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Dreisprachig?

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Dreisprachig?

Am Rande sprach- und schulpolitischer Diskussionen ist immer wieder mal zu hören, dass Hochdeutsch für die Deutschschweizer Schüler bereits eine – nein: die erste Fremdsprache darstelle. Was gerne als Grund dafür herhalten muss, dass weitere Sprachen den Kindern nur sehr dosiert zugemutet werden dürfen – und wenn, dann zuerst mal Englisch. Wenn wir vorübergehend annehmen wollen, dass Standarddeutsch tatsächlich eine Fremdsprache ist, dann wäre eine Folgerung aus dieser Behauptung, dass die hiesigen Deutschschweizer Bilingues ja nun eigentlich dreisprachig wären.

Neulich fiel mir diese Behauptung mit der Dreisprachigkeit wieder ein. Vorerst an einem Kiosk in Freiburg: Eine Dame – dem deutlichen Akzent nach aus einem Gebiet nördlich der innerdeutschen Weisswurstgrenze – versucht auf Französisch ein ihr namentlich nicht genau bekanntes Magazin zu kaufen. Sie macht kaum Fehler und spricht fliessend, aber etwas umständlich und weitschweifig. Die Frau hinter Zeitungen und Kaugummis wiederum spricht französisch ohne Fehler, auch fliessend und mit deutlichem Sensler Einschlag. Das Gespräch zieht sich hin. Da mein Zug bald fährt und ich noch eine Zeitung brauche, drängt sich die Frage auf, ob die beiden nicht merken, dass sie sich in Hochdeutsch und Schweizerhochdeutsch als zwei mehr oder weniger ähnlichen Sprachen schneller einigen könnten. Ist die zeitaufwendige Diskussion am Kiosk etwa Bestandteil eines selbstauferlegten Programms zum Erweitern der Französischkenntnisse und mit der Kioskverkäuferin abgesprochen? Was ja ein löbliches Unterfangen wäre, aber mein Zug … Oder ist es eher so, dass die Frau am Kiosk im Gegensatz zu ihrer Kundin durchaus merkt, dass auf Hochdeutsch eine zeitsparende Kommunikation theoretisch zwar möglich wäre, sie aber gerade diese – die angeblich erste – Fremdsprache vermeidet?
Szenenwechsel, Stunden später: Ein Herr fragt jemanden in meiner Nähe in perfektem Hochdeutsch aber mit sehr französischem Akzent nach einer Adresse. Worauf dieser bedauernd, wortreich und in mutmasslich baslerisch eingefärbtem Französisch seine Unkenntnis kundtut. Der Herr wendet sich an die nächste Person, diese kennt die Adresse und teilt den Weg dorthin in breitem Berndeutsch mit.
Wie war das nun mit der ersten Fremdsprache und der Dreisprachigkeit? Die drei Begebenheiten sind kein statistischer Beleg, ganz offensichtlich zieht aber ein Teil der deutschsprachigen Schweizer auch im Kontakt mit Romands ihren Dialekt oder Französisch einem (Schweizer-)Hochdeutsch mit Akzent vor. Es gibt viele Beispiele und Begründungen zur Vermeidung von Standarddeutsch in allen Lebenslagen – bis hin zu den Wetterprognosen. Die Standardsprache scheint Terrain zu verlieren, sogar wenn die Situation – siehe oben – ihre Benutzung eigentlich nahe legen würde.
Zwar findet in den Schulen der Romandie ein Unterricht in Standarddeutsch statt, die alltäglichen Anwendungsmöglichkeiten für Romands erscheinen im Kontakt mit Deutschschweizern aber mangels eines sprechwilligen Gegenübers sehr beschränkt und werden vielleicht zusehends seltener. Entweder schalten deutschsprachige Gesprächspartner schnell auf Französisch um, oder sie verbleiben wie selbstverständlich im Schweizerdeutschen. Was im ersten Fall noch zuvorkommend gemeint sein mag, erscheint im zweiten eher rüpelhaft – gewisse höchstalemannische Ausdruckweisen sind für Uneingeweihte doch etwas hermetisch. Die dann und wann gehörte Klage, dass sich Zweisprachigkeit vor allem auf den deutschsprachigen Teil der hiesigen Bewohner beschränke, steht vor diesem Hintergrund etwas schief in der Landschaft. Ob Standarddeutsch nun tatsächlich eine Fremdsprache ist oder nicht, von einer Dreisprachigkeit ist im Alltag jedenfalls wenig zu hören.

Wie ich meine Zeitung bestellte? Na, auf Französisch, ich war ja in Eile.

*Boris Boller ist im Thurgau geboren, besuchte die Schulen in Bern und lebt heute in Freiburg. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem französischsprachigen Lehrstuhl der Universität und wechselt zwischen den Sprachgemeinschaften hin und her. Boris Boller ist Mitglied einer FN-Autoren-Gruppe, die im Monatsrhythmus frei gewählte Themen zur Zweisprachigkeit bearbeitet. Der Inhalt braucht sich nicht zwingend mit der Meinung der Redaktion zu decken.

Von BORIS BOLLER*

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