Bildbetrachtung: Die unübertreffliche Fantasie der Künstlerin Meret Oppenheim

Das könnte ich auch. Wie oft hört man das über ein Kunstwerk, vor allem seit der Moderne. Aber hätten Sie auch die Idee, Eingebung und Fantasie? Meret Oppenheim war darin Meisterin.

Man nehme vier Stücke flaches Metall und eine Schraube. Fertig ist die Libelle. So einfach. Und so überraschend. Denn wer kommt auf so eine Idee? Eine Künstlerin. Eine Meisterin der Fantasie wie Meret Oppenheim, die in alltäglichem Material Beseeltes und Geformtes erkannte, wo wir bloss Blech, Ast oder Schraube, Tasse, Poulet oder Stein sehen.

Ihre «Libullele Campoformio» hängt im Kunstmuseum Winterthur. Wer in die Sonderausstellungen geht, muss – nein, darf! – hier durch. Das Kästlein besuche ich jedes Mal. Freudig und nachdenklich. So poetisch der Einfall der Künstlerin wirkt, löst er auch Beklemmung aus: Ist das Tierlein metallisch erstarrt, existiert es nur noch als Erinnerung. Das Artensterben war 1972 noch kein grosses Thema, die Angst vor künstlerischer Erstarrung für Oppenheim aber zentral. Was bedeutet aber Campo Formio, das sie spiegelsymmetrisch auf die Flügel gemalt hat? Will sie damit an den Ort des Friedensschlusses von 1797 erinnern – oder an ein Feld in ihrem geliebten Tessin?

Meret Oppenheim (1913-1985)

Wie Meret Oppenheim gearbeitet hat – und welche Bandbreite ihr Oeuvre hat, zeigt dieses Video sehr schön. Entstanden ist es zur grossen Retrospektive 2021 im Kunstmuseum Bern. Mit Archivaufnahmen der Künstlerin. Achten Sie übrigens auf die Brosche, die Meret Oppenheim am Anfang des Videos trägt.