Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

«Und was hat das mit mir zu tun?»

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Was hat die Familiengeschichte mit mir selbst zu tun? Die Frage, die Sacha Batthyàny in seinem neuen Buch stellt, hat ihre Tücken. Deshalb verzichtet der Journalist und USA-Korrespondent des «Tages-Anzeigers» auf eine schnelle Antwort. Schicht um Schicht legt er eine schicksalhafte Verkettung frei.

Spätestens seit Elfriede Jelineks Theaterstück «Rechnitz» (2008) ist das Dorf mit diesem Namen ins öffentliche Gedächtnis zurückgekehrt. Im März 1945, kurz vor Kriegsende, erschossen Nazigrössen während einer festlichen Gaudi 180 Juden. Gastgeberin war die Fürstin Margit von Batthyàny-Thyssen, eine reiche Stahlerbin und leidenschaftliche Jägerin. Ob sie selbst bei dem Massaker mitgewirkt hat, ist nicht geklärt.

Ein Monster als Tante?

Bis in die 1990er-Jahre blieb diese Tat unter dem Deckel des Schweigens verborgen. Ein Dokumentarfilm 1994, eine Biografie 2007 und Jelineks Drama haben wieder daran erinnert. Unvermittelt sah sich auch der Grossneffe der «Monster-Gräfin» durch die Bemerkung einer Kollegin mit dem Verbrechen konfrontiert: «Was hast du denn für eine Familie?»

Mauer des Schweigens

«Und was hat das mit dir zu tun?», wandelte etwas später ein deutscher Autor die Frage ab. Sacha Batthyàny spürte gleich, dass ein «nichts» als Antwort nichts taugen würde. Deshalb begann er herumzufragen, Recherchen anzustellen, Archive zu besuchen und Reisen zu unternehmen. Allenthalben stiess er auf Verschwiegenheit und Vergessen. Doch es musste mehr dahinter stecken.

Wie beim Wasser, in das ein Stein geworfen wird, zogen die Wellen weitere Kreise. Zuerst geriet der Autor in die Zwickmühle verhängnisvoller Vergleiche. Bis 1945 galten die zum Uradel zählenden Batthyànys viel in Ungarn. Von den Kommunisten aber wurden sie an Grund und Gütern enteignet. Lässt sich Unvergleichliches gegeneinander aufrechnen?

Sog der Familiengeschichte

Sacha Batthyàny taucht tiefer in die Geschichte–und in die Familiengeschichte–ein und stösst dabei auf ein erschütterndes Geschehen. Kurz vor ihrem Tod hatte die Grossmutter seinem Vater ihr Tagebuch übergeben, das er vernichten sollte. Er tat es nicht. Der Vater las das Tagebuch zwar nicht, reichte es aber später an seinen Sohn weiter, der damit auf einmal ein Dokument in Händen hielt, das der Recherche eine neue Wendung geben sollte.

 Die Nachforschung geriet zur Selbstbefragung. Mithilfe eines Psychoanalytikers versuchte Sacha Batthyàny die eigene Verantwortung für das zu ergründen, was die Grosseltern einst taten. Dabei stösst er auf die eigentliche Kardinalfrage, die weder Vor- noch Nachfahren beantworten können. Sacha Batthyàny stellt sie so: «Aber wie würden wir handeln, wenn sich das Geschehen von unseren Computern auf die Strasse verschöbe?»

Sacha Batthyàny legt in seinem Buch den schützenden Kokon ab. Die Frage nach der Wahrheit von Rechnitz verschiebt sich auf die eigenen Grosseltern und eine jüdische Familie, die mit ihnen gut bekannt war–um zuletzt bei sich selbst zu landen.

Das Herz der Geschichte

Das mag langweilig klingen, wie er dem Psychoanalytiker gegenüber mutmasst. Doch es zielt ins Herz der Geschichte, entgegnet ihm dieser. Es geht immer und vor allem um uns selbst. Bringen wir auch dann den Mut auf, wenn es uns etwas kostet?

So schält sich aus der spektakulären Familiengeschichte eine zeitdiagnostische Fragestellung heraus, die von grösster Brisanz ist. Abgesehen von ein paar Längen legt Sacha Batthyàny diesen Prozess souverän und mit beeindruckender Konsequenz offen. Am Ende bleibt uns die Verantwortung fürs eigene Tun, diese nimmt uns niemand ab.

Meistgelesen

Mehr zum Thema