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«Die Schweiz kann ihre Neutralität neu definieren»

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    In einem sich rasant entwickelnden internationalen Umfeld ringt die Schweiz mit ihrer Identität und damit mit ihrer Neutralität. Zum 1. August haben sich die FN mit Politikwissenschaftler Nicolas Hayoz über das Selbstverständnis der Schweiz unterhalten.

    Angriffskrieg in Europa, aufstrebende Autokratien in der ganzen Welt und eine zunehmende Flut an Missinformationen: Die Welt entwickelt sich gerade in einem rasanten Tempo, und das Schweizer Selbstbild gerät dabei ins Wanken. Muss sich das Selbstverständnis des Landes inmitten internationaler Krisen ändern? Das wollten die FN vom Politikwissenschaftler der Universität Freiburg, Nicolas Hayoz, wissen.

    Nicolas Hayoz, ist die Schweizer Neutralität, wie wir sie in den vergangenen Jahrzehnten gelebt haben, noch zeitgemäss?

    Dazu gibt es natürlich unterschiedliche Meinungen. Aus meiner Sicht ist die Schweizer Neutralität, so wie sie bis jetzt gehandhabt worden ist, nicht mehr zeitgemäss. Wir leben heute in einem Umfeld, in dem, meiner Meinung nach, die klassische Position der neutralen Schweiz überholt ist. In Europa gibt es viele Staaten, die nicht mehr unsere Werte teilen. Und nun haben wir zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg in Europa einen Angriffskrieg. Da macht es keinen Sinn, nicht Position zu beziehen und Farbe zu bekennen.

    Schweizerinnen und Schweizer finden die Neutralität allerdings nach wie vor wichtig, wie auch jüngste Umfragen wieder zeigen.

    Ich plädiere auch nicht dafür, die Neutralität abzuschaffen. Man könnte den Begriff aber neu und zeitgemässer interpretieren – ein flexibleres Konzept konstruieren: Eine kooperative Neutralität, welche die Identität der Schweiz nicht leugnet, jedoch Hand bietet für internationale Unterstützung in einer Extremsituation, wie wir sie gerade in Europa erleben. Viele Schweizerinnen und Schweizer sind da jedoch nicht flexibel und möchten an einem fundamentalistischen Begriff der Neutralität festhalten. Das finde ich schade.

    Wie könnte eine solche – nennen wir sie kooperative – Neutralität konkret aussehen?

    Man könnte zum Beispiel sagen, dass man weiterhin nicht militärisch in ausländische Konflikte eingreift, dass man aber bereit ist, einen souveränen Staat zu unterstützen, wenn er angegriffen wird – zum Beispiel indem man Waffenlieferungen über Drittländer erlaubt. Die Schweiz wird ja momentan für ihre Passivität bei der Unterstützung der Ukraine international kritisiert. Das Ansehen unseres Landes wird dadurch nicht unbedingt besser, und der Druck steigt. Ich kann durchaus verstehen, dass im Ausland nicht verstanden wird, warum wir uns nicht mehr engagieren. Man darf sich auch nicht einreden, dass die Schweiz immer zu hundert Prozent neutral war. Im Kalten Krieg zum Beispiel war die Schweiz auf der Seite des Westens, weil man sich mit den europäischen Nachbarn arrangieren musste.

    Nicolas Hayoz spricht über die Rolle der Schweiz.
    Bild David Unternährer

    Ist es für ein kleines Land wie die Schweiz nicht auch riskant, wenn man sich exponiert und klar Stellung bezieht?

    Darüber muss man sicher nachdenken, ja. Für ein kleines, militärisch eher schwaches Land ist es keine schlechte Taktik, neutral zu sein. Man muss sich als Schweizerin oder Schweizer einfach auch im Klaren darüber sein, dass wir seit Jahrzehnten davon profitieren, dass andere Länder für uns die westliche Freiheit verteidigen. Einige Menschen würden das als Trittbrettfahren bezeichnen.

    Man könnte sich wahrscheinlich aktiver engagieren, ohne die Neutralität komplett aufzugeben.

    Ein Land muss seine Position immer wieder hinterfragen und anpassen, denn die Zeiten ändern sich.

    Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht der Schweizer Finanzplatz bei der Diskussion um die Neutralität?

    Ihn darf man sicher nicht unterschätzen. Für gewisse Leute ist die Neutralität bestimmt auch ein Deckmantel für reine Geschäftsinteressen. Es wird im Ausland nicht verstanden, dass immer noch Milliarden russische Gelder auf Schweizer Konten liegen. Die Schweiz, wie auch Deutschland, hat lange das Konzept «Wandel durch Handel» verfolgt. Das heisst: eine Annäherungspolitik durch Geschäftsbeziehungen mit ehemals verfeindeten – oder zumindest wertfremden – Staaten. Die Frage ist halt einfach, wie man solche Geschäftspraktiken legitimieren will. Muss es denn sein, dass die Schweiz, wie bei den jüdischen Vermögen, nur unter Druck handelt? Aber noch einmal: Ich plädiere nicht dafür, das ganze Konzept der Neutralität über Bord zu werfen. Die Schweiz muss ihre Position einfach gut reflektieren.

    Was macht für Sie die Identität der Schweiz aus?

    Solidarität, Rechtsstaatlichkeit und die Freiheit, selber über sein Schicksal bestimmen zu können. Unsere Demokratie ist ein wertvolles Gut, welches wir verteidigen müssen. Es ist entscheidend, dass wir dabei weiterhin gewisse Grundwerte teilen in der Bevölkerung und dass die Polarisierung nicht zu weit fortschreitet. Auch unsere Demokratie kann geschwächt werden, wenn wir nicht auf sie aufpassen.

    Zur Person

    Nicolas Hayoz

    Nicolas Hayoz ist seit 1998 Professor für Politikwissenschaft im Departement für Europastudien und Slawistik an der Universität Freiburg und am interfakultären Osteuropa-Institut. Er hat in Freiburg Recht studiert und in Genf seinen Doktor in der Politikwissenschaft gemacht. Seine Spezialgebiete heute sind die Politik und staatliche Reformen in der früheren Sowjetunion und in Russland sowie die politischen Veränderungen in Osteuropa. fca

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