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Ein Leben im falschen Körper

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Nico Sedonati hiess nicht immer so. Bei seiner Geburt gaben ihm seine Eltern den Namen Natascha, und sein Geschlecht war weiblich. Vor über eineinhalb Jahren hat er beides vor Gericht offiziell ändern lassen. Mit den FN spricht der 47-Jährige über seinen Weg bis dahin und wie es nun weitergeht.

Was Nico Sedonati schon immer machen wollte, war im Sommer oben ohne Rasen mähen. Ganz einfach. Frei. Mit dem nackten Oberkörper, von den warmen Sonnenstrahlen gewärmt den Rasen mähen.

Vergangenen Sommer ging dieser Wunsch in Erfüllung.

Das atypische Mädchen

Nico Sedonati kam am 26. August 1975 auf die Welt. «Alle haben immer gesagt, es wird ein Junge werden», sagt Sedonati im Gespräch mit den FN. So haben die Eltern von Sedonati auch Kleider und Spielsachen für einen Jungen eingekauft. Am Tag der Geburt dann die grosse Überraschung: kein Junge, sondern ein Mädchen – Natascha Ramona Sedonati.

Der heute 47-Jährige wuchs in Muntelier auf und wurde zweisprachig erzogen. Französisch zu Hause und Deutsch in der Schule. Er fühlte sich schon immer mehr wie ein Junge und war nicht das typische Mädchen. Lange Haare, Röcke, Puppen zum Spielen und Schminkzeug waren nichts für ihn. «Ich hatte immer eher typisch männliche Kleider an, spielte Fussball, konnte mehr mit Jungs als mit Mädchen anfangen und gab mich generell als Junge», sagt er. «Ich erzählte schon früh, dass ich heirate und Kinder haben möchte, und für mich war ganz klar gewesen, dass ich in der Familie der Papa sein werde. Ich war nie darauf eingestellt, Mama zu werden.» Seit früher Kindheit glaubte er zudem, dass sein Penis irgendwann noch nachwachsen wird.

Sedonati packt ein dunkelbraunes Fotoalbum hervor. Ein Blick darin zeigt auf vielen Fotos einen Jugendlichen in Hosen, Polohemden und kurzen Haaren: «Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, dass ich ein Junge war.» Fotos von ihm in Röcken, Kleidern und mit langen Haaren, die ihn als das Mädchen zeigen, das er war, gibt es kaum welche. «Meine Mutter hat mich früher schon eher wie ein Mädchen angezogen, aber als ich dann selbst entscheiden konnte, sah mein Kleidungsstil ganz anders aus», sagt er und zeigt auf die Fotos.

Zwitter genannt

In der Familie wurde Sedonati so akzeptiert, wie er war. Niemand versuchte, ihn zu ändern. «Es war für alle klar, dass ich ein Mädchen bin, das lieber typische Jungssachen macht.» Seine Schulkolleginnen und -kollegen waren da nicht immer so tolerant. Das atypische Aussehen und Verhalten fielen auf: «Kinder kennen keinen Filter. Sie haben mich oftmals als Zwitter betitelt, ohne eigentlich zu wissen, was das genau ist. Das war verletzend.»

Keine Eierstöcke dafür Hoden

Während der Primarschulzeit kämpfte Sedonati regelmässig mit starken Bauchschmerzen. Die Ärzte wussten nicht recht wieso. «Einerseits meinten sie, das sei psychisch, weil meine Mutter eben verstorben war. Andererseits glaubten sie, es läge an der Ernährung.» Eine Ernährungsumstellung half jedoch nicht. «Als ich älter wurde, glaubten die Ärzte, dass ich bald meine Periode kriegen würde und dass das meine Bauchschmerzen verursache.» Die Periode kam nicht, die Schmerzen immer wieder, und die Ärzte hatten keine Lösung.

Als er als Jugendlicher ein weiteres Mal zum Arzt ging, untersuchte dieser seinen Hormonspiegel. Sedonati hatte mehr Testosteron als Östrogen in seinem Körper. «Das erklärte unter anderem, weshalb ich viel mehr Körperbehaarung hatte als andere Mädchen in meinem Alter.» Bei einer Ultraschalluntersuchung fanden die Ärzte heraus, dass Sedonati keine Eierstöcke hat. Ausserdem entdeckten sie in seinem Bauchraum Hoden. «Das erklärte meine Bauchschmerzen und wieso ich nie meine Periode gekriegt habe.»

Irgendwie dazugehören

Die Hoden hat sich Sedonati nicht sofort rausoperiert, sondern einige Jahre gewartet. «Das hatte auch psychologische Gründe. Ich war noch sehr jung und habe nicht alles verstanden, was da vor sich ging. Das hätte vieles für mich durcheinandergebracht. Mein Vater und meine Grossmutter wollten mich Kind sein lassen.»

Die Ärzte haben ihm jedoch Östrogen gegeben, um seinen Hormonspiegel wieder auszugleichen – damit er zu einem «richtigen» Mädchen heranwachsen kann. Der Effekt: Sedonatis Brüste wuchsen, die Körperbehaarung ging zurück, seine Gesichtszüge wurden sanfter – er wurde weiblicher. «Eigentlich wollte ich das nicht, aber ich wollte auch einfach nur dazugehören.» Sedonati wollte so sehr dazugehören, dass er sogar Binden trug wie alle anderen Mädchen – obwohl er seine Periode nie bekommen würde. «In meinem Kopf war ich immer ein Bub, das war mir klar. Aber gegen aussen konnte ich das damals nie komplett ausleben und zeigen.»

Definition

Wenn das Geschlecht nicht passt

«Intergeschlechtliche Menschen werden mit Geschlechtsmerkmalen geboren, welche gleichzeitig weiblich und männlich, nicht ganz weiblich oder männlich oder weder weiblich noch männlich sind», schreibt der Verein für intergeschlechtliche Menschen, Interaction, auf seiner Webseite. Intergeschlechtlichkeit beziehe sich auf ein breites Spektrum der Geschlechtsmerkmale und habe unterschiedliche Formen. Es habe nichts mit der Geschlechtsidentität (Frau, Mann, nicht binär) eines Menschen zu tun. Laut dem Verein trete Intergeschlechtlichkeit in ein bis zwei von 100 Geburten auf. 

«Von trans spricht man, wenn das innere Wissen einer Person, welches Geschlecht sie hat, nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt», schreibt das Transgender Network Switzerland auf seiner Webseite. Eine Transfrau, ist eine Frau, die bei ihrer Geburt als Junge eingeordnet wurde, und ein Transmann ist ein Mann, der als Mädchen eingeordnet wurde. Die Begriffe Transgender und Transidentität werden ebenfalls häufig verwendet. Der ältere Begriff Transsexualität wird weniger häufig benutzt. Ab den 1950er-Jahren war Transsexualität als Krankheit definiert, weshalb der Begriff als diskriminierend angesehen wird. Wie viele Transmenschen es in der Schweiz gibt, sei laut dem Transgender Network Switzerland nicht genau zu beziffern. km

Nicht homosexuell

Mit 16 Jahren sagte Sedonati seiner Grossmutter und seinem Vater, dass er auf Frauen stehe. Sie hätten es gut aufgenommen: «Für sie war ich lesbisch. Ich empfand das aber eigentlich gar nicht so. In meinen Augen war ich ein Junge, der auf Frauen steht – also heterosexuell.»

Als junger Erwachsener hatte er mehrere Beziehungen mit lesbischen Frauen. Es habe jedoch nie funktioniert. «Ihr Geschlecht hat zwar gepasst, aber sie sahen mich als Frau. Zudem waren sie für mich zu männlich. Das hat nicht gestimmt», sagt Sedonati.

Seine jetzige Partnerin ist da anders. Kennen gelernt haben sich die beiden bereits vor fast dreissig Jahren, als Sedonati seine Banklehre absolvierte und seine Partnerin dort die Lernenden betreute. «Für mich war es Liebe auf den ersten Blick. Ich wusste, dass sie die Frau meines Lebens ist», sagt Sedonati. Für seine Partnerin nicht: «Für mich war Nico, damals noch Natascha, eine Lehrtochter, die ich sehr gern hatte, aber nicht mehr.» Nach seiner Banklehre trennten sich ihre Wege. Zehn Jahre später kamen sie sich wieder näher – zuerst als Freunde. «Die Gefühle sind dann mit der Zeit, je mehr wir gemeinsam unternommen hatten, stärker geworden. Ich war mir zuerst nicht sicher gewesen», sagt seine Partnerin. Sie sei zurückhaltend gewesen, als es darum ging, eine Beziehung einzugehen. Der Altersunterschied von fast 20 Jahren und das Geschlecht von Nico Sedonati beschäftigten sie. Denn zuvor sei sie nur in heterosexuellen Beziehungen gewesen. «Ich habe mich schliesslich in die Person verliebt, unabhängig vom Geschlecht.»

Keine Angleichung

Mit Anfang 20 mussten Sedonati die Hoden entfernt werden, da einer mit Tumoren bestückt war. «Irgendwann musste man sie sowieso rausoperieren. Schliesslich ist das ein Fremdkörper. In den schlimmsten Fällen können diese Tumore bösartig werden und zu Hodenkrebs führen.»

Mit der Option, seinen Personenstand zu ändern, habe er sich zeitgleich auch auseinandergesetzt. «Damals war es aber so, dass man eine operative Angleichung der Geschlechtsorgane vornehmen musste, wenn man sein Geschlecht und seinen Namen auf Papier ändern wollte», sagt Sedonati. Das sei ihm nicht geheuer gewesen. Von zu vielen negativen Folgen der Operationen hatte er gehört, die ihn verunsicherten, und sich deswegen dagegen entschieden. «Ich stellte mir die Frage, ob ich wirklich bereit bin, meine Gesundheit dafür aufs Spiel zu setzen – zu welchem Preis? Für einen Penis?»

Wegen einer Erkrankung musste er die Östrogen-Behandlung, die er als Kind begonnen hatte, zeitweilig unterbrechen. «Das hatte Folgen: Ich bekam wieder mehr Haare und männliche Attribute, wie zuvor. Ich war männlich in einem eher weiblichen Körper gefangen. Das war eigenartig.» Dies bedeutete auch, dass eine Hormonbehandlung und damit die Option, sein Geschlecht zu wechseln, vom Tisch war.

Der Gang zur Toilette

Für Sedonati war es das Normalste gewesen, das Männer-WC aufzusuchen. «Das fühlte sich richtig an für mich. Ich sah auch aus, wie ein Mann: kurze Haare, typisch männliche Kleidung und eine männliche Art.» Da habe er nie Probleme gehabt. So ersparte er sich unangenehme Situationen auf den Frauen-WC, wenn er dort aufgrund seines Äusseren darauf hingewiesen wurde, dass er sich bei der Tür vertan habe. Wenn Sedonati jedoch mit Kolleginnen unterwegs war, ging er aufs Frauen-WC. Da kassierte er ab und zu einige Blicke. «Ich habe dann immer versucht, gleichzeitig mit den anderen Frauen hereinzulaufen und dabei zu sprechen, damit die anderen anhand meiner Stimme erkannten, dass ich dieses WC benutzen darf.» Kommentare musste er sich trotzdem anhören: «Meine Begleiterinnen waren oftmals erstaunt und schockiert ab der Reaktion der anderen. Sie haben nie geglaubt, wie schwierig, oder verletzend dies sein kann.»

Der Plan

Sedonati legte das Thema geschlechtliche Identität erst mal zur Seite und konzentrierte sich auf seine Karriere. Er hatte einen Plan für sein Leben gemacht: Zuerst Karriere machen und danach, mit 50 Jahren, mit einer neuen Arbeit zu seinem Wohnort Muntelier zurückkehren, dort einen neuen Lebensabschnitt beginnen und sich mit sich selbst auseinandersetzen.

Mehrere Jahre arbeitete er bei einer Bank in Bern und in Biel. Mit Anfang 40 trennte er sich von seinem damaligen Arbeitgeber. Zur selben Zeit wurde die Stelle als Gemeindeschreiber von Muntelier frei. «Ich war bereits zuvor Gemeinderat von Muntelier, und als ich von der freien Stelle erfahren habe, habe ich mich direkt dafür beworben.» Das hätte zwar bedeutet, dass er früher als geplant zurückkehren würde, der Moment passte jedoch.

Falscher Körper

Als er zwischen der alten und der neuen Stelle war, machte er sich viele Gedanken zu seinem Lebensweg und wie es nun weitergehen soll. Das Gefühl, im falschen Körper zu sein, ging nicht weg, und sein Wunsch, dies zu ändern, wurde stärker. «Ich habe ihn immer dafür bewundert, wie er mit dieser Situation umgegangen ist. Wie er wie ein Mann gewirkt hat, obwohl er als Frau kategorisiert wurde. Das brauchte viel Kraft», sagt seine Partnerin.

Immer wieder habe er sich mit seiner Partnerin über die Möglichkeit unterhalten, seinen Personenstand offiziell ändern zu lassen. «Für mich muss alles stimmen, damit ich etwas mache. Sonst mache ich es gar nicht.» Die Gedanken wurden konkreter, und er beschloss, das Thema bei seinem nächsten Frauenarztbesuch anzusprechen. «Ich habe ihn dabei unterstützt, wo ich konnte», sagt seine Partnerin. Ihr sei es wichtig gewesen, dass er sich wohlfühle in seinem Körper und glücklich mit sich selbst sei.

In der Zwischenzeit hatte er die Stelle als Gemeindeschreiber von Muntelier bekommen und arbeitete nun am selben Ort, wo er lebte. Für ihn ein Traum.

Nico Sedonati.
Aldo Ellena

Und der Name?

Bevor er den Weg des Geschlechterwechsels eingegangen ist, informierte er seine engsten Freunde und einige Familienmitglieder. Bis anhin wusste niemand von seinen Wünschen. Das hatte er für sich behalten. «Sie haben es alle sehr gut aufgenommen und gleich gefragt, wie sie mich nennen sollten.» Sedonati hatte sich mehrere Vornamen überlegt, aber sich noch auf keinen festgelegt. «Ich wusste, dass der Name mit dem Buchstaben N beginnen soll, kurz sein muss und sowohl auf Deutsch, Französisch wie auch auf Italienisch aussprechbar sein soll.» Mehr war noch nicht klar.

Der erste Besuch

Im Juni 2020 besuchte er seine Frauenärztin. Er hat nicht lange gezögert und sein Anliegen direkt angesprochen. «Sie war ein bisschen überrascht, aber sie war sofort mit dabei», sagt Sedonati. Für sie sei es das erste Mal gewesen, dass sie so einen Prozess begleitete.

Mit seiner Frauenärztin besprach er die Brustamputation, die Entfernung der Gebärmutter und das restliche Vorgehen, wenn eine Person ihr Geschlecht und ihren Namen ändern möchte. Dazu gehört ein Gespräch mit einem Psychiater und eine Hormonbehandlung.

Nico Sedonati

Seinen ersten Besuch beim Psychiater hatte Sedonati im September desselben Jahres. «Seine Aufgabe war es, mich durch den gesamten Prozess zu begleiten und die Diagnose Transidentität zu stellen, damit die Krankenkasse für die gesamten Kosten aufkommt.» Er sollte auch ein Empfehlungsschreiben verfassen, welches Sedonati beim Gericht einreichte. Gleich beim ersten Treffen sprach der Psychiater Sedonati als Herr an und eröffnete so sein Dossier. «Er fragte auch direkt nach meinem Vornamen, und da ist es einfach aus mir herausgeplatzt: Nico.» Er habe sich sofort akzeptiert gefühlt von ihm.

Viermal hat sich Sedonati mit dem Psychiater vor seinem Gerichtstermin getroffen. «Ich habe es wirklich geschätzt. Ich wusste zwar, was ich wollte und das schon lange, aber ich war froh, mit jemandem über all das sprechen zu können.» Er habe ihm seinen Körper erklärt und was alles geschehen wird. Das Thema operative Geschlechtsangleichung hat er auch mit seinem Psychiater besprochen. «Ich habe ihm aber gesagt, dass das momentan kein Vorrang hat.»

Geschlechtsumwandlung

Krankenversicherungen übernehmen alle Leistungen

«Die sozialen Krankenversicherer übernehmen grundsätzlich Leistungen im Zusammenhang mit Geschlechtsumwandlungen», schreibt Matthias Müller, Kommunikationsbeauftragter bei Santé Suisse. Darunter gehören Leistungen wie psychologische Therapien, Hormontherapien und auch chirurgische Eingriffe zur Veränderung der primären Geschlechtsmerkmale (Vagina, Hoden und Penis) sowie der sekundären Geschlechtsmerkmale (beispielsweise Stimmbandoperation oder Logopädie, Brüste bei Frauen, Feminisierung des Gesichts oder auch die Laserhaarentfernung). Solche Leistungen seien bereits vor der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes im Jahr 1996 übernommen worden. «Eines der Grundprinzipien der sozialen Grundversicherung ist es, dass allen Versicherten, die in ihrer psychischen, physischen oder geistigen Gesundheit beeinträchtigt sind, die notwendige Behandlung finanziert wird», schreibt Müller. Es gebe jedoch kein Gesetz, welches genau zeigen würde, welche Fälle übernommen werden und welche nicht. «Ein wichtiges Kriterium ist der gefestigte Wille, das Geschlecht tatsächlich ändern zu wollen. Aus Sicht der Krankenversicherung sollte eine diagnostizierte Geschlechtsdysphorie dementsprechend eine gewisse zeitliche Dauer aufweisen.»

Im Jahr 2019 übernahmen die Krankenversicherer die Kosten für 280 geschlechtsangleichende Operationen. km

Bis zur ersten Spritze

Der Psychiater empfahl Sedonati eine Endokrinologin für die Hormonbehandlung. Den ersten Termin mit ihr hatte er im November 2020. Bis er seine erste Hormonspritze erhielt, dauerte es jedoch länger. «Eigentlich sollte das schnell gehen, aber aus irgendeinem Grund bockte meine Krankenkasse.» Er bekam erst im April des folgenden Jahres seine erste Hormonspritze. «Ich kann verstehen, dass man für Arzttermine eine Weile warten muss, aber nicht, dass die Krankenkasse bei dieser Angelegenheit für die Anerkennung meiner Transidentität so lange gebraucht hat.»

Das erste Jahr erhielt er jeden Monat eine Spritze. Mittlerweile ist es nur noch alle drei Monate. Durch die männlichen Hormone wurde seine Stimme tiefer, seine Körperbehaarung verstärkte sich, und sein Körper wurde muskulöser – er erhielt dadurch ein insgesamt eindeutig männliches Aussehen.

Frau oder Herr?

Am 23. Juni 2021 sass Nico Sedonati im Wartezimmer des Gerichts. Hier wurde er noch als Frau begrüsst. Das Gesuch zur Änderung des amtlichen Geschlechts und des Vornamens hatte er bereits Ende April eingereicht.

Nervös sei er nicht gewesen, meint er. «Was will ein Richter darüber entscheiden, ob ich als Mann leben darf oder nicht. Das habe ich mich nur gefragt.» Nach zehn Minuten war es vorbei. 500 Franken kostete ihn dies. «Ich ging als Frau Sedonati rein und kam als Herr Sedonati raus.»

Jetzt ist es offiziell

Zwei Tage später erhielt er die offizielle Bestätigung. Das Papier, das alles besiegelte. «Für mich ist es in diesem Moment offiziell geworden.» Ab diesem Zeitpunkt begann er, überall, wo er konnte, Namen und Geschlecht zu ändern: Bei der Krankenkasse, Zeitungsabonnementen, dem Führerausweis und in den sozialen Medien. 

Seine Arbeitgeber informierte er kurze Zeit danach ebenfalls über seine Geschlechts- und Namensänderung. «Da habe ich auch meine E-Mail-Signatur offiziell geändert und allen, mit denen ich beruflich zu tun habe, eine E-Mail als Information geschickt.» Die Reaktionen seien gut ausgefallen. «Ich bekam viele positive Mails von Menschen, die meinen Mut bewunderten und mir Zuspruch gaben», sagt er. Das habe ihn sehr gefreut und ermutigt.

Falsche Reihenfolge

Was noch fehlte, war die Brustamputation und Gebärmutterentfernung. Eigentlich hätte er diese Operationen vor seinem Gerichtstermin machen wollen. «Ich wollte nicht Nico Sedonati heissen und auf dem Papier ein Mann sein, aber dann trotzdem Brüste haben.» Die Corona-Pandemie machte seinem Plan jedoch einen Strich durch die Rechnung. Alle nicht notwendigen Operationen wurden verschoben, und so hatte Sedonati keine andere Wahl, als die Operationen nach seinem Gerichtstermin durchzuführen.

Befreiendes Gefühl

Seine Gebärmutter hat sich Sedonati am 6. Juli 2021 entfernen lassen. «Sie hat mich zwar nie gestört, aber ich war froh, als sie weg war.» Es sei ein erlösendes Gefühl gewesen. Symbolisch.

Am 10. August 2021 folgte die Brustamputation. Auf diesen Eingriff hatte er sich am meisten gefreut. «Die Brüste sind das Symbol der Weiblichkeit. Ich bin Italiener und hatte dementsprechend auch einen grösseren Vorbau. Die konnte ich nicht immer so gut verstecken. Alles andere an mir sah schon lange vorher männlich aus.» Deshalb konnte er diese Operation kaum abwarten. «Ich hatte schon immer dieses Bild von mir am Rasenmähen in meinem Garten ohne T-Shirt», sagt Sedonati. Das sei sein Ziel gewesen.

Sedonati musste jedoch ein Jahr darauf warten. Die Operation verursachte Komplikationen, er musste zehn Tage im Spital verbringen, und danach hatte er noch fast vier Monate lang rund um die Brust blaue Flecken. Dann war der Sommer auch schon vorbei. Heute sind von der Operation nur noch die Narben übrig geblieben. Sedonati zieht sein T-Shirt hoch: «Sie sind nicht mehr so schlimm, wie sie auch schon waren», sagt er und fährt mit dem Zeigefinger von links nach rechts über die Narbe unter seiner rechten Brust. Dann zückt er sein Handy und zeigt ein Foto, gleich nach der Operation. Die blauen Flecken ziehen sich bis über die Arme. Die Brustwarze musste rekonstruiert werden. «Obwohl es Komplikationen gab, war ich nach der Operation so froh darüber, dass die Brüste endlich weg waren.» Während Sedonati über die Operation spricht, streicht er sich mit den Händen immer wieder über das weisse Hemd. «Ich mache das, seit sie nicht mehr da sind. Das ist wie ein Tick. Ich bestätige mir damit selbst, dass sie tatsächlich weg sind.»

Das mit dem Rasenmähen holte er vergangenen Sommer nach. «Ich habe das richtig zelebriert. Ich habe mich befreit gefühlt.»

Der nächste Schritt

Seit eineinhalb Jahren lebt Sedonati nun auch auf Papier das Leben, das er sich schon immer gewünscht und wonach er sich schon immer gesehnt hat. «Er fühlt sich bestätigt in seinen Gefühlen, die er hat, seit er ein Kind ist», sagt seine Partnerin. Er wolle zeigen, dass er nun ein Mann ist. «Er mäht den Rasen auch bei jeder Gelegenheit ohne T-Shirt», sagt sie und verdreht dabei die Augen. Sedonati lacht: «Das bin einfach ich, darauf habe ich so lange gewartet.»

Alle Eingriffe, die Psychiaterbesuche und Hormonbehandlungen haben ihn insgesamt über 17’000 Franken gekostet. Da die Krankenkasse praktisch alles übernommen hat, musste Sedonati nur rund 1000 Franken zahlen – für administrative Auslagen.

Wird es auch eine operative Angleichung der Geschlechtsorgane geben? «Ich weiss es nicht», sagt Sedonati. Ein Beratungstermin, um sich die Prozedur genauestens erklären zu lassen, verlief nicht so, wie er sich das gewünscht hatte. Weg vom Tisch ist das Thema aber noch nicht. Wenn er einen neuen Arzt findet, würde er dem wieder eine Chance geben. «Ich muss mich einfach dabei wohlfühlen und wirklich sicher sein, dass ich das möchte.»

Zahlen und Fakten

Seit 2022 haben 1171 Personen ihr Geschlecht geändert

Seit dem 1. Januar 2022 können in der Schweiz wohnhafte Personen ihr Geschlecht und ihren Vornamen im Personenstandsregister schnell und einfach ändern, indem sie beim Zivilstandsamt einen entsprechenden Antrag stellen: ohne Gerichtsentscheid, ohne psychiatrisches Gutachten, ohne lange Wartezeiten und ohne mehrere Hundert Franken auszugeben. Nur noch 75 Franken kostet die Erklärung. Für unter 16-Jährige und Personen, die unter umfassender Beistandschaft stehen oder bei denen die Erwachsenenschutzbehörde dies angeordnet hat, ist die Zustimmung der gesetzlichen Vertretung erforderlich. Zuvor waren ein gerichtliches Verfahren und ein psychiatrisches Gutachten nötig, um eine Geschlechtsänderung anzuerkennen.

Laut dem Bundesamt für Statistik haben im vergangenen Jahr 1171 Personen ihr Geschlecht geändert: 616 Einträge wurden von Mann in Frau und 555 von Frau in Mann geändert. Im Kanton Freiburg haben 42 Personen ihr Geschlecht geändert: 28 von Mann zu Frau und 14 von Frau zu Mann. km

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