Weil sich die Familie gewandelt hat
Politikerinnen und Politiker diskutieren über familienergänzende Kinderbetreuung
Soll die Kinderbetreuung grundsätzlich Sache der Familie bleiben oder künftig Sache der Öffentlichkeit werden? An der Podiumsdiskussion über familienergänzende Kinderbetreuung am Dienstagabend in Freiburg gingen die Meinungen auseinander.
Von IRMGARD LEHMANN
Die junge Mutter M. V. hat zwei kleine Kinder und ist berufstätig. Am Dienstagabend anlässlich der Podiumsdiskussion im Kaleidoscope schilderte sie den rund 60 Anwesenden ihre Müh und Not, um für ihre Kinder einen Krippenplatz zu bekommen. «Da, wo ich wohne, gab es keine Krippe und eine Konvention mit einer andern Krippe wollte die Gemeinde nicht unterschreiben.» Eine Konvention hätte die Gemeinde verpflichtet, ein allfälliges Defizit zu übernehmen.
Einheit fehlt
Dass die Krippen im Kanton Freiburg eine unterschiedliche Strukturen aufweisen, war denn auch das zentrale Thema an der öffentlichen Debatte, zu der das Gleichstellungsbüro im Rahmen des Familienfestivals eingeladen hatte.
Unterschiedlich sind nicht nur die Tarife, welche die Eltern auf Grund ihres Bruttolohnes zu bezahlen haben, unterschiedlich sind auch die Löhne der Erzieherinnen und unterschiedlich sind die Zuschüsse der Gemeinden.
Staat und Gemeinde gefordert
Die Forderung nach einer Harmonisierung beziehungsweise Gleichstellung der Krippen durch Staat und Gemeinden war denn auch der Grundtenor. Verlangt wird ebenfalls die Bereitstellung von schulergänzenden Betreuungsstrukturen. «Wenn Kinder aus dem Krippenalter heraus sind, fängt das Problem erst recht an», bemerkte Andrea Burgener, Vorstandsmitglied von «Schule und Elternhaus». Marie-Thérèse Weber-Gobet, Vizepräsidentin der CSP, ergänzte: «Wenn ein Gesetz für das Kleinkind besteht, so muss es auch eines für die ausserschulische Betreuung geben.»
An Eigenverantwortung appelliert
Aus einem andern Lager hingegen kamen die Voten von SVP-Grossrat Charles Brönnimann: «Wir können nicht die ganze Last dem Staat übertragen. Viel besser wäre es, der Frau, die daheim bleibt und Kinder erzieht, einen Lohn zu bezahlen.» Bezüglich Eigenverantwortung war auch Charles Haenni, Präsident der FDP Freiburg ähnlicher Meinung. «Wir können nicht alles auf den Staat abschieben, sondern müssten ebenfalls die Wirtschaft einbeziehen.» Einige Grossfirmen würden bereits über eigene Krippen verfügen. Und: «Auch für private Initiativen sollten die Türen offen bleiben.»
Für Handlungsspielraum auf Gemeindeebene plädierte Emanuel Waeber, Präsident der CVP Freiburg: «Der Gesetzgeber sollte Regeln aufstellen, die Gemeinde hingegen bezüglich Ausgestaltung freie Hand haben.»
Nach dem Angebot wird gefragt
Für eine staatliche Unterstützung sprach sich ebenfalls Antoinette Romanens, SP-Grossrätin, aus. Sie bedauerte ein weiteres Mal, dass ihre diesbezügliche Motion, die vom Staatsrat zur Annahme empfohlen worden war, vom Grossen Rat letztlich abgelehnt wurde.
Abschliessend wies Haenni darauf hin, dass Angebote in den Gemeinden heute grundsätzlich eine Rolle spielen: «Früher schauten Neuzuzüger auf den Steuerfuss, heute wird aber auch nach den Infrastrukturen in einer Gemeinde gefragt.»
Die Debatte wurde von Louis Ruffieux, Chefredaktor der «Liberté» geleitet.