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Weniger Lohn für Coiffeusen und Temporär-Büezer? Kantone blasen zum Aufstand gegen Bundesbern

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In Genf und Neuenburg hat das Volk staatliche Mindestlöhne beschlossen. Im Bundeshaus will eine Parlamentsmehrheit diese Entscheide aushebeln. Doch das stösst nun auf heftigen Widerstand – nicht nur bei den zwei betroffenen Westschweizer Kantonen.

Am Ende geht es um die Löhne von Coiffeusen, Hotelangestellten, Kellnerinnen, Reinigungskräften und Temporär-Büezern: «Eine Gesetzesänderung würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Rückgang der Löhne in den betreffenden Branchen führen», namentlich im Kanton Genf. So steht es in einem Schreiben des Vorstands der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) vom 8. März.

Auch die Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz (VDK) lässt in einer Stellungnahme zuhanden des Bundesrats kein gutes Haar an der geplanten Gesetzesänderung: «Nebst dem verfassungswidrigen Eingriff in die Kantonsautonomie und der Verletzung des Legalitätsprinzips mangelt es der vorgesehenen Änderung an Praxistauglichkeit.»

Das sind scharfe Reaktionen auf ein Vorhaben, das gemäss seinem Urheber doch nur die «Sozialpartnerschaft vor umstrittenen Eingriffen schützen» will: Mit diesem Titel hat Mitte-Ständerat Erich Ettlin im Dezember 2020 seine Motion überschrieben.

Er verlangt, dass vom Bund als verbindlich anerkannte Gesamtarbeitsverträge (GAV) anders lautenden Bestimmungen der Kantone zu Mindestlöhnen vorgehen sollen. «Die Sozialpartnerschaft sichert seit über 100 Jahren den Arbeitsfrieden in der Schweiz und soll das auch die nächsten 100 Jahre tun», begründete Ettlin seinen Vorstoss.

Schutz der Sozialpartnerschaft – und was Ettlin nicht schrieb

Es war eine Reaktion auf Volksentscheide in zwei Westschweizer Kantonen. «Die Einführung des allgemeinen Mindestlohns im Kanton Neuenburg ist eine schwere Belastungsprobe für die bewährte Sozialpartnerschaft in der Schweiz», hielt Ettlin fest. Denn dieser Mindestlohn finde aufgrund eines «umstrittenen Bundesgerichtsurteils» vom August 2017 auch für Betriebe in den Branchen Anwendung, welche einen als allgemeinverbindlich erklärten Landes-Gesamtarbeitsvertrag haben. Dass GAV, die zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebern ausgehandelt worden waren, durch kantonale Bestimmungen ausgehebelt werden können, sei «ein Missstand», befand der Obwaldner Ständerat.

Damit nicht genug: Im September 2020 stimmte die Stimmbevölkerung des Kantons Genf einer Volksinitiative für einen Mindestlohn zu, der auch für Branchen mit einem GAV gilt. «Weitere Kantone könnten diesen Beispielen folgen», so Ettlins Befürchtung. Deshalb sei gesetzlich festzulegen, dass «die Einigungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, welche der Bundesrat per Beschluss für die ganze Schweiz besiegelt, ausgewählten kantonalen Bestimmungen vorgehen». Das im Interesse der Sozialpartnerschaft, «die durch kantonale Gesetze und internationale Verträge zu erodieren droht».

Was Ettlin nicht schrieb: Die Mindestlöhne in den Kantonen liegen in manchen Branchen höher als die in den GAV vereinbarten Saläre. Für gewisse Branchen – die erwähnten Coiffeure oder Gastro-Firmen in Genf etwa – sind kantonale Mindestlöhne folglich vom Volk verordnete Lohnerhöhungen. Selbstredend stört das die betroffenen Arbeitgeberverbände.

Sie unterstützten deshalb Ettlins Vorstoss – und erlangten sowohl im Ständerat wie auch im Nationalrat eine Mehrheit. Dies notabene gegen den ausdrücklichen Willen des Bundesrats. Dieser räumte zwar ein, dass kantonale Mindestlöhne für die Sozialpartner «eine Herausforderung» darstellen könnten. Gleichwohl sei Ettlins Motion «problematisch»: Sie beschneide die verfassungsrechtliche Kompetenz der Kantone, heble den Volkswillen auf Kantonsebene aus und stehe in Konflikt zu föderalistischen Prinzipien und der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung. Doch der zuständige Bundesrat, Guy Parmelin, drang im Parlament nicht durch und musste deshalb nun eine entsprechende Gesetzesänderung vorschlagen.

Kantone sehen Mindestlöhne als Instrument gegen «Working Poor»

Zu diesem Vorschlag haben die kantonalen Regierungskonferenzen SODK und VDK nun in ungewöhnlicher Schärfe Stellung genommen. Der Vorstand der Sozialdirektorinnen und -direktoren erinnert etwa an die Bedeutung der Mindestlöhne: Sie dienten der Bekämpfung von Armut und insbesondere des Phänomens der «Working Poor». Personen, die einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen, sollten «ein Einkommen erzielen können, das ihnen würdige Lebensbedingungen garantiert, ohne auf Sozialhilfe angewiesen zu sein». In Neuenburg beträgt der aktuelle Mindestlohn 21.09 Franken pro Stunde, in Genf 24.32 Franken. Der Mindestlohn für gelernte Coiffeur-Angestellte gemäss schweizweitem GAV beträgt 21.62 Franken.

Derweil ortet die VDK eine Reihe rechtlicher Mängel: «Ein GAV ist ein zwischen privaten Verbänden abgeschlossener Vertrag, und seine Allgemeinverbindlicherklärung ändert nichts an seinem privatrechtlichen Vertragsstatus.» Er sei einem kantonalen Gesetz untergeordnet. Die Motion Ettlin verstosse daher gegen das in der Bundesverfassung verankerte Prinzip der Legalität, wonach eine untergeordnete Rechtsnorm nicht gegen eine übergeordnete Rechtsnorm verstossen dürfe. Sie stünde zudem im Widerspruch zur «Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen im arbeitsrechtlichen Bereich».

Weiter angeheizt wird die Diskussion in Solothurn: Dort haben SP und Gewerkschaften am Dienstag eine Initiative für einen kantonalen Mindestlohn eingereicht.

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