Die Raupe aus der blauen Kiste
Ein Leseförderungsprojekt soll allen Kindern den Zugang zu Büchern ermöglichen
Schon seit einigen Jahren reisen Bücherraupen quer durch die Schweiz. Die Raupen sind ein Leseförderungsprojekt des Schweizerischen Instituts für Kinder- und Jugendmedien. Am Dienstag wurde in Freiburg das jüngste Raupenkind auf die Reise geschickt.
Von CAROLE SCHNEUWLY
Die blaue Kiste, die an einer Wand des Kellerpoche steht, ist eigentlich ziemlich unscheinbar. Dennoch zieht sie die Aufmerksamkeit der Kindergärtler aus dem Gambach magisch an, sobald diese den Raum betreten. Ob sie sich da drin befindet, die geheimnisvolle Bücherraupe, die sie heute als erste Kinder in der Schweiz entdecken dürfen?
Bis das Rätsel gelöst wird, müssen sich die Kinder noch ein bisschen gedulden. Zuerst will eine Vertreterin des Schweizerischen Instituts für Kinder- und Jugendmedien (SIKJM) ein paar Worte an die Anwesenden richten. Barbara Jakob Mensch erklärt, was es mit dem Projekt auf sich hat: Die Idee sei Mitte der Neunzigerjahre unter Kindergärtnerinnen entstanden, die nach Wegen gesucht hätten, Bücher allen Kindern und allen Klassen zugänglich zu machen. Seit einigen Jahren nun seien beim SIKJM verschiedene Bücherraupen erhältlich – Raupen in Kisten wie jener blauen an der Kellerpoche-Wand.
Den Bauch voller Geschichten
Der Bauch der Raupe sei voller Bücher und Geschichten. «Es ist an der Zeit, dass sie nicht mehr in der Kiste hocken muss und endlich auf die Reise darf», so Barbara Jakob Mensch zu den Kindern. Bevor diese aber endlich die blaue Kiste öffnen und die Raupe befreien dürfen, erwartet sie noch ein anderer Leckerbissen.
Die Puppenspielerin und Geschichtenerzählerin Susi Fux-Löpfe hat drei Märchen aus aller Welt mitgebracht, die sie den gebannten Kindern vorführt. Ein Eskimomärchen erzählt von der Mutter, die ihr Kind «so lange gern haben wird, wie die Sonne scheint, die Sterne glänzen und der Mond leuchtet». Eine indianische Geschichte handelt von einem Vögelchen, dem furchtbar kalt ist, weil es keine Federn hat, und das am Ende ein ganz neues Federkleid bekommt, weil ihm alle anderen Vögel eine ihrer Federn geschenkt haben. In einer Erzählung aus Afrika schliesslich geht es um eine kleine Raupe, die auch dem stärksten Löwen und dem grössten Elefanten eine Heidenangst einjagt, indem sie sich als heldenhaften Kriegersohn ausgibt.
Vier Wochen lang im Klassenzimmer
Die Märchen sind nicht zufällig ausgewählt, sondern passen zur neuen Bücherraupe: In allen 30 Bilderbüchern, die sich in der gelb-grauen Raupe verbergen, geht es um das Thema «Gross – Klein». Die Kindergärtler dürfen die Raupe eigenhändig aus ihrer Kiste befreien, um dann die Bücher in ihrem Bauch zu entdecken.
Weil die Zeit nur für ein paar erste Blicke reicht, darf die Klasse die Raupe anschliessend mit ins Klassenzimmer nehmen, wo sie vier Wochen lang bleiben wird. Danach reist sie weiter nach Jaun, Giffers und Laupen.
Das Projekt Bücherraupe
Die Bücherraupe ist eines von mehreren Leseförderungsprojekten des SIKJM. Eine Raupe besteht aus 30 mit Klettverschlüssen verbundenen Stoffbeuteln, von denen jeder ein Bilder- oder Sachbilderbuch zu einem gemeinsamen Thema enthält. Bisher gibt es Raupen zu den Themen «Wald», «Wasser», «Freundschaft», «Sonne, Mond und Sterne», «Einschulung» und «Gross – Klein»; demnächst kommt eine weitere zum Thema «Multikulti» dazu.
Das Projekt richte sich an Kindergärtler und Erstklässler und wolle den Kindern möglichst früh einen Zugang zur Welt der Bücher ermöglichen, erklärt Silvia Kaeser, Co-Präsidentin der SIKJM-Sektion Bern/Deutschfreiburg. Der Verleih der Raupen durch das SIKJM ist gratis. Bis anhin wurde er ausschliesslich aus Zürich organisiert. Künftig sollen die einzelnen Sektionen eigene Bücherraupen bestellen können. Die Sektion Bern/Deutschfreiburg hat die Anschaffung einer Raupe zum Thema «Wald» geplant, die ihre Reise demnächst antreten soll; zuerst im Raum Bern, ab Sommer auch in Deutschfreiburg. cs
Interessierte Lehrpersonen können sich melden bei den Co-Präsidentinnen von Kinder- und Jugendmedien Bern/Deutschfreiburg: Silvia Kaeser, 026 493 25 77, silvia.kaeser@rega-sense.ch, oder Isabel Müller, 031 371 60 04, isabel.mueller@koeniz.ch.
