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«Mittellosigkeit ist kein Freipass»

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Zurzeit läuft das Strafverfahren gegen Raie Manta, eine Gruppe von Hausbesetzern. Einige Besitzer der Häuser haben in diesem Rahmen eine Zivilklage eingereicht: Sie fordern Ersatz für Schäden an den Gebäuden und für Kosten, die nach der Besetzung für die Sicherung der Häuser entstanden sind. Die Besetzer verfügen aber kaum über Geld, um für Schäden aufzukommen. Macht da eine Zivilklage Sinn? Das fragten die FN Roger Bieri, Rechtsanwalt und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Freiburg.

 

 Roger Bieri, wozu reicht jemand im Rahmen eines Strafverfahrens eine Zivilklage ein?

Die aus einer Straftat geschädigte Person kann als sogenannte Privatklägerin amStrafverfahren teilnehmen unddort zivilrechtliche Ansprü- che wie etwa Schadenersatz gegen den Beschuldigten geltend machen. Man spricht von einer Zivilklage oder Adhäsionsklage. Das Zivilverfahren wird quasi in das Strafverfahren integriert und das Strafgericht entscheidet auch über die zivilrechtlichen Ansprüche. Nur ausnahmsweise, etwa in komplizierten Verfahren, wird die Zivilklage vom Strafverfahren entkoppelt und auf den Zivilweg verwiesen. Die geschädigte Person kann ihre Ansprüche dann einzig vor dem Zivilgericht geltend machen.

 

 Was ist der Vorteil, wenn jemand eine Zivilklage im Rahmen des Strafverfahrens geltend macht?

Es gibt mehrere Vorteile: Zunächst muss nur ein Verfahren geführt werden, denn im Idealfall urteilt das Strafgericht abschliessend über die zivilrechtlichen Ansprüche. Die Zivilgerichte bleiben dann aus dem Spiel. Ein weiterer Vorteile der Klage liegt darin, dass das Strafgericht selbst Beweise sammelt und abklärt, was genau passiert ist. Die geschädigte Person kann hier von den Ergebnissen des Strafverfahrens profitieren. Darüber hinaus stehen einer Privatklägerin verschiedene Rechte zu, etwa das Recht auf Akteneinsicht. Schliesslich verlangt das Strafgericht von einer Privatklägerin keinen Gerichtskostenvorschuss, wie das ein Zivilgericht regelmässig tut.

 

 Gibt es auch Nachteile?

Eine Zivilklage im Strafverfahren kann in der Tat auch Nachteile mit sich bringen: Die Beurteilung der Klage erfolgt nämlich nach zivilrechtlichen Kategorien, in denen sich ein Strafgericht möglicherweise weniger gut auskennt.

Was ist, wenn der Beschuldigte kein Geld hat und von Anfang an klar ist, dass er nicht bezahlen kann?

Es gibt natürlich Fälle, in denen die geschädigte Person auf ihrem Schaden sitzen bleibt. Aber soll sie allein deswegen nicht klagen? Ob es im Einzelfall sinnvoll ist, eine Klage einzureichen, hängt wesentlich von der Motivation der Privatklägerin ab. Die Liquidität des Beschuldigten ist dabei zwar regelmässig, aber nicht immer ausschlaggebend. Indem eine geschädigte Person ihren Anspruch vor Gericht geltend macht, demonstriert sie eine gewisse Härte. Und selbst in vermeintlich klaren Fällen besteht immer die Möglichkeit, dass der Beschuldigte später wieder zu Geld kommt, etwa durch eine Erbschaft – und dass er dann für den entstandenen Schaden doch noch aufkommen kann. Mittellosigkeit ist also keineswegs ein Freipass.

Hausbesitzer: Die einen klagen aus Prinzip, die anderen winken ab

F ünf Häuser in und um Freiburg hat das Kollektiv Raie Manta zwischen September 2010 und März 2011 besetzt. Darunter leerstehende Gebäude auf dem Boxal-Areal. «Wir haben kei- ne Zivilklage eingereicht», sagt Markus Hofer von den Metallwerken Refonda, welchen das Areal gehörte. «Nach der Räumung durch die Polizei mussten wir das Gelände sichern.»

Dafür habe Refonda einen sechsstelligen Betrag ausgeben müssen: «Das Geld hät- ten wir von den Besetzern kaum je erhalten; für einen Prozess hätten wir aber Zeit und Geld ausgeben müssen», sagt Hofer. Es sei sehr unbefriedigend, dass mit einer zivilrechtlichen Klage die Chance, das Geld jemals zu sehen, so klein sei, sagt Hofer.

Auch die Gemeinde Givisiez verzichtete auf eine Zivilklage, obwohl die Besetzer vor allem in der Kapelle der Chassotte grossen Schaden angerichtet hatten. Der damalige Syndic sprach im Februar 2013 vor Gericht von rund 100 000 Franken Schaden. Dieses Geld erhalte die Gemeinde von den Besetzern sowieso nicht; darum verzichte Givisiez auf eine Klage, sagte der Syndic.

«Ziehen die Klage durch»

Ganz anders sah dies die Genossenschaft Fenaco: Ihr gehören die Häuser an der Industriestrasse in Freiburg. Nach der Besetzung sicherte Fenaco die Gebäude, damit niemand mehr hinein konnte. Die Rechnungen eines Bauunternehmers, eines Schlossers und von Securitas beliefen sich auf gut 36 700 Franken. «Wir verlangen das von den Besetzern», sagte der Anwalt von Fenaco im Februar 2013 vor Gericht. «Wir ziehen die Klage durch, aus Prinzip.»

Auch ein Gebäude des Kantons Freiburg wurde besetzt: die Klinik Garcia in der Stadt Freiburg. Der Kanton hat eine Zivilklage eingereicht. «Wir sind nicht in erster Linie an einer finanziellen Entschädigung interessiert. Aber es geht um die Frage von Respekt und Privatbesitz», sagt Corinne Rebetez, Sprecherin der Baudirektion. Die Räumung habe der Kanton verlangt, weil die Sicherheit im Gebäude – zu dem der Zutritt verboten war – nicht gewährleistet war, und wegen Versicherungsfragen. «Dort hätten sich jederzeit Unfälle ereignen können.» njb

Chronologie

2010/2011 war der Winter der Besetzer

Vom Herbst 2010 bis in den Frühling 2011 besetzte das Kollektiv Raie Manta verschiedene Häuser in und um Freiburg; auf Geheiss von Oberamtmann Carl-Alex Ridoré räumte die Polizei die Gebäude jeweils. Vom 24. bis am 29. September 2010 nahm die Gruppe zwei leerstehende Häuser an derIndustriegasse24 und 26 in Beschlag. Danach besetzte das Kollektiv am 11. und 12. Oktober das leerstehende Haus an derNeustrasse1. Zwischen dem 28. Oktober und dem 9. November liessen sich die Besetzer in leerstehenden Gebäuden auf demBoxal-Arealnieder. Sie veranstalteten Feste und boten Kunstschaffenden eine Plattform. Am 8. Dezember besetzte die Gruppe das GebäudeChassottein Givisiez. Im März 2011 besetzte Raie Manta ein weiteres leerstehendes Haus: dieehemalige Klinik Garciaim Perollesquartier.njb

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