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Blut und Honig

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Das Filmfestival Freiburg entdeckt in der Sektion «Neues Territorium» das Kino Nordmazedoniens. Die Filme zeigen ein Land im Umbruch, das noch immer mit seiner Geschichte hadert und zugleich seine ureigene Form des Humors bewahrt hat.

Es gehört zur DNA des Filmfestivals Freiburg, neue Kinolandschaften zu kartografieren und den Blick auf unbekannte Filmländer zu richten. In der Vergangenheit entstanden so Panoramen, die um die Welt gingen. Etwa die 2014er-Retrospektive zum iranischen Film, die später an anderen Festivals wie in Toronto gezeigt wurde. Diese Woche widmet sich das Fiff dem Kino Nordmazedoniens. Zum ersten Mal konzentriert sich ein Filmfestival in einer ganzen Sektion auf den zeitgenössischen Film des Landes, das bis 2019 noch Mazedonien hiess. Eigentlich erstaunlich: Denn das kleine Land mit nur 1,8 Millionen Einwohnern hat einen erstaunlichen Palmarès vorzuweisen: Preise an der Berlinale, am Sundance Filmfestival und in Venedig gehören genauso dazu wie Oscar-Nominationen und euphorische Kritiken.

Eine kleine Schweiz

«Das nordmazedonische Kino ist wie seine Bevölkerung: unglaublich reich an verschiedenen Kulturen», sagt Samet Sulejmanoski. Der Philosoph, der seit acht Jahren für das Fiff arbeitet, hat die Sektion über sein Heimatland vorbereitet und zeigt sich im Gespräch mit den FN begeistert vom kulturellen Schmelztiegel: «Nordmazedonien ist wie eine kleine Version der mehrsprachigen Schweiz, nur extremer: Dort leben verschiedene Ethnien wie Nordmazedonier, Roma und Albaner zusammen», so Sulejmanoski. «Das sorgt natürlich immer wieder für Konflikte, aber macht eben auch die Faszination für dieses wunderschöne Land aus.»

Name bleibt Mythos

Die Schönheit des Balkanstaates fängt der visuell eindrucksvollste Film des Programms ein: «Honeyland». Die Doku war 2020 für einen Oscar nominiert und porträtiert die letzte Bienenjägerin Europas. In atemberaubenden Bildern zeigt der Film, wie das Leben der Wildbienenzüchterin Hatidze Muratova aus den Fugen gerät, als sich in ihrer Nähe eine andere Familie niederlässt: «Honig ist eines der wichtigsten Produkte Nordmazedoniens», erklärt der Kurator. Gleichzeitig sei Honig aber auch mit viel Symbolik aufgeladen, die über die Grenzen des Landes hinausweise: «Der Honig hat seit jeher eine wichtige symbolische Bedeutung für den ganzen Balkan.» Denn der Legende nach habe der Balkan seinen Namen von den türkischen Eroberern: «Bal» bedeutet auf Türkisch «Honig», «Kann» Blut – zusammengesetzt also das Land, wo Blut und Honig fliessen.

Die letzte Bienenjägerin Europas: Der Dokumentarfilm «Honeyland» war 2020 für einen Oscar nominiert.
Bild: zvg

Im Nebel der Geschichte

Obwohl die Forschung heute davon ausgeht, dass sich das Wort Balkan eher aus dem protobulgarischen Wort für Gebirge ableitet, hält sich die Blut-Honig-Metaphorik bis heute. «Das fliessende Blut sind die vielen Konflikte, die unsere Geschichte geprägt haben», erklärt Sulejmanoski. Die Konflikte nach dem Zerfall des Vielvölkerstaats Jugoslawien sind auch in den Filmen spürbar. So beschäftigt sich Regisseurin Teona Strugar Mitevska etwa in «The Happiest Man in the World» mit der Verarbeitung von Geschichte: Bei einem Speed-Dating-Event in Sarajevo treffen sich zwei verzweifelte Singles: die ruhige Asja und der neurotische Zoran. Auf der schrägen Partnerbörse werden Fragen nach Katalog abgearbeitet, in der Pause widmet man sich dem Ausdruckstanz. Im Verlauf des kammerspielartigen Films wird immer klarer, dass die Biografien der beiden durch einen Faden im Nebel der Geschichte verbunden sind: Beide haben die verlustreiche Belagerung Sarajevos durch die Armee der bosnischen Serben von 1992 bis 1996 miterlebt – sie als Opfer, er als Täter.

Parabel über Verarbeitung

Strugar Mitevska lässt in ihrem Film die Geschehnisse aus dem Ruder laufen und entwickelt nach und nach eine Parabel über die gesellschaftliche Verarbeitung von Kriegsverbrechen. «Nach allem, was passiert ist, müssen wir trotzdem zusammenleben. Es gibt keine Alternative.»

Die Leute sprechen zu wenig über die Vergangenheit. Dieses Problem haben alle Balkan-Länder gemeinsam.

Teona Strugar Mitevska
Regisseurin

Auch wenn sie selbst Nordmazedonierin und nicht Bosnierin sei, habe sie das Thema des Films bewegt: «Ich sehe mich als Jugoslawin. Ich bin in diesem riesigen Land geboren, das es nicht mehr gibt. Was in den 1990er-Jahren nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens in Sarajevo oder Srebrenica passiert ist, hat meine ganze Generation tief geprägt.»

Eine neue Generation

Bekannt wurde die Regisseurin 2019 für ihren Spielfilm «God Exists, Her Name Is Petrunya», mit dem sie an der Berlinale gleich zwei Preise gewann. Im Film nimmt die titelgebende Petrunya an einer religiösen Zeremonie teil, die traditionell Männern vorbehalten ist, und stellt damit Konventionen auf den Kopf. «Der Film war wichtig für das nordmazedonische Kino; nicht nur, weil er durch die Preise viel Aufmerksamkeit bekommen hat», sagt Sulejmanoski. «Er hat eine ganze Generation junger Regisseurinnen motiviert, Filme zu machen.» Das zeige sich vor allem im Kurzfilmprogramm mit aktuellen Filmen, in dem fünf von sieben Filmen von Frauen gedreht wurden: «Ich habe die Filme nicht deshalb ausgewählt, weil sie von Frauen sind. Ich habe sie ausgewählt, weil sie grossartig sind», so der Experte.

Ein Schlüsselfilm für das nordmazedonische Kino: «God Exists, Her Name Is Petrunya» von 2019.
Bild: zvg

Im Kurzfilmprogramm zeigt sich auch eine weitere Gemeinsamkeit nordmazedonischer Filme: «Unser Humor ist sehr frei. Man kann über fast alles lachen», erklärt Sulejmanoski. «Es ist – wie überall im Balkan – ein derber Humor, der auch schnell in ironische Beleidigungen übergehen kann. Aber der Humor ist auch befreiend und gibt Hoffnung.»

Skurriler Humor

Ein Paradebeispiel für den oft skurrilen Humor Nordmazedoniens ist «Snow White Dies at the End» aus dem Jahr 2022. Der Episodenfilm porträtiert den Alltag verschiedener Bewohner der Hauptstadt Skopje. Wie einsame Planeten, deren Umlaufbahnen sich von Zeit zu Zeit kreuzen, treffen die allesamt exzentrischen Figuren im Grossstadtleben zufällig aufeinander und verlieren sich wieder aus den Augen. Der Film ist voller Witz und urwüchsiger Poesie: Auf dem Höhepunkt der Handlung lernt eine Toilettenschüssel das Sprechen; erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive einer Fliege.

Im Mittelpunkt des Films stehen drei Faulenzer, die in einer Videothek arbeiten und den ganzen Tag damit verbringen, über verrückte Geschäftsideen, Panini-Bildchen, Pornos und David Lynch zu philosophieren. Junge Menschen ohne Perspektive, die trotz allem versuchen, dem Leben einen Sinn abzuringen und sich die Hoffnung nicht nehmen lassen. «Es sind vor allem solche liebenswerten Charaktere, die meine Heimat ausmachen», sagt Sulejmanoski. «Wenn die Konflikte und Kriege der Vergangenheit das geflossene Blut des Balkans sind, dann sind solche Menschen der Honig.»

Filmperlen vom Balkan

Das Fiff widmet sich diese Woche mit zehn Langfilmen und einem Kurzfilmprogramm Nordmazedonien. Das Land blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Bis 1991 gehörte es zu Jugoslawien. Seit der Unabhängigkeit spalten immer wieder ethnische Konflikte das Zusammenleben der rund 1,8 Millionen Einwohner, zu denen Mazedonier, Albaner, Roma und Bosniaken gehören. Zuletzt kam es 2001 zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, bei denen Dutzende Zivilisten getötet und rund 17’000 Menschen vertrieben wurden. 2019 änderte das Land seinen Namen von Mazedonien in Nordmazedonien, um Konflikte mit der gleichnamigen griechischen Region zu beenden. Wirtschaftlich leidet das Land unter hoher Arbeitslosigkeit und schwacher Infrastruktur. «Man kann es nicht schönreden: Das Land ist arm», sagt Samet Sulejmanoski, der die Fiff-Sektion kuratiert hat. «Das liegt auch daran, dass unser Land den grossen Unternehmen zu unwichtig ist. Meines Wissens gibt es in ganz Nordmazedonien zum Beispiel nur eine Filiale von McDonald’s.» Die Geschichte des Landes und des Balkans wird in Filmen wie «Balkan Is Not Dead» oder «Before the Rain» thematisiert. Letzterer wurde als erster Film nach der Unabhängigkeit Nordmazedoniens im Land produziert und für einen Oscar nominiert. Einen guten Überblick bietet das Kurzfilmprogramm. lr

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