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Stunde der Wahrheit für Verfassungsentwurf

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Stunde der Wahrheit für Verfassungsentwurf
Ab heute Dienstagnachmittag befasst sich das Plenum des Verfassungsrates in zweiter Lesung mit dem Verfassungsvorentwurf. Damit treten diese Arbeiten in eine entscheidende Phase. Artikel und Formulierungen, die bis jetzt verabschiedet wurden, konnten nämlich noch abgeändert oder gestrichen werden. Neues konnte aufs Tapet gebracht werden. Das ändert sich nun. Bestimmungen, die jetzt in zweiter Lesung in der Form der ersten Lesung bestätigt werden, sind endgültig. Sie kommen in dieser Form in die Volksabstimmung. In der dritten Lesung, die im Januar stattfindet, können nur noch diejenigen Artikel diskutiert werden, die in der zweiten Lesung im Vergleich zur Fassung der ersten Lesung eine Änderung erfahren haben.

Der Textentwurf, der jetzt für die zweite Lesung vorliegt, verspricht ein üppiges und abwechslungsreiches Menü. Bekanntlich ist das Ergebnis der ersten Lesung, die Ende März abgeschlossen wurde, bis Mitte Juli in eine öffentliche Vernehmlassung geschickt worden. Dieses stiess auf ein grosses Interesse, sind doch sehr viele Reaktionen von Behörden, verschiedensten Organisationen und Einzelpersonen eingegangen. Nach deren Auswertung haben die Sachbereichskommissionen die Bemerkungen und Vorschläge bis Ende Oktober analysiert. Das Resultat ihrer Arbeit: 88 Änderungsanträge wurden eingereicht und dazu 33 Minderheitsanträge vorgeschlagen. Es ist davon auszugehen, dass die Fraktionen und Einzelpersonen weitere Vorschläge einreichen werden, denn hiezu bietet sich jetzt die letzte Gelegenheit.

Nach der Entgegennahme von Kommissionsberichten wird sich das Plenum heute Nachmittag zuerst mit der Präambel befassen. Dabei handelt es sich um die erste Lesung, denn der Rat hat sich mit deren
Inhalt noch nicht befasst. Er hatte lediglich drei der insgesamt elf eingegangenen Varianten in die Vernehmlassung geschickt und die Reaktion darauf abgewartet. Der jetzt vorgeschlagene Text ist ein Kompromiss, ein vertretbarer, mehrheitsfähiger Vorschlag, auch im Hinblick auf die Volksabstimmung. Er enthält unter anderem auch eine Anrufung Gottes, wie dies in der Vernehmlassung mehrheitlich gewünscht wurde. Sein Nachteil ist, dass man (zu) viel darin verpacken wollte, um alle Befindlichkeiten zu berücksichtigen, und dass er somit etwas lang geraten ist.

Auch nach der Vernehmlassung und der erneuten Überarbeitung durch die Kommissionen sind bedeutsame Unterschiede geblieben, die auf unterschiedliche politische und weltanschauliche Auffassungen zurückzuführen sind. Dies betrifft insbesondere die Familien- und Jugendpolitik, das Bildungs- und Gesundheitswesen sowie die materielle Sicherheit. Ein anderer Bereich, in dem sich die zuständige Kommission gar nicht einigen konnte, ist das Stimm- und Wahlrecht für Ausländer auf Gemeindeebene. Sie konnte sich nicht einmal zu einem Mehrheits- resp. Minderheitsantrag durchringen, ob dieses Recht wieder aus dem Entwurf gestrichen werden soll oder nicht. In all diesen Fragen wird das Plenum nun einen Mehrheitsentscheid finden müssen, ohne ausser Acht zu lassen, ob die entsprechende Bestimmung die Hürde der Volksabstimmung auch nehmen könnte.

Geht man die Liste der Änderungs- und Minderheitsanträge durch, stellt man unschwer fest, dass die Sprachenfrage erneut eine harte Nuss bilden wird. Die entsprechenden Artikel werden am Mittwoch am frühen Nachmittag beraten. So schlägt die Kommission vor, die Bestimmung, wonach «die Zweisprachigkeit ein wesentlicher Bestandteil der Identität des Kantons und seiner Hauptstadt» ist, aus dem Entwurf zu streichen. Es soll lediglich heissen, dass der Kanton zweisprachig ist, wobei eine Minderheit ebenfalls die Hauptstadt mit erwähnen möchte.

Zur Frage der Amtssprachen gibt es gleich drei Minderheitsanträge. Ursprünglich hatte die zuständige Kommission eine Bestimmung vorgeschlagen, wonach «Staat und Gemeinden auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung der Gebiete achten und Rücksicht auf die angestammten Minderheiten nehmen, um das Einvernehmen zwischen den Sprachgemeinschaften zu wahren». Da diese Formulierung im welschen Kantonsteil alte Ängste geschürt hatte und damit auf zum Teil heftige Ablehnung stiess, wurde in der ersten Lesung der Begriff «Territorialitätsprinzip» wieder explizit aufgenommen. Eine Kommissionsminderheit schlägt nun vor, wieder zur ersten offenen und toleranten Version zurückzukehren, die ein echter Fortschritt für den ganzen Kanton darstellen würde und übrigens genau der Formulierung der Bundesverfassung entspricht.

Verschiedene Bestimmungen, die in der ersten Lesung Eingang in den Verfassungsvorentwurf fanden, wurden wieder zur Streichung empfohlen. Dies betrifft den Artikel über das «Lebensende», der in der Formulierung der Minderheit in der Vernehmlassung eigentlich gut ankam, und die Bestimmung, wonach in der Schule die erste unterrichtete Fremdsprache die andere Amtssprache ist. Aufgrund der Reaktion in der Vernehmlassung soll ebenfalls auf den Absatz, der vorsieht, dass die Kirchensteuer per Gesetz durch eine Mandatssteuer ersetzt werden kann, verzichtet werden.

Viele Kritiken am Vorentwurf betrafen die Länge des Textes, den Detaillierungsgrad sowie Wiederholungen. Diesen wurde zum Teil Rechnung getragen. Neben ganzen Artikeln sollen zahlreiche Abschnitte, die zu sehr in die Einzelheiten gehen und höchstens Gesetzescharakter haben, gestrichen werden. Verschiedene Artikel werden zusammengenommen und zum Teil in andere Kapitel verschoben, wo sie inhaltlich besser hinpassen. Dadurch ist aber der Verfassungsvorentwurf nicht viel schlanker geworden. Dies im jetzigen Stadium der Arbeiten noch zu verlangen, wäre aber sowieso eher unrealistisch. Das Ergebnis der Arbeit hängt nämlich zum grossen Teil mit der Arbeitsweise des Verfassungsrates zusammen, ja mit der Tatsache, dass das Volk einen Verfassungsrat beauftragt hat, die Totalrevision des kantonalen Grundgesetzes vorzunehmen, und nicht den Grossen Rat und auch nicht eine Expertenkommission.

Von WALTER BUCHS

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