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Vom Bildschirm zum Buch: Wie Tiktok die Jugend zum Lesen bringt

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Booktok heisst das Phänomen, das Jugendliche wieder lesen lässt. Die Social-Media-Bestseller bestechen mit Kitsch und Romantik. Unterschätzen sollte man sie deswegen nicht. Was an Prinzen, Pickel und Pastell politisch ist.

«Dieses Buch hat mein Herz einfach komplett auseinandergerissen.» Die junge Frau weint ungeniert vor der Selfie-Kamera, das Influencer-geprüfte Ringlicht lässt die Tränen glänzen. Vielleicht ein kleiner Trost: Für diese ehrliche Reaktion fliegen ihr auf Tiktok Tausende Social-Media-Herzen zu.

Die Plattform wurde in den letzten Jahren zur Bestsellerliste der Generation Z. Die Empfehlungen unter dem Hashtag «Booktok» gehen direkt von Leserin zu Leser und erlangen damit eine Reichweite, die Buchverlage aufschrecken lässt. Seit zwei Jahren hat Tiktok einen Stand an der Frankfurter Buchmesse und vertreibt eine eigene Bestseller-Liste, errechnet aus Verkaufszahlen und Erwähnungen auf der Plattform.

Besonders beliebt ist bei den jungen Leserinnen und Lesern «New Adult», ein Obergenre, das Fantasy, Liebesgeschichten oder eine Mischung daraus, Romantasy, zusammenfasst.

Die übliche Handlung lässt junge Leserinnen vergnügt, etablierte Kritiker eher mitleidig seufzen: Sie verliebt sich in ihn, er nicht in sie. Ein tragisches Ereignis bringt die beiden doch zusammen. Sie stolpert gern zu ungünstigen Zeitpunkten, allzu oft sind starke Arme da, die sie auffangen.

Weckt Booktok ein neues Biedermeier?

Was in drei Videominuten besprochen werden kann, verträgt wenig Ambivalenzen. Die Strickmuster sind simpel. Dies wissen Leserinnen ebenso wie Autorinnen. In ihren Empfehlungen teilen sie die Bücher thematisch in sogenannte «Tropes» ein. Wenn aus Feinden Liebende werden, sprechen sie von «Enemies to Lovers», zieht sich das Verlieben hin von «Slow Burn». Je weiter man – im übertragenen Sinn – blättert, desto einfallsreicher werden die Kategorien. Im «One-Bed-Trope», finden Paare nur zusammen, weil sie aus unausweichlichen Gründen im selben Bett schlafen müssen.

Die Geschichten scheinen wie ein rosa Schatten der realen, aktuell derart politisch aufgeladenen Welt. Wie passen diese Weltfluchtfantasien zu Leserinnen einer Generation, die wach auf das Tagesgeschehen blickt, bei Frauenstreiks und Klimademos auf die Strasse geht? Sind ihre Lieblingsbücher das Zeichen eines neuen Biedermeiers?

Christine Lötscher, Professorin für Populäre Literaturen und Medien an der Universität Zürich wurde schon früh über ihre Studentinnen auf die neue Lesebegeisterung in den sozialen Medien aufmerksam. Tatsächlich ist es ein ausgesprochen weibliches Phänomen. «Es ist doch interessant, dass dieses total kitschige ‹Zeug› affirmativ von selbstbewussten Frauen angeeignet wird», sagt Lötscher.

Aus Lesen wird Schreiben dank Fanfiction und Social Media

Am Eskapismus-Vorwurf stört sich die Expertin. Das Phänomen sei nicht so apolitisch, wie es scheint, sondern habe emanzipatorische Züge. Man müsse diese Bücher gewiss anders lesen als beispielsweise jene von Kim de l’Horizon, in denen Poetisches und Politisches eng miteinander verwoben sind, sagt Lötscher: «Bei New Adult handelt es sich ganz klar um Genreliteratur.» Die Bücher beziehen sich aufeinander.

Wenn seitenweise «grüne Augen aufblitzen», mag das literarisch unoriginell sein. Solche romantisierenden Formulierungen sind aber auch typische Marker für das Genre, auf die Autorinnen bewusst setzen. Ein Text allein sagt in diesem Fall wenig aus. «Um zu verstehen, was hier geschieht und was politisch daran sein könnte, muss man das gesamte Ensemble betrachten», so Lötscher.

Die Politik, die mit diesem Phänomen verhandelt werde, drehe sich nicht um konkrete Forderungen, so Lötscher: «Es geht aber um die Frage: Wer hat eine Stimme? Wer darf sich äussern?» Diese Frauen machen den Literaturbetrieb durchlässiger.

Seine Ursprünge hat diese Genreliteratur in der Fanfiction, viele Autorinnen veröffentlichen ihren ersten Roman bevor sie 30, manche sogar bevor sie 20 sind. «Diese Literatur entsteht aus dem Lesen heraus», sagt Lötscher, «Die Bücher werden nicht nur ‹verschlungen›, – um einen Begriff aus der Debatte um die Lesesucht im 18. Jahrhundert zu bemühen, – sondern auch verdaut. Aus der Auseinandersetzung entstehen neue Texte.» Für diese Leserinnen ist Schreiben eine Option.

Der Trend zum Zweitbuch: Jugendliche erfreuen Buchhandel

Jeder ist ein Autor, lautet das Versprechen frei nach Joseph Beuys. Die Hürden sind anders als im klassischen Literaturbetrieb, bestätigt die Literaturwissenschaftlerin. Und dennoch: «Man muss nicht nur viel gelesen haben, man muss das Genre verstanden haben, um genau den richtigen Grad an Innovation einzubringen. Es ist ein Handwerk, aber ein kreatives.»

Wer das Handwerk beherrscht, wird zum Kassenschlager und damit zum Goldesel für Verlage. Diese haben Untermarken lanciert, die sich auf die Bücher mit den illustrierten Einbänden und den Farbschnitten spezialisiert haben. Bei Bastei Lübbe, die sich neben dem Romangeschäft mit Kioskheften wie «Jerry Cotton» einen Namen machte, heisst das New-Adult-Segment Lyx. Diese Marke trage dem Verlag gemäss eigenen Angaben einen Fünftel des Umsatzes im Bereich Buch bei.

Das Buch ist wieder ein Kapital. Unter Booktokern gibt es einen regelrechten Wettstreit, wer die meisten Titel auf der Leseliste abhaken kann. 120 Bücher pro Jahr sind dabei keine Seltenheit. Orell Füssli stellte fest, dass Bücher doppelt gekauft werden: eines zur Lektüre, eines für das «Shelfie».

Leserinnen schaffen neuen Literaturkanon

Wie sich dies auf die Verkaufszahlen niederschlägt, hat die Studie «Bock auf Buch» der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj) und des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels erhoben.

Junge Menschen geben tatsächlich mehr Geld für Bücher aus. Die Ausgaben der unter 20-Jährigen stiegen von 2019 bis 2023 um 32 Prozent. Besondere Wachstumstreiber sind dabei die Lesenden zwischen 16 und 19 Jahren mit einem Plus von 77 Prozent. Der Schweizer Buchhandels- und Verlags-Verband geht davon aus, dass die Situation in der Schweiz vergleichbar ist.

Christine Lötscher kennt diese Zahlen: «Wir sprechen hier von einem bürgerlichen Phänomen.» Eine Sonderausgabe mit Farbschnitt kostet im Schnitt 45 Franken. «Die Zielgruppe hat Geld, ist gebildet», wie etwa ihre Studentinnen. «In ihrer Freizeit wollen sie anderes als den immergleichen Kanon lesen und sie wollen auch nicht gegen den Kanon anlesen. Im Grunde eignen sie sich an, was Frauen seit jeher vorgeworfen wird: Die Unterhaltung – ‹Girls just wanna have fun›.»

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