterwelt betrachtet. «Hier sind wir tief in der keltischen und gar vorkeltischen Mythologie.» Die Kelten kannten keine Hölle, diese Vorstellung sei christlich und kam viel später auf. «Die Leute haben sich diese Anderswelt als sehr paradieshaft vorgestellt.» Man höre wunderbare Musik, wenn sich der Stein öffne. «Die Toten halten sich dort nicht ewig auf, sondern verjüngen sich dort.» So erklärte man sich das Leben nach dem Tode, bevor die modernen Religionen mit der Vorstellung der Jenseits kamen. Die Auffassung der alten Kelten war also konkret und diesseitig.

Die Erfindung des Teufels

Mit den Jahren verschwand diese vorchristliche Gedankenwelt, sagt Derungs: «Leider wurde der Hügel dämonisiert.» Die Geistlichen wetterten von den Kanzeln herab, und es entstand die erwähnte Legende, dass der Teufel in diesem Berg lebe. Damit wollte die Kirche die Verehrung des Steins als Kultobjekt verdrängen und die Menschen von ihrem Volksglauben entfremden. Diese neue Vorstellung breitete sich aus: «Die Dämonisierung blieb im Volksglauben hängen.» In den meisten Sagen mit Naturbezug kommen infolgedessen animistische Elemente vor; im Zentrum steht das Geheimnisvolle der Natur. Der Stein auf dem Wisterlacherberg ist für Landschaftsmythologen wie Kurt Derungs ein Musterbeispiel dafür, wie Sagen und Legenden oft mit dem Ort ihrer Verbreitung verbunden sind. «Vor allem Natursagen sind wertvoll. Denn Sagen haben den Vorteil, dass sie überliefern, wo etwas Bestimmtes passiert ist.» Auch wenn sich der Inhalt oft verändere. «Diese Geschichten haben oft einen Kern. Ihnen nachzugehen ist unsere Aufgabe.»

 

FindlingDer Agassiz-Stein wiegt 500 Tonnen

Der 10 Meter lange und 5 Meter hohe Agassiz-Stein gehört heute zusammen mit dem Land, auf dem er steht, dem Freiburger Naturhistorischen Museum. Er steht auf dem Gemeindegebiet von Lugnorre. Sein Volumen wird auf 175 Kubikmeter und sein Gewicht auf gegen 500 Tonnen geschätzt. Der Stein besteht aus Gneis und stammt wahrscheinlich aus dem Mattertal VS. fca

Zur Person

Kurt Derungs Ethnologe

Kurt Derungs ist 49 Jahre alt. Er hat Ökonomie, Ethnologie, Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und in Kulturanthropologie doktoriert. Er erarbeitete beim Bund ein neues Landschaftskonzept, ist Mitbegründer des Fachbuchverlages Edition Amalia, in dessen Rahmen er «Mythologisches Reisen» anbietet. Er gilt als Begründer der Landschaftsmythologie und ist Autor, unter anderem des Buches «Mythologische Landschaft Schweiz». Im Rahmen der Expo.02 schrieb er ein Buch über Mythen und Kultplätze im Dreiseenland, auf das sich dieser Artikel bezieht. Derungs arbeitet und lebt heute in Bern und Grenchen. fca

Informationen unter www.amalia.ch

Kurt Derungs war beeindruckt, als er den Stein auf dem Mont Vully sah.Bild Corinne Aeberhard

«Das waren natürliche Versammlungsorte, eine Art Naturtempel.»

Autor: Kurt Derungs

Autor: Landschaftsmythologe

«Leider wurde danach der Hügel dämonisiert. Die Dämonisierung blieb im Volksglauben hängen.»

Autor: Kurt Derungs

Autor: Ethnologe

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