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«Die Kirche hat sich Kredit verspielt»

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Vor 50 Jahren veröffentlichte Papst Paul VI. das Lehrschreiben «Humanae vitae» über Empfängnisverhütung und sorgte damit für einen Skandal: «Die Kirche hat im Schlafzimmer nichts verloren», lautete die Reaktion. Die negative Spirale, die dieses Schreiben ausgelöst hat, wirkt bis heute nach, glaubt Daniel Bogner, Professor für Moraltheologie und Ethik an der Universität Freiburg.

Wenn Sie heute «Humane vitae» hören, woran denken Sie?

An eine Etappe der Kirche, in der sich das Lehramt auf pro­blematische Weise vom Kirchenvolk entfremdet und einen guten Teil seiner inneren Autorität verloren hat. Das Zweite Vatikanische Konzil zwischen 1962 und 1965 war beim Thema Familienplanung – wohlweislich – zurückhaltend. Mit «Humanae vitae» hat sich die Kirche dann viel Kredit verspielt, den sie durch das Konzil und seine Impulse bei vielen Menschen gewonnen hatte.

Bereits vor 50 Jahren wurde das Dokument abgelehnt. Welche Bedeutung hat es heute?

Die theologisch-ethische Bedeutung und vor allem seine reale Wirkung halten sich in engen Grenzen. Viele Katholiken stossen sich daran, dass in diesem Schreiben die Würdigung des Gewissens überhaupt nicht vorkommt. Damit wird eine Sicht vom Menschen vorgelegt, die wieder hinter die Standards des Konzils zurückfällt, wie sie dort etwa im Beschluss zur Religionsfreiheit formuliert worden waren. Es ist die Idee eines mündigen, zu Verantwortung fähigen Menschen, dem Freiheit zugemutet werden kann. «Humanae vitae» unterläuft diese Aussagen und hat viele geöffnete Türen wieder zugestossen. Die Menschen fühlen sich in ihrer Urteilskompetenz – zumal in einer Frage der persönlichen Lebensführung – nicht ernst genommen.

Können Sie das konkretisieren?

«Humane vitae» verleitet offenbar zu irrtümlichen Aussagen. Dazu zählt etwa die Verknüpfung von Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch, wie das kürzlich der Churer Bischof Vitus Huonder gemacht hat. Es handelt sich bei beiden Sachverhalten um voneinander verschiedene Fragestellungen, die ethisch unterschiedlich zu bewerten sind. In Bezug auf die Empfängnisverhütung von einer «Kultur des Todes» zu sprechen, ist grotesk. Es wird der Realität, in der Menschen sich heute befinden, nicht gerecht und bringt nur zum Ausdruck, wie weit man sich kirchlich von der Wirklichkeit entfernt hat.

Auf Rückfrage hiess es aus Kirchenkreisen, die katholische Kirche habe die Kompetenz verloren, zu solchen Themen Stellung zu beziehen.

Der eigentliche Fehler von «Humanae vitae» aus meiner Sicht ist, dass er unter dem schönen Titel «Weitergabe des Lebens» allein auf die biologischen und technischen Aspekte der Fortpflanzung eingeht. Zugrunde gelegt wird dabei ein festgefahrenes Verständnis einer «Schöpfungsordnung», aus der vermeintlich eindeutig abzulesen sei, welches Verhalten des Menschen gut und richtig ist. Nach dem Schreiben zweifelten viele Leute, ob das katholische Lehramt wissenschaftliche Erkenntnisse überhaupt wahrnimmt und akzeptiert. Im Konzil hatte sich die Kirche dafür noch sehr offen gezeigt. «Weitergabe des Lebens» wird vor allem zeugungsorientiert und nicht, wie man das auch verstehen könnte, erziehungsorientiert verstanden. Da hätten viele Paare und Eltern durchaus Unterstützung und guten Rat nötig und wären dankbar, wenn die Kirche sich für die grosse Aufgabe interessiert, wie aus jungen Menschen reife Persönlichkeiten werden können.

Aber auch in andern Fragen von Partnerschaft wie Scheidung oder Homosexualität sieht sich die katholische Kirche mit ihrer festen Linie Gegenwind ausgesetzt.

Scheidung, Homosexualität, Abtreibung und Empfängnisverhütung – das sind alles grundverschiedene Dossiers, die im Einzelnen angeschaut und unterschiedlich bewertet werden müssen. Wer alles in einen Topf wirft, verkennt die Fähigkeit der theologischen Tradition, zu differenzierten und angemessenen Einschätzungen zu gelangen, die lebensförderlich sind und in Einklang mit der Botschaft vom lebensfreundlichen Gott stehen. «Selbstbestimmung oder Gehorsam» – vor diese Alternative wird man als Christ häufig gestellt. Genau darin besteht aber der Fehler. Es in diesem Gegensatz zu formulieren, ist Ausdruck einer bestimmten kirchenpolitischen Ideologie. Es wird verkannt, dass auch die Fähigkeit zur ethischen Selbstbestimmung Teil der Schöpfungsordnung ist und dass es nicht darum geht, einfach blind zu gehorchen. Wenn die Kirche keine mündige, verantwortungsbewusste Gläubige mehr hat, ist sie bankrott. Eine dem kritischen Gewissensurteil verpflichtete Selbstverantwortung ist das grössere Glaubenszeugnis als der blinde Gehorsam. Wo die Kirche hierfür sensibel ist, hören ihr die Menschen zu.

«‹Humanae vitae› hat viele geöffnete Türen wieder zugestossen.»

Daniel Bogner

Universität Freiburg

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