Seit dem 11. Mai, und erst recht seit dem 8. Juni, sind wir aber endlich wieder da – mit allen Sinnen. Das Auge sieht Menschenmengen in der Stadt, Menschen, die sich nach dreimonatiger Wartezeit wieder auf der Strasse treffen und gleich mal innig umarmen, sieht ungeduldige Männer auf der Rolltreppe an einer älteren Dame mit Maske vorbeidrängeln, sieht gut gefüllte WC-Papier-Regale in den Geschäften und fröhlich lachende Kinder in engen Trupps die Gehwege einnehmen. Die Nase nimmt die Autoabgase wieder wahr, riecht die frittierölgeschwängerte Abluft der Restaurants, aber auch den Duft von frischem Brot beim Bäcker, der endlich wieder das gesamte Sortiment führt. Das Ohr hört ab und an wieder ein Flugzeug, hauptsächlich aber den Strassenverkehr. Dabei vor allem die von testosterongesteuerten Männern gefahrenen, hochgetunten Autos oder Motorräder. Offenbar haben im Shutdown sehr viele an ihren Auspuffanlagen herumgebastelt und leben dieses lautstarke Hobby nun in der Innenstadt rücksichtslos aus. Hier wäre doch mal eine akustische Blitzanlage angebracht, um die strapazierten Kantonskassen aufzubessern – da käme richtig etwas zusammen. Den Fahrern sei gesagt, dass Frauen überhaupt nicht auf diesen Lärm stehen. Im Gegenteil, bei solchen Typen geht Frau gerne auf Abstand – genau richtig in dieser Zeit. Maske, Abstand und Hygienemassnahmen sind das Mindestmass an Verantwortung, die jeder problemlos übernehmen kann, um dem Coronavirus Einhalt zu bieten. Ohrstöpsel mildern leider nur die Symptome, nicht aber die Ursache des ungebeten Motor-Tuning-Virus. Ich hoffe sehr, dass beide Viren schnell verschwinden, und übe mich solange in Vorsicht vor Corona und Verachtung für die Tuner!
Katharina M. Fromm wohnt in Freiburg und ist seit 2006 Professorin für Chemie an der Universität Freiburg. Sie ist Mit- glied einer FN-Autoren-Gruppe, die mo- natlich frei gewählte Themen bearbeitet.
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