Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Ein Ueberstorfer beim FC St. Pauli zwischen Kiez, Kommerz und Kult

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

    Der FC St. Pauli hat den unbestreitbaren Nimbus als Kultclub, der über die deutschen Grenzen hinausgeht. Warum das so ist, was das Rotlichtmilieu und Totenköpfe damit zu tun haben, und warum der Aufstieg der Hamburger in die 1. Bundesliga für viel Schadenfreude sorgt, weiss Rolf Höfert. Der 75-Jährige wohnt in Ueberstorf und war 1977 Captain von St. Pauli, als der Verein erstmals in die 1. Bundesliga aufgestiegen ist.

    Am Pfingstmontag war es so weit: Der FC St. Pauli durfte seinen Titelgewinn und den Aufstieg in die 1. Bundesliga offiziell feiern. Vom Hamburger Rathaus aus fuhr die Mannschaft mit offenen Party-Wagen in Richtung Reeperbahn, dem Vergnügungs- und Rotlichtviertel des Hamburger Stadtteils. Begleitet von Tausenden von Fans bahnte sich der Tross seinen Weg zum Spielbudenplatz, wo die Aufstiegshelden vor mehreren zehntausend Menschen die Meisterschale ausgehändigt bekamen. Was danach folgte, war eine feuchtfröhliche und ausgiebige Party bis in die Morgenstunden.

    Es ist beileibe keine Premiere, dass der FC St. Pauli den Sprung in die 1. Bundesliga geschafft hat. Aber der Aufstieg verströmt immer noch einen Hauch von Sensation. Rolf Höfert, der 75-jährige Hamburger, der seit 45 Jahren in Ueberstorf wohnt, war 1977 Captain von St. Pauli, als der Verein erstmals in die 1. Bundesliga aufgestiegen ist.

    Rolf Höfert, war damals die Freude über den Aufstieg auch so gewaltig wie dieses Jahr?

    Wir waren damals auf dem Sofa aufgestiegen. Weil Arminia Bielefeld in der drittletzten Runde gegen den Bonner SC verlor, konnten wir nicht mehr von der Tabellenspitze verdrängt werden. Das ist schon nicht das Gleiche, wie wenn man im Stadion den entscheidenden Sieg holt. Wir Spieler und Trainer haben uns abends in einem gutbürgerlichen Restaurant getroffen und etwas gefeiert. Ende Saison gab es noch die obligatorische Einladung ins Hamburger Rathaus, aber definitiv keine Busfahrt durch die Stadt. Ich weiss noch, wie ich neben dem Bürgermeister stand und er mich fragte, was ein Bundesligaspieler eigentlich so verdiene. Ich antwortete ihm «viel zu wenig». Tatsächlich waren es bloss 40’000 DM plus Prämien pro Jahr.

    Der FC St. Pauli in der Saison 1977/78 mit Captain Rolf Höfert (hinten, 3.v. l.).
    Archivbild: Keystone

    Die grosse Party in der Stadt hat dann aber schon noch stattgefunden?

    Weniger. 1977 kamen etwa 7000 Zuschauer an unsere Spiele, heute sind im Millerntor-Stadion jeweils 28’000 Leute auf den Rängen. Unsere Aufstiegsfeier verlief in entsprechend kleinerem Rahmen. Der eine oder andere Spieler hat die Nacht auf der Reeperbahn durchgefeiert, auf die eine oder andere Art, aber insgesamt ging das sehr gesittet vonstatten. Für uns Spieler war der Aufstieg das Grösste, daneben war die Euphorie aber überschaubar. Es hatte schlicht niemand damit gerechnet, dass wir Meister werden. Es gab keine Aufstiegsprämie in meinem Vertrag, das war nicht vorgesehen.

    Haben Sie noch Kontakt zu St. Pauli und verfolgen seine Spiele?

    Natürlich. Ich schaue mir regelmässig die Spiele im TV an, auch den entscheidenden 3:1-Sieg gegen Osnabrück habe ich mitverfolgt. Und ich pflege auch heute noch gute Beziehungen zu einigen ehemaligen Teamkollegen.

    Einmal St. Pauli, immer St. Pauli…

    Genau. Der FC St. Pauli ist eine Herzensangelegenheit. Ich habe von 1971 bis 1979 dort gespielt und viele schöne Sachen erlebt. Wir waren zum Beispiel die erste Mannschaft in der Regionalliga Nord, der damaligen 2. Bundesliga, die eine Asienreise gemacht hat. 1972 waren wir in Bangkok, Hongkong, Jakarta und spielten gegen die vietnamesische Nationalmannschaft bei 90 Prozent Luftfeuchtigkeit und 60’000 Zuschauern im Kessel. In Hongkong waren die Frauen von uns europäischen Fussballern durchaus angetan, und abends sassen wir in unserem Hotel an der Bar zusammen mit Blacky Fuchsberger, der in der chinesischen Metropole einen Film drehte. Für uns junge Spieler war das Weltklasse, das hat damals kein anderer Regionalligaverein hingekriegt.

    FC St. Pauli hat am Pfingstmontag seinen Aufstieg in die 1. Bundesliga gefeiert.
    Bild: Keystone

    Der FC St. Pauli ist einer der bekanntesten deutschen Fussballvereine und hat viele Anhänger auf der ganzen Welt, obwohl er niemals einen nennenswerten Pokal gewonnen hat. Was fasziniert die Leute am FC St. Pauli?

    Der Verein ist eng mit der Kiezkultur von St. Pauli verbunden. Der Kiez ist das Viertel rund um das Millerntor-Stadion, das für sein buntes Treiben, seine Bars, Clubs und sein Nachtleben berühmt ist. Menschen mit verschiedenen Hintergründen und Lebensstilen kamen bei unseren Spielen zusammen: Politiker, Geschäftsmänner, Frauen aus dem horizontalen Gewerbe, Zuhälter. Das Kult-Image des FC St. Pauli etablierte sich aber erst in den 80er-Jahren mit den Totenkopfflaggen, die mittlerweile längst das inoffizielle Markenzeichen des Clubs sind. Mit dem ganzen Piratenzeugs kam jenes Publikum ins Stadion, das sich als autonom und progressiv verstand und sich gegen Rassismus, Diskriminierung, Kommerz und die Sportindustrie auflehnte. So entstand der Kult um den «sexy Aussenseiter».

    Der «sexy Aussenseiter» hat sich unter anderem den Antikapitalismus auf seine Fahnen geschrieben. Antikapitalismus und das Millionengeschäft der 1. Bundesliga wollen nicht so recht zusammenpassen: Ist das Image des FC St. Pauli heute noch glaubhaft?

    Der Piratenkopf hat in den Jahren sicherlich etwas an Biss verloren. Er ist Teil des Systems geworden, symbolisiert aber weiterhin gewisse Grundwerte wie Antidiskriminierung. Kein Nazi würde sich jemals St. Pauli anschliessen. Ganz konsequent hat der Verein sein rebellisches Image allerdings nie gelebt, er hat es längst erfolgreich vermarktet. Es ist ein ständiger Spagat zwischen wirtschaftlichem Erfolg und der eigenwilligen Kultur, bei dem St. Pauli aber stets authentisch geblieben ist. Auf dem Kiez war und ist eben alles ein bisschen spezieller.

    Totenkopf auf Regenbogenflagge: Das gibts nur beim FC St. Pauli.
    Bild: Keystone

    Haben Sie ein Beispiel dafür?

    Wenn zu meiner Zeit jüngere Spieler zum Beispiel aus Mainz oder Kaiserslautern zum FC St. Pauli gewechselt haben und erstmals über den Kiez gegangen sind, mit all den Lichtern und den Damen am Strassenrand, dann haben die grosse Augen gekriegt. Als Spieler tat man aber gut daran, nicht auf dem Kiez gesehen zu werden. Es gab immer wieder Leute, die auf der Geschäftsstelle des Vereins angerufen und dich verraten haben: «Kein Wunder spielt XY so schlecht, der verbraucht seine ganze Energie ja im Puff.» Die Gegend um den Kiez war ja auch nicht ungefährlich. In den 80er-Jahren gab es Bandenkriege, bei denen sie sich auf offener Strasse gegenseitig erschossen haben. Und der «Wiener Peter», einer der berüchtigtsten Figuren des Hamburger Rotlichtmilieus, liess mehrerer Auftragsmorde ausführen. Dabei wurden auch Rechtsanwälte exekutiert.

    Nächste Saison spielt St. Pauli erstmals überhaupt eine Liga höher als der grosse Stadtrivale Hamburger SV. Welche Bedeutung hat das für den Verein und seine Fans?

    Jahrelang hatte der FC St. Pauli gegen den grossen HSV im sportlichen Direktvergleich den Kürzeren gezogen. Jetzt einmal der Bessere zu sein, tut der St.-Pauli-Seele gut. Die Freude ist gross, die Schadenfreude noch grösser. Und ich teile die durchaus. Bis 1971 war ich ein glühender HSV-Fan gewesen, hatte mir als Jugendlicher Autogramme der HSV-Stars geholt. Später war ich mit mehreren Spielern auch privat zusammen. Auf meinem Handy habe ich noch heute Fotos von Uwe Seelers und mir. Ich hätte gerne mal für den HSV gespielt, aber sie hatten nie Interesse an mir. Das haben sie nun davon (lacht). Dass es in Hamburg eine Wachtablösung gegeben hat, ist keine Überraschung.

    Rolf Höfert nach dem 2:0-Sieg gegen den HSV (1977). «Das war der schönste Sieg meiner Karriere.».
    Bild: zvg

    Inwiefern?

    Was beim HSV in den letzten Jahren an Geld zum Fenster rausgeschmissen wurde für Manager, Trainer und Spieler, ist unglaublich. Bezüglich Strukturen und dem ganzen Drumherum ist der HSV immer noch die Nummer 1 in Hamburg, aber in der Tabelle sieht man das momentan nicht. Eine ruhmreiche Vergangenheit mit grossen Namen bringt halt keine Siege. Inzwischen hat man den Eindruck, der HSV habe sich mit der 2. Liga abgefunden. Das ist doch nicht nachvollziehbar bei einem Verein, der einen Zuschauerschnitt von 56’000 hat. Das Gleiche gilt übrigens auch für Schalke und Hertha BSC, die jeweils 61’000 und 50’000 Zuschauer an den Spielen haben. Trotzdem spielen sie nur in der 2. Bundesliga und sind erst noch in der hinteren Tabellenhälfte klassiert. Ist das noch Leistungsprinzip? Oder kicken die bloss, weil die meisten Deutschen keine Arbeit haben und sie sich so am Wochenende wenigstens ein bisschen am Fussball erfreuen können?

    Durch die unterschiedliche Ligazugehörigkeit fallen die berühmt‑berüchtigten Hamburger Derbys künftig weg.

    Als Hamburger wünschte ich mir natürlich, dass St. Pauli und der HSV in der 1. Bundesliga vertreten wären – allein schon wegen der Derbys. Diese sind seit jeher brisant, und es geht längst nicht mehr nur um die lokale Rivalität im Kampf um die Nummer eins Hamburgs. Die Derbys umfassen auch eine sozioökonomische und eine politische Komponente. Der HSV, der eher Leute aus der Mittel- und Oberschicht anzieht, wird seit Ende der 1970er-Jahre zunehmend von rechtsextremen Fangruppen vereinnahmt. Die Anfänge des FC St. Pauli waren hingegen von der Arbeiter- und Hafenarbeiterkultur geprägt. Die heutige Fan-Szene ist eher linkspolitisch ausgerichtet, von der Punkszene geprägt und steht für Vielfalt, Toleranz und soziale Offenheit ein.

    Rolf Höfert, ehemaliger Spieler des FC St. Pauli.
    Bild: Charles Ellena

    Das tönt nach viel Konfliktpotenzial.

    Dennoch würde ich nicht sagen, dass die Hamburger Derbys besonders gewalttätig verlaufen. Da gibt es schlimmere Konstellationen. Wenn zum Beispiel der FC St. Pauli und Hansa Rostock gegeneinander spielen, dann brennt die Luft. Es gibt auch sonst in den Bundesligen einige Feindschaften zwischen Ost und West.

    Erinnern Sie sich an Ihr erstes Derby gegen den HSV?

    Das war am 3. September 1977, es war das erste Hamburger Bundesliga-Derby überhaupt. Den ganzen Morgen habe ich gearbeitet, Platten verlegt. Nach dem Mittagessen traf sich das Team in einem Club, mit einem rostigen VW-Bus ging es eine halbe Stunde zum Volksparkstadion des HSV. Wir haben uns umgezogen, ein bisschen warmgemacht, 2:0 gewonnen, sind ab nach Hause und im Club ein paar Bierchen trinken gegangen. Es war der schönste Sieg meiner Karriere. Wenn ich diese Geschichte erzähle, glaubt mir das heute ja keiner. Aber es gab kein Morgentraining, kein gemeinsames Mittagessen, keine Massage, kein Videostudium, keine Videokameras im Stadion, keine kalibrierten Linien. Wir hatten ein Kader von 18 Spielern, zwei davon Torhüter. Kein Torwarttrainer, kein Co-Trainer, und der Masseur arbeitete tagsüber als Pfleger in einem Spital. Und heute? Da ist der Staff allein fast so gross wie unsere Mannschaft damals. Ein Ronaldo erhält bei den Kameltreibern 100 Millionen und Mbappé 80 Millionen bei Real. Der Fussball ist ausser Kontrolle geraten, und richtige Typen gibt’s sowieso keine mehr.

    Rolf Höfert anno 1979.
    Bild: zvg

    Walter Frosch, der 1977 auch mit Ihnen beim FC St. Pauli spielte, war das Paradebeispiel eines solchen Typen.

    Genau. Über Froschi hatten die Medien mal geschrieben, er sei «ein Vorbild, das sauft und raucht». Ich weiss noch, wie er mir mal in einem Trainingslager in Dänemark sagte: «Höfert, wenn sich ein Gegner zu uns ins Millerntor traut, dann kann er herkommen und etwas frische Luft schnappen, aber die Punkte bleiben hier. Das muss mehr rascheln bei uns.» Froschi war ein grundehrlicher Kerl und hat jedem die Meinung gegeigt. Solche Typen werden heute leider mundtot gemacht. Die Spieler kriegen vom Präsidenten und dem Trainer vorgekaut, was sie sagen sollen.

    Sie hatten während Ihrer Zeit in St. Pauli unter anderem ein Angebot der Bayern erhalten. Warum ist es nie zum Wechsel nach München gekommen?

    Das hatte am 13. August 1977 seinen Anfang genommen. Wir spielten in München und verloren 2:4. Wissen Sie, wer die vier Tore für Bayern erzielt hat?

    Das kann nur Gerd Müller gewesen sein…

    Natürlich! Er war der Mann des Abends, aber ich habe wohl auch nicht so schlecht gespielt. Jedenfalls wollte Bayern mich zwei Monate später als Ersatz für den zu Cosmos New York gewechselten Franz Beckenbauer engagieren und war bereit, 400’000 DM Ablöse zu bezahlen. Doch St. Pauli wollte mich nicht frühzeitig ziehen lassen. Wir brauchen den Höfert im Abstiegskampf, hiess es. Das war eine Zeit, in der Verträge noch etwas bedeuteten, heute sind sie das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Ende Saison kam der Wechsel von Hamburg nach München auch nicht zustande, weil ich mich einer Achillessehnenoperation unterziehen musste. Rückblickend hätte St. Pauli die 400’000 DM besser angenommen.

    Rolf Höfert, und eines seiner Erinnerungsstücke. Oben rechts ist er zusammen mit Bayerns Torjäger und Captain Gerd Müller zu sehen.
    Bild: Charles Ellena

    Wieso meinen Sie?

    Der Verein hatte seine finanziellen Angelegenheiten nicht mehr im Griff. Ein Jahr später wurden in Millerntor der Strom und die Wasserhähne abgestellt. Vielleicht hätte St. Pauli mit dem Geld der Bayern den Konkurs verhindern können. Im Januar 1979 wurde ich dann für 80’000 DM in die Schweiz zum FC Bern in die Nationalliga B transferiert. Ich wollte zwei Jahre bleiben, geworden sind es neun. Und ich bin immer noch hier, während der FC Bern in den Niederungen der Regionalliga umherdümpelt. Wissen Sie in welcher?

    Verraten Sie es mir…

    In der 3. Liga. Der FC Bern hatte mal guter Spieler wie Hans-Peter Zaugg, Peter Burkhardt oderRico Jauner. Aber der Verein hatte kein Fundament, nur ein richtiger Sponsor und bloss 800 Zuschauer in der Nationalliga B. Der Club hat nach und nach seine besten Spieler weggegeben, und irgendwann konnte es auch der Höfert nicht mehr auffangen. Eine Zeitung hat mal geschrieben, ich sei der letzte grosse Fussballer gewesen, der beim FC Bern gespielt hat (lacht).

    Kommentar (0)

    Schreiben Sie einen Kommentar. Stornieren.

    Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Pflichtfelder sind mit * markiert.

    Meistgelesen

    Mehr zum Thema