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«Unterschied zwischen Männern und Frauen in der Kirche hat keine Grundlage»

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Autor: Aude-May Cochand / KIPA

Welchen Platz sollen die Frauen in der Kirche einnehmen? Die 88-jährige Menzinger Schwester Claire-Marie Jeannotat hat jahrzehntelang unter dem Apartheid-Regime in Südafrika gelebt. Eine Apartheid sieht sie auch in der römisch-katholischen Kirche: die zwischen Männern und Frauen. Die Ordensfrau, die in Bulle lebt, ist eine engagierte Bloggerin und nimmt im Interview kein Blatt vor den Mund.

 

Schwester Claire-Marie, man sagt gerne, die Kirche sei eine Männerwelt. Wie lässt sich der Frauenrock inmitten von Soutanen tragen?

Man kann nicht von der Kirche der Frauenröcke und der Soutanen sprechen. Die Kirche, das ist das Volk Gottes. Das sind die kleinen Leute, die kein Brot und keine Arbeit haben, die einen Sinn im Leben suchen. In dieser Kirche gibt es keine Unterscheidungen zwischen Männern und Frauen. Gott hat den Mann und die Frau als gleichwertig geschaffen – und nicht, damit das eine Geschlecht das andere dominiert. Die Unterscheidung zwischen Männern und Frauen in der katholischen Kirche hat keine Grundlage in der Bibel. Sie wurde durch die männlichen Wesen durchgesetzt. Das ist Apartheid.

 

Was halten Sie von der römischen Kirche, welche die Frauenordination untersagt?

Durch ihre doktrinäre Starrheit hat sich die römische Kirche, die Amtskirche, von der Basis abgeschnitten. Sie ist überzeugt, dass die Hierarchie den Glauben beschützen soll – während in Wahrheit der Glaube im kleinen Volk lebendig ist. Jesus ist nicht gekommen, um eine priesterliche Kirche zu gründen. Er hat keinen Gesetzesartikel verfasst, der die Weihe von Frauen zu Priesterinnen verbietet. Er hat im Gegenteil Männer und Frauen eingeladen, gemeinsam das Reich zu bauen, indem er mit ihnen das Brot teilte. Die Kirche hat an einem Tisch begonnen!

 

Aber an diesem Tisch sassen nur Männer…

Wir pfeifen darauf, dass keine Frau dabei war. Wenn der heilige Petrus seine Frau nicht zum Mahl mitgenommen hat, so ist das seine Sache. Es geht nicht an, die ganze Zukunft einer Religion auf der Grundlage von kulturellen Elementen vorzuzeichnen. Die Amtskirche hat vergessen, dass Jesus eine grosse Freundschaft zu den Frauen pflegte. Diese Kirche betrachtet die Frau als minderwertiges Wesen, das man entweder beschützen oder beherrschen muss. Das Schlimmste daran ist, dass sie behauptet, dies auf einer biblischen Grundlage zu tun!

 

Weshalb sind Sie in der katholischen Kirche geblieben, obwohl Sie doch ziemlich uneinig mit ihr sind?

Ich bin aus Treue zum Volk Gottes geblieben, das für mich die einzige wahre Kirche ist. Ich gebe nicht vor, besser als die Bischöfe zu sein. Aber ich habe weder Bischofsstab noch Bischofsmütze, um mich dahinter zu verstecken.

 

Sie gehen recht unzimperlich mit der Amtskirche um. Weshalb können Sie sich unbehelligt so freimütig äussern?

Leicht ist das nicht. Es ist eine Herausforderung, kritische Loyalität sowohl gegenüber der Institution Kirche wie der Kirche als Volk Gottes zu praktizieren. Die Herausforderung nehme ich mit Unterstützung prophetischer Personen an. Diese Propheten, Männer und Frauen, bezahlen den Preis für die Freiheit des Wortes. Noch wichtiger aber: Ihr Lebenszeugnis macht authentisch, was sie aus Treue zum Evangelium Jesu sagen. Wir sind solidarisch. Das ist Kraft und Trost zugleich.

 

Wie sind heutige Ordensfrauen, die sich engagieren?

Sie wollen sich für die Gerechtigkeit und für die Menschenwürde einsetzen. Leicht ist das nicht. Das Gewicht der Institution, oft eingemauert in die Tradition, verhindert gerne das Ergreifen von Initiativen. Meines Erachtens muss sich die Form des religiösen Lebens ändern. In den Townships in Südafrika werden kleine eigenständige Gemeinschaften von drei oder vier Schwestern gegründet. Diese Frauen arbeiten auswärts als Lehrerinnen, Sozialarbeiterinnen oder Krankenschwestern und teilen das Leben der Menschen im Alltag.

 

Die Ordensfrauen sollten also draussen auf der Strasse sein und nicht hinter Mauern?

Auf jeden Fall! Jesus war nicht in einem Kloster, er lebte ausserhalb aller Mauern. Die Schwestern sollen auf der Strasse sein, nahe beim Volk Gottes. Ich verstehe nicht, weshalb man Frauen hinter Mauern einsperrt, selbst wenn ich anerkenne, dass man in den Klöstern gute Dinge gemacht hat.

 

Hat sich der Blick unserer Gesellschaft auf die Klosterfrauen verändert?

In Europa sind die Menschen dankbar gegenüber den Schwestern, die sich in der Krankenpflege und in der Erziehung engagiert haben. Die grossen Häuser, äusseres Zeichen von Reichtum, bringen die Menschen allerdings durcheinander. Weil sie keinen Zugang haben, wissen sie gar nicht, dass die Schwestern oft sehr bescheiden leben.

 

Und der Blick der Amtskirche auf die Ordensfrauen?

Für die Amtskirche handelt es sich bei den Schwestern immer noch um Dienerinnen, denen man viel beibringen muss. Sie stellen eine Arbeitskraft dar, sind aber auch eine Bedrohung, wenn sie selber zu denken beginnen.

Zur Person

Sie lebte 34 Jahre lang in Südafrika

Geboren im Mai 1923 in der Nähe des jurassischen Städtchens St-Ursanne, trat Claire-Marie Jeannotat 1943 «aus Liebe zu den Armen» der Kongregation der Menzinger Schwestern in Menzingen (ZG) bei. 1947 wurde sie nach Südafrika entsandt. Dort blieb sie während 34 Jahren und kämpfte in dem Land insbesondere gegen die institutionalisierte Rassentrennung, die Apartheid; diese endete erst 1994. 1980 wurde Schwester Claire-Marie in die Schweiz zurückgerufen. Seit vier Jahren lebt Schwester Claire-Marie in einem Haus der Menzinger Schwestern in Bulle. Regelmässig publiziert sie Texte auf ihrem Internet-Blog «Katutura». 1995 ist von Claire-Marie Jeannotat das Buch «Histoire inavouée de l’apartheid – Chronique d’une résistance populaire» (Verlag L’Harmattan, Collection «mémoires africaines») erschienen. kipa

clairemarie.blog.24heures.ch

Schwester Claire-Marie sieht in der Unterscheidung von Mann und Frau durch die Kirche eine Form von Apartheid.Bild Vincent Murith/a

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