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Zeichen setzen

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Gastkolumne

Zeichen setzen

Autor: Sus Heiniger

Eine kleine Kanarische Insel, noch nicht vom Tourismus zerfressen, bietet mir etwas an, das ich sehr gern tue: Strielen. Das Dialektwort beschreibt es gut. Beim Strielen lese ich die Welt. Ich bin unvoreingenommen, Bekanntes kann in anderem Licht erscheinen, ich erfahre Neues, im besten Fall Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, ohne Worte. Die kleine Kanarrische Insel scheint mir von unglaublicher Ursprünglichkeit, was Farben, Formen und Landleben betrifft. Ein winzig karges Eiland, das vergleichsweise wenig Zerstörung durch Fremdeinwirkung erlebte, im Gegensatz zu gewaltigen Naturzeichen, die Feuer und Wasser hinterliessen. Strielend missfällt mir trotzdem vieles, was wir Touristen anrichten, was die Gastgeber meinen bieten zu müssen.

Da ich die Insel seit Jahren immer wieder besuche, bekomme ich auch ihre Veränderungen mit. Ich erfreue mich besonders an neuen Ideen der Bauern, ihre landwirtschaftliche Anbauweise zu gestalten. Sie ist einzigartig und entsteht nach dem Motto «Not macht erfinderisch». Klimatische und geologische Gegebenheiten zwingen die Landarbeiter, Werke zu vollbringen, die für mich als Betrachterin zu Zeichen der Land Art werden. Grossartige Landschaftsbilder entstehen, wie sonst nirgends und begeistern mich in einer Sicht aus Distanz. Mit der stetigen Verbesserung der Anbauweise bewegen sich auch diese Gesamtbilder zu neuen Formationen.

Seit zwei Jahrzehnten sind sich die Inselbewohner einig, dass man die Heimat vor der totalen Vermarktung schützen wolle. Trotzdem verändert sich das Gesicht der Insel, denn die Urlauberzahl vervielfachte sich in den letzten Jahren. So lese ich neue Zeichen im Grobcharakter des Eilandes. Wie Bänder mit weissen Mittelstreifen, in alle Richtungen laufend, geschwungen, schnurgerade, ansteigend, abfallend ziehen Strassen durchs Niemandsland, mit dem Ziel, kleinere oder grössere Orte miteinander zu verbinden. Meine strielenden Ausflüge lassen mich teilhaben an der Entstehung eines modernen Netzes, als würde sich ein winziger Teil der Autohistorie hier noch mal wiederholen und ich könnte im Zeitraffer zusehen, vom Vulkan aus.

Und wenn dann die Strassenbänder auf einen Ort treffen, gehts los, ist die Gegend gespickt mit Zeichen auf Tafeln. Hunderte von Verkehrstafeln stehen plötzlich auf der Insel, welche ihr farbliches Erscheinungsbild, fast eintönig in Grau, Braun, Schwarz, wenig Grün zeigt. Es fallen diese Zeichentafeln so sehr auf, als würde dabei jeweils kurz aufgeschrien. Das ist komisch und ärgerlich zugleich. Da muten mich plötzlich das starke Blau und Weiss eines ganz gewöhnlichen Richtungspfeils, in einer dunkelbraungrauen Landschaft an wie eine Erscheinung aus einer andern Welt, eine rot-weisse Einbahntafel steht vielleicht da, als Installation, nur um einen Farbakzent in die Gegend zu setzen? Das Stopp-Zeichen an einer kleinen Hauszufahrt, die in eine fast unbefahrene Nebenstrasse führt, wurde wohl von Spassmachern aufgestellt? Wo Tafeln kommen, geht der gesunde Menschenverstand? Die Verkehrstafeln auf der kleinen Vulkaninsel stehen tausendfach und oft absurd gesetzt, doch ist damit das Zeichen Modernität und störungsfreies Reisen für Touristen gemeint?

Genial, dass Mensch sprachübergreifend Zeichen lesen kann, wenn er denn schon überall hin und sein will. Nicht nur Strassenverkehrszeichen sind nahezu Universalzeichen, wir leben in einem Zeichengewimmel, und das muss wohl etwas machen, etwas anstellen mit uns, in uns? Mein Selbstversuch zu Hause, in meiner Stadt, in meinem Auto, war als Ausprobieren um diese Frage generell gedacht und endete natürlich mit einer grossen Ordnungsrüge. Natürlich, weil ich ja wusste: Zeichen erzählen, warnen, helfen, regeln, verbieten unser Leben. Massenbevölkerung braucht Massenregelung? Funktioniert das?

Morgens um sechs Uhr in verbotener Fahrtrichtung 100 Meter durch die schlafende Stadt zu fahren – auch wenn dies im Schritttempo geschieht –, wenn nicht nur alle Bewohner noch zu schlafen scheinen, sondern gar die Hausfassaden noch müde stehen, brachte wohl die erhoffte Erkenntnis, dass ich auf Zeichen reagiere, denn mein Gewissen meldete sich sofort. Dazu gabs eine Busse, denn die Zeichenhüter stehen auch morgens um sechs Uhr schon bereit. Doch darum gehts ja nicht, ich hatte meinen Selbstversuch, meine Erfahrung …, doch die Art und Weise meiner Durchführung war Humbug. Natürlich.

Sus Heinigerist Kunstmalerin und lebt in Murten. Als Kulturschaffende ist sie in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet.

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