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Wie die Freiburger Lehrer vor über 110 Jahren zu ihren Weihnachtsferien kamen

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Autor: Eveline Seewer Bourgeois

Heutzutage gehören Ferien zu jenen sozialen Errungenschaften, die niemand mehr missen möchte. Doch gab es Zeiten und Orte, in denen dies nicht der Fall war. Wie zum Beispiel im ehemaligen Lehrerseminar des Kantons Freiburg, das seit seiner Gründung 1859 bis kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Hauterive angesiedelt war. In den Schulkatalogen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts steht nämlich Jahr für Jahr derselbe Eintrag: «Es gibt keine Ferien zu Weihnachten» («Il n’y a point de vacances à Noël»).

Die Ausgangslage

Die Seminaristen, wie die Lehramtskandidaten auch genannt wurden, begannen ihre Ausbildung in Hauterive im Herbst mit einem sechsmonatigen Semester, das – ohne Unterbruch – bis zu Ostern des folgenden Jahres dauerte. Dabei wird manchem die Zeit in Hauterive wohl recht lang erschienen sein. Aber nicht nur die Seminaristen fanden das Wintersemester endlos. Auch die Schulleitung und die Lehrer waren sich darüber einig, und sie entwickelten sich zu den Hauptverfechtern der Weihnachtsferien.

Erster zaghafter Versuch

Im Sommer 1899 wandte sich der Direktor des Lehrerseminars, Jules Dessibourg, mit folgenden Worten an den Staatsrat Georges Python, Vorsteher der Erziehungsdirektion:

«Ich habe die Ehre, Ihnen das Programm des Schuljahres 1899–1900 zukommen zu lassen. Wir schlagen ferner – «timidement» heisst es im Originaltext – eine bessere Verteilung der Ferien vor. So möchten wir einige Tage Urlaub … acht bis zehn Tage … zwischen Weihnachten und Neujahr einfügen.»

Da dem Staatsrat in Fragen der Lehrerbildung eine Studienkommission zur Seite stand, wurde diese auch in wichtigen oder heiklen Angelegenheiten wie Schulprogramm oder eben Ferienplanung konsultiert.

Die Antwort? Die Kommission winkte ab, sprach vage von einer nachteiligen Lösung und schlug aber vor, den Seminaristen einige wenige zusätzliche Freistunden zu gewähren.

Enttäuschend! Die Absage wurde an den Lehrerkonferenzen vom 19. und 21. Juli 1899 in Hauterive eingehend besprochen. Zunächst hätten die direkt Betroffenen gerne Genaueres über die von der Studienkommission erwähnten «Nachteile» erfahren. Dann kamen sie auf die von der Kommission empfohlene Lösung zu sprechen, die aber für das Lehrerseminar ausser Betracht stand: «Die Lehrerkonferenz ihrerseits ist der Meinung, dass es wenig vorteilhaft und kaum möglich sein wird, den Schülern vereinzelte Freistunden zu gewähren. Diese freie Zeit könnte lediglich für Spaziergänge verwendet werden, was zum Besuch von Gaststätten führen würde …»

Besuch von Gaststätten oder andern, übleren öffentlichen Einrichtungen – eine Gefährdung der guten Sitten und der Moral! Das konnte doch nicht im Sinne der Studienkommission oder der Erziehungsdirektion sein. Doch Georges Python ging nicht direkt auf den neuen Vorstoss der Lehrer von Hauterive ein:

«Die Frage der Weihnachtsferien wird nochmals zu überprüfen sein.»

Der endgültige Entschluss war also – trotz des Vetos der Studienkommission und trotz des erneuten Vorstosses des Lehrerseminars – noch nicht gefallen.

Weitere Argumente

Die Seminarleitung liess vorerst die Sache auf sich beruhen, um sie – gemäss dem Vorschlag des Erziehungsdirektors – an der Sitzung vom 11. November 1899, also nur einige Wochen vor Weihnachten, wieder aufzunehmen. «Der Präsident ist der Meinung, dass die Frage der Weihnachtsferien nochmals behandelt werden soll. Wir sind je länger, je mehr von den Vorteilen einiger Ferientage zur Semestermitte überzeugt.»

An erster Stelle wurden mögliche Einwände aufgezählt: Die Weihnachtsferien könnten für die Schüler und Eltern kostspielig sein, und zudem sei für einige Schüler die Entfernung zum Elternhaus zu gross, als dass sie nach Hause fahren könnten …

«Ausserdem», steht im Protokoll, «plädieren gewichtige Gründe zugunsten unserer Fragestellung: Das Wintersemester, mit seinen sechs bis sechseinhalb Monaten Unterricht, zählt je sechs Stunden pro Tag, und vier Stunden pro freier Tag. Es gilt ferner zu bedenken, dass Internatsschüler nicht frei über Sonn- und Feiertage verfügen können: Neben der Erfüllung der religiösen Pflichten sind sie an diesen Tagen zu fünfeinhalb Stunden Studium verpflichtet.»

Man sieht, das Internatsleben in Hauterive war von Zucht, Ordnung und Studium geprägt. Das Protokoll hebt hervor, dass eine «Zäsur» in Form von freien Tagen nur den Prinzipien einer «gesunden Pädagogik» entsprechen würde. «Sodann», fährt das Protokoll fort, «tritt bei den Schülern zu dieser Jahreszeit auch eine gewisse intellektuelle Entspannung/Trägheit ein, wie dies übrigens bei allen andern Leuten auch der Fall ist … Ohne zu übertreiben können wir behaupten, dass die Woche vor Neujahr studiummässig praktisch sinnlos ist. Die Schüler verbringen ihre Zeit mit Lektüre oder erledigen ihre Post.»

«Und da die Lehrer ihr Programm gezwungenermassen weiterführen, wird der Stoff von den Schülern kaum oder gar nicht wiederholt, was zu folgenschweren Lücken führen könnte, wenn die Professoren dem später nicht Rechnung tragen würden.»

Spitzfindiger könnte die Argumentation kaum sein.

Vergleich zum Ausland

Die Lehrerkonferenz geht aber auch über die Kantonsgrenzen hinaus und führt Beispiele aus anderen ähnlichen Institutionen in der Schweiz oder gar aus dem Ausland (Frankfurt am Main) auf, wo Weihnachtsferien einstimmig anerkannt und schon längst an der Tagesordnung sind.

Familienleben ist wichtig

In jeder Gesellschaft, heute wie gestern, kommt der Familie eine grosse Bedeutung zu. Dieselben Werte wurden auch im katholischen Freiburg Georges Pythons hochgehalten. Und somit ergab sich ein weiteres Argument zur gewünschten Ferienregelung.

«Jahr für Jahr werde der Direktor von Anfragen der Eltern überhäuft, welche ihre Kinder zu Weihnachten nach Hause nehmen möchten, was vollkommen natürlich und legitim sei …

Und auch wenn die Schule den Eltern nicht in allen Punkten nachgeben sollte, so würde mit der Einführung von Weihnachtsferien einer ihrer grössten Wünsche in Erfüllung gehen.»

Schliesslich folgte eine letzte, wenn auch etwas an den Haaren herbeigezogene Begründung:

«Auch wenn diese Neuerung für die Schüler ein Kostenpunkt wäre, so ist doch anderseits zu bemerken, dass dieser Nachteil durch die Ersparnisse an Briefmarken und -papier wettgemacht würde.»

 

Und die logische Schlussfolgerung des gesamten Argumentariums ist:

«Deshalb beehrt sich die Konferenz dem Direktor der Erziehungsdirektion die Einführung von Weihnachtsferien, zumindest als Versuch, ein zweites Mal zu unterbreiten.»

Das Ende dieser (Weihnachts-)Geschichte

Georges Python, dem das ausführliche Sitzungsprotokoll wie üblich zur Kenntnisnahme zugestellt wird, bemerkte lediglich dazu:

«Was die Weihnachtsferien betrifft, so werde ich dies mit dem Direktor des Lehrerseminars erörtern/besprechen.»

In den folgenden Jahren werden die Weihnachtsferien in den Sitzungsprotokollen des Lehrerseminars mit keinem Wort mehr erwähnt. Und im Schulprogramm 1900–1901 heisst es klar, dass zu Weihnachten ungefähr acht Ferientage vorgesehen sind.

Somit war der Antrag der Lehrer und Seminaristen von Erfolg gekrönt. Staatsrat Georges Python hat sich durch die vorgebrachten Argumente überzeugen lassen, wie Seminardirektor Jules Dessibourg es in seinem Brief vom 13. Dezember 1899 bezeugt:

«Das Geschenk der Weihnachtsferien, das ich nach Hauterive überbracht habe …»

Somit erhielten die Professoren und die künftigen Primarschullehrer in Hauterive zu Ende des 19. Jahrhunderts erstmals einige Ruhetage geschenkt. Und diese Tradition hält bis heute an.

 

Quellen: Archiv des ehemaligen Lehrerseminars Hauterive: Protokolle des Lehrkörpers, Briefkopien.

Zur Autorin: Eveline Seewer Bourgeois ist Historikerin und Archivarin.

«Sodann tritt bei den Schülern zu dieser Jahreszeit auch eine gewisse intellektuelle Trägheit ein …»: Mit verschiedenen Argumenten versuchte die Seminarleitung, den Erziehungsdirektor vom Sinn der Weihnachtsferien zu überzeugen.Bilder zvg

 

«Die Frage der Weihnachtsferien wird nochmals zu überprüfen sein.» Erziehungsdirektor Georges Python gibt eine ausweichende Antwort auf den erneuten Vorstoss der Lehrerschaft.

Schüler des Lehrerseminars in einem Skilager in Schwarzsee. Das Bild stammt aus dem Jahr 1946.

«Diese freie Zeit könnte lediglich für Spaziergänge verwendet werden, was zum Besuch von Gaststätten führen würde …»

Autor: Auszug aus dem Protokoll der Lehrerkonferenz 1899

«Ohne zu übertreiben können wir behaupten, dass die Woche vor Neujahr studiummässig praktisch sinnlos ist.»

Autor: Argument der Schulleitung für die Einführung von Weihnachtsferien

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