Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Wahrheit und Fiktion

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Die Geschichte der Filmbiografie beginnt mit einer Enthauptung: 1895, im Geburtsjahr des Kinos, drehte der amerikanische Filmpionier William Heise im Labor des legendären Erfinders Thomas Edison den kurzen Historienfilm «The Execution of Queen Mary». Der 15 Sekunden lange Streifen entführt die Zuschauer ins 16. Jahrhundert und zeigt die Hinrichtung der schottischen Königin Maria Stuart, mit historischen Kostümen und einem deutlichen Hang zum Gewaltspektakel. Heise verwendete zur Inszenierung der Enthauptung einen Stopptrick, der ihn zum Vorreiter der modernen Spezialeffekte machte und den abgeschlagenen Kopf realistisch über die Leinwand rollen liess. Während die explizite Gewaltdarstellung des Films erst Jahrzehnte später ihre Nachfolger fand, verbreitete sich die Idee, historische Persönlichkeiten zum Thema in Filmen zu machen, schnell über den ganzen Globus. Die Filmbiografie wurde zu einem der erfolgreichsten Filmgenres. In den USA, wo der Filmtypus in den 1950er-Jahren seine Blütezeit erlebte, bürgerte sich der Begriff «Biopic» ein. Das diesjährige Freiburger Filmfestival zeigt in der Parallelsektion «Genre­kino» die grossen Klassiker aber auch aktuelle Abwandlungen des Biopics (siehe Kasten). «Wir loten das ganze Spektrum der Filmbiografie aus», sagt der Filmjournalist Jean-Philippe Bernard, der für die Zusammenstellung verantwortlich zeichnet.

Sehnsucht nach dem Wahren

Das alte Genre des biografischen Films ist heute beliebter denn je. In Zeiten von Superhelden und Science-Fiction, von Hobbits und Märchenfilmen, erlebt das Biopic einen neuen Frühling. «Biopics sind zurzeit omni­präsent. Es vergeht kaum ein Monat ohne einen biografischen Film», sagt Bernard im Gespräch mit den FN. Denn während sich die Geschichten in den grössten kommerziellen Filmen der vergangenen Jahre immer mehr von der Wirklichkeit verabschiedet haben, schien die Welt jenseits der Leinwand immer mehr ins Fiktive abzudriften: Die Schreckensszenarien aus Horrorfilmen werden von den Taten des Islamischen Staates in den Schatten gestellt, die dystopischen Visionen der Science-Fiction werden mit neuen Formen der künstlichen Intelligenz immer realistischer, und der aktuelle amerikanische Präsident scheint geradezu einer absurden Komödie entsprungen zu sein. «Das Kinopublikum sehnt sich im komplizierten 21. Jahrhundert nicht nur nach dem Eskapismus der Fantasiewelten, sondern auch nach dem Realen und Wahren», so Bernard.

Visionärer Klassiker

Welches Potenzial in biografischen Filmen steckt, zeigt das Beispiel von «Citizen Kane», dem wohl grössten Biopic der Geschichte. Der amerikanische Film von 1941 zeigt Aufstieg und Fall des Medienmoguls Charles Foster Kane. Regielegende Orson Welles liess sich für sein Filmepos von der rea­len Person des mächtigen Verlegers William Randolph Hearst inspirieren – eine Übereinstimmung, die Letzterem nicht entging: Bereits während der Dreharbeiten startete Hearst eine grosse Hetzkampagne gegen den Regisseur, bezichtigte ihn des Kommunismus und sorgte dafür, dass der Film bei seinem Erscheinen floppte. Erst Jahrzehnte später erhielt «Citizen Kane» die Anerkennung der Öffentlichkeit; heute gilt er seiner visio­nären Machart wegen bei Kritikern als der beste Film aller Zeiten.

«Solche Klassiker konnten wir natürlich nicht ignorieren», sagt Bernard. «Den Kern der Sektion bilden aber die zeitgenössischen Filme.» Die aktuellen Varianten des Biopics haben sich in den letzten Jahren nahezu ins Unendliche ausdifferenziert und dabei die klassischen Heldengeschichten von den Taten grosser Männer hinter sich gelassen. «Die Filmbiografie ist zu einem sehr dehnbaren Konzept geworden», so Bernard. «Sie ist ein Chamäleon-Genre, das so ziemlich alles sein kann.» Neben Action- und Abenteuerfilmen finden sich in der Sektion auch Dokus und Sportfilme. Gemeinsamer Fixpunkt ist die Darstellung einer mehr oder weniger wahren Geschichte. Dabei beabsichtigen die Filmbiografien laut Bernard durchaus auch einen Lerneffekt: «Bei der Vermittlung von Geschichte haben die Bilder auf der Leinwand dem geschriebenen Wort den Rang abgelaufen.» Dass erfundene Elemente die historische Grundlage anreicherten, sei kein Problem: «Biopics vermitteln nicht die eine unanfechtbare historische Wahrheit. Ob diese überhaupt existiert, ist ohnehin fraglich», betont Bernard. «Geschichte ist ein gesellschaftliches Konstrukt, an dessen Erschaffung der Film mitwirkt.» Die Frage nach der historischen Genauigkeit sei deshalb oft obsolet: «Manchmal sind gerade die erfundenen Elemente in einer Filmbiografie entscheidend für die Botschaft. Es gibt Momente, in denen die Fiktion die Realität an Wahrheit übertrifft.»

Satire auf den amerikanischen Traum

Die neueste Variante des Biopics hat indessen ein noch radikaleres Verhältnis zur Wirklichkeit: «Die Wahrheit existiert nicht. Wir haben alle unsere eigene Wahrheit», so die Protagonistin in «I, Tonya», dem aktuellsten der gezeigten Filme. Der turbulente Streifen erzählt die Lebensgeschichte der berühmt-berüchtigten amerikanischen Eiskunstläuferin Tonya Harding, die im Vorfeld der Olympischen Spiele 1994 an einem Attentat auf ihre ärgste Konkurrentin Nancy Kerri­gan beteiligt gewesen sein soll. Dass die Hintergründe der Tat bis heute nicht vollständig aufgeklärt sind, hielt Regisseur Craig Gillespie nicht davon ab, die Geschichte in einer Filmbiografie zu verarbeiten. Denn das Biopic basiert nicht auf belegten Fakten, sondern auf den widersprüchlichen und fragwürdigen Interviewaussagen von verschiedenen Beteiligten. Der Film stellt die Verlässlichkeit des Gezeigten ständig infrage – ein Spiel mit der Realität, das gleichermassen fordernd und unterhaltsam ist. Mit den Mitteln des modernen Gangsterfilms und des schwarzen Humors dreht die filmische Tour de Force die Regeln des klassischen Biopics durch den Fleischwolf und entfaltet dabei eine bissige Satire auf den amerikanischen Traum: «Der Film lässt die zwei gegensätzlichen Realitäten Amerikas aufeinanderprallen», sagt Bernard. «I, Tonya» vermengt die Vorstellung von der vorbildlichen Eisprinzessin und der heilen Welt von Disney, Hollywood und den beschaulichen US-Vorstädten mit der Lebenswelt der Unterschicht, aus der Tonya Harding stammt. Einer Schicht, die von der Gesellschaft fallengelassen wurde, um letztlich den Versprechungen Donald Trumps zu verfallen.

Von solch gesellschaftskritischen Höhenflügen war die gefilmte Enthauptung von Maria Stuart aus dem Jahr 1895 weit entfernt. Das erste Biopic der Geschichte nahm aber bereits eine wichtige Komponente seiner Nachfolger vorweg: Es ragte in die Wirklichkeit hinein und löste kontrovers geführte Diskussionen aus: Der Legende nach hielten einige Zuschauer die gezeigte Hinrichtung für eine reale Enthauptung und waren schockiert. Ob die frühen Kinogänger wirklich so naiv waren, lässt sich heute nicht mehr beweisen; die Anekdote gehört wohl ins Reich der Mythen. Eine gute Geschichte ist sie aber allemal.

Programm

Der letzte Tag des Internationalen Filmfestivals Freiburg gehört den Filmbiografien

Heute geht das Internationale Film­festival Freiburg zu Ende. Der Schlusstag ist in erster Linie den Filmbiografien aus der Sektion «Genrekino» gewidmet:

«I, Tonya»: Turbulente Mischung aus Sport- und Gangsterfilm, die mit den Regeln der Filmbiografie spielt und eine bissige Satire auf die amerikanische Gesellschaft entfaltet. Basiert vage auf der Biografie der berühmt-berüchtigten Eiskunstläuferin Tonya Harding. 12 Uhr, Arena 5.

«Ten Soldiers of Genghis Khan»: Der Historienfilm über den mongolischen Eroberer Dschingis Khan gehört auch zur Sektion «Neues Territorium» über die Höhepunkte des zeitgenössischen mongolischen Kinos. 12 Uhr, Rex 3.

«Lawrence of Arabia»: Filmklassiker über den britischen Offizier Thomas E.  Lawrence, der im Ersten Weltkrieg in Ägypten den arabischen Stämmen im Kampf gegen das Osmanische Reich beisteht. Das bildgewaltige Epos gewann 1963 sieben Oscars. 14.45 Uhr, Arena 5.

«Victor Young Perez»: Dramatische Geschichte rund um den tunesischen Boxweltmeister Victor Perez, der von den Nazis deportiert und in Auschwitz erschossen wurde. In der Hauptrolle glänzt der reale Boxmeister Brahim Asloum. 15 Uhr, Rex 1.

«Lumumba»: Porträt des kongolesischen Politikers Patrice Lumumba, der kurzzeitig Premierminister der Republik Kongo war und nach seiner Ermordung zu einer Symbolfigur für die afrikanische Unabhängigkeitsbewegung wurde. 18 Uhr, Arena 7.

«Citizen Kane»: Der Hollywood-Klassiker schlechthin erzählt die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Medien- Tycoons Charles Foster Kane, einer fiktiven Darstellung des realen Verlegers William Randolph Hearst. Das Opus ­Magnum von Regie-Legende Orson Welles gilt vielen Kritikern als der beste Film aller Zeiten. 20.15 Uhr, Arena 6.

«Sergio und Sergei»: Film über eine aussergewöhnliche Freundschaft in der Zeit des Kalten Krieges. Ein kubanischer Funkamateur nimmt Kontakt auf mit dem im All gestrandeten Kosmonauten Sergei Krikaljow. Der offizielle Schlussfilm des Fiff ist eine Komödie mit politischem Unterton. 20.30 Uhr, Rex 1.

«Mansfield 66/67»: Skurriles Doku- Experiment über das Hollywood- Sternchen Jayne Mansfield. Die Konkurrentin von Marilyn Monroe driftete im Verlauf der 1960er-Jahre in Drogen, Sex und Satanismus ab und starb 1967 bei einem Autounfall. Filmische Hommage an das Leben und die Ästhetik der wilden Sechziger. 20.45 Uhr, Arena  7).

«Salyut-7»: Russischer Blockbuster über eine haarsträubende Rettungsmission im Weltraum: 1985 drohte die russische Raumstation Salyut 7 mitten im Kalten Krieg auf die Erde zu stürzen. Salyut-7 ist die russische Variante von «Apollo 13» und «Gravity». In 3D. 21.45 Uhr, Arena 5.

lr

Tickets und Informationen: www.fiff.ch

Meistgelesen

Mehr zum Thema