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Die abstrakte Linie ganz konkret

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Die abstrakte Linie ganz konkret

Autor: angelica Tschachtli

Man stelle sich vor: Eine grosse Tafel mit drei kaum sichtbaren, übereinander liegenden Linien, die viele Leute anzieht, die sie als Kunstwerk bewundern. Minimal Art? Aber doch sicher moderne Kunst?

Das fast leere Bild sei berühmter gewesen als jedes andere Kunstwerk. Das berichtet nicht ein Kunstkritiker aus dem 21. Jahrhundert, sondern ist eine Legende aus der Feder des Römers Plinius dem Älteren (1. Jh. n. Chr.). Die drei Linien waren Pinselstriche der zwei berühmtesten Künstler ihrer Zeit, Apelles und Protogenes. Sie wetteiferten darum, wer die feinere Linie ziehen könne und damit der bessere Künstler sei. Die erste zog Apelles auf eine Tafel im Atelier von Protogenes, der gerade abwesend war. Zurück in der Werkstatt, sah dieser sofort, dass es Apelles war, der ihn besuchen wollte. Er erkannte ihn an seinem Strich. Protogenes schaffte es, mit einer anderen Farbe eine noch feinere Linie in die erste zu ziehen. Als Apelles nochmals vorbeikam – Protogenes war wieder nicht da – überzog Apelles mit einer dritten Farbe die Linien so, dass kein Platz mehr war für eine noch feinere, erzählt Plinius. Protogenes gab sich geschlagen.

Zwei Aspekte der Linie

Die Linie in der Legende des Plinius verrät die Hand des Künstlers, sie ist die Spur seiner Bewegung. Die Linie als Umriss ist eine zweite Konzeption, in der Plinius den Ursprung der Kunst sah: Einer Legende nach musste die Tochter eines Töpfers ihren Geliebten in die Fremde ziehen lassen. Zur Erinnerung an ihn umfuhr sie an der Wand den Schatten seines Gesichts. Diese Silhouette füllte ihr Vater mit Erde und brannte daraus ein Relief. «Diese zwei Aspekte der Linie – als Umriss und als Bewegungsspur – zeigen sich in der Kunst immer wieder», betont Matthias Haldemann, Direktor des Kunsthauses Zug, in einer Führung.

Der Linie als Grundelement der Kunst wird derzeit in Zug nachgespürt. In acht Kapiteln der Kunstgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart wird diese Perspektive mit rund 200 Werken von fast so vielen Künstlern veranschaulicht; neben Zeichnungen und Gemälden sind auch Stiche, Bücher und Skulpturen zu sehen. In allen Räumen finden die Besuchenden einführende Informationen zum Kontext der ausgestellten Werke.

Vermessung der Welt in der Renaissance

Besonders in der Renaissance rangen Künstler und Wissenschaftler darum, die Welt und den Menschen zu vermessen und in Linien darzustellen. Die Entwicklung der Zentralperspektive erlaubte, jeden beliebigen Körper täuschend echt festzuhalten und prägte so unsere Sehgewohnheiten bis heute. Ein Highlight ist eine Zeichnung Raffaels, die von einem Budapester Museum ausgeliehen werden konnte. Sie zeigt, was in Italien um 1500 eine gute Zeichnung ausmachte: Zarte Linien umreissen die weibliche Figur, das Volumen wird angetönt mit feinen Schraffuren aus parallelen Linien. Raffaels disegno galt als hervorragend. Mit diesem Begriff bezeichnete man nicht nur die Zeichnung und die technischen Fähigkeiten des Künstlers, sondern auch seinen mentalen Entwurf, die Voraussetzung jeder künstlerischen Tätigkeit.

Die gekrümmte Linie als Abbild des geraden Meters

Im gleichen Saal findet sich «3 Stoppages-étalon» von Marcel Duchamp. Matthias Haldemann sieht in ihm «ein Scharnierwerk zwischen der älteren und modernen Kunst». Duchamp liess 1913 drei Fäden, je ein Meter lang, aus der Höhe von einem Meter auf ein Brett fallen, wo er sie mit Firnis fixierte. Diese drei nun geschwungenen Linien bilden den Kern des Kunstwerks. Der Künstler bezeichnete sein Werk auch als «Witz über den Meter». Seine Kritik ist radikal. Duchamp stellt die Konventionen des Messens in Frage und damit das euklidische Weltbild und den traditionellen Kunstbegriff. Der Zufall prägt das Experiment und über die Form des Fadens auch das Kunstwerk selbst.

Eine Enfilade von Räumen mit Zeichnungen von Degas, Cézanne und Rodin mündet in die Thematik der «befreiten Linie» des Jugendstils. Die schwungvollen Linien der floralen Motive gingen auch in die Gestaltung von Alltagsgegenständen ein; ein Stuhl und eine Lampe von Josef Hoffmann zeigen dies.

Eine klingende Linie

Wer den Blick von den Museumswänden löst und etwas anhebt, entdeckt über seinem Kopf eine lange Drahtlinie, die mehrere Räume durchzieht und deren Schwingungen bedrohliche Klänge erzeugt. Alvin Luciers elektronisches Monochord (siehe auch Kasten) von 1977 ist neu für das Kunsthaus installiert worden.

Ein grosser Teil der Ausstellung widmet sich der Linie in der abstrakten Kunst mit Werken von Paul Klee, Piet Mondrian, Kandinsky und Henri Matisse sowie surrealistischen Werken. Dies führt zur «Liniengeste» im obersten Stockwerk, veranschaulicht durch ein frühes Drip-Painting von Jackson Pollock, der dieses Verfahren in den 1940er-Jahren entwickelte. Er legte eine grosse Leinwand auf den Boden und liess von Holzstäben, die er heftig über der Leinwand bewegte, Farbe hinuntertropfen. So entstand ein dichtes Liniengeflecht. Nicht die Hand des Künstlers war jetzt allein entscheidend, es waren die Bewegungen seines ganzen Körpers, die das Bild entstehen liessen. Die Idee der Linie als Spur der Bewegung, wie sie Plinius angedacht hatte, kam hier voll zum Tragen.

Spiel mit der Wahrnehmung

Für den Schluss aufsparen sollte man sich unbedingt eine Skulptur von Markus Raetz, die das Ausstellungsprogramm «vom Umriss zur Aktion» verkörpert. Allerdings muss man sich dazu an das Museumspersonal wenden, das die beiden zylinderförmigen Körper aus Gusseisen mit weissen Handschuhen in Bewegung versetzt. So viel sei verraten: der Zwischenraum ist das Geheimnis.

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