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Er verteilt 6 Milliarden Franken pro Jahr an SBB, Postauto und Co. – und sagt: «Der ÖV hat das Verhältnis zu Geld verloren»

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Den Bürohund mochte Peter Füglistaler nicht auch noch regulieren. Als der Vierbeiner einer Angestellten zum ersten Mal in den Büros seines Bundesamts für Verkehr auftauchte, wollten Mitarbeitende gleich eine Arbeitsgruppe einrichten. «Das musste ich stoppen», sagt der abtretende Direktor des Bundesamtes für Verkehr.

Und so schläft das Tier mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus beim Termin mit CH Media friedlich in seinem Nachbarsbüro.

Der 64-Jährige ist kein Amtschef wie jeder andere. Er schreckt nicht vor der öffentlichen Auseinandersetzung zurück. Bekannte und Politiker, mit denen CH Media gesprochen hat, sehen in ihm einen «Provokateur», aber auch einen schnellen Denker mit feinem Humor. Doch was hat er erreicht?

Sein Amt schüttete zuletzt sechs Milliarden Franken pro Jahr an den öffentlichen Verkehr und den Güterverkehr auf der Schiene aus, so viel wie noch nie. Davon profitieren 250 Transportunternehmen. Die ÖV-Branche aber habe ob dem stetig anschwellenden Subventionsregen «das Verhältnis zu Geld verloren», sagt er. Nur noch das Beste vom Besten sei gut genug, bei der zweitbesten Lösung werde schnell mal der Untergang prophezeit.

In seiner Amtszeit seien die Ausgaben «steil aufwärts» gegangen. Als der Bund letztes Jahr bekannt gab, sie aus Spargründen auf dem Niveau des Vorjahres zu belassen, warnte SBB-Chef Vincent Ducrot vor «deutschen Verhältnissen». Solche Aussagen ärgern Füglistaler ungemein. «Kommt bitte wieder auf den Boden der Realität herunter!», habe er sich gedacht. Die Vertreter des regionalen Personenverkehrs hätten sich gar geweigert, neue Offerten einzureichen. «Sie sagten mir, dass sie sich via Parlament das Geld holen, wenn wir nicht spuren.» So kam es auch: National- und Ständerat strichen den Sparbeitrag, den der ÖV hätte leisten müssen – ein Kunststück, das nur noch der Landwirtschaft gelang.

Jassen mit Andreas Meyer

«Nur schon sich zu überlegen, ob es mit demselben Betrag wie im Vorjahr ginge, führt in der ÖV-Branche zu Unverständnis. Das viele Geld führt dazu, dass die Leute nicht mehr überlegen», sagt Füglistaler. «Selbstzufriedenheit» sei das. Er macht eine «Wohlfühlkultur» aus, gepaart mit «Kritikunfähigkeit».

In der ÖV-Branche sieht man das anders. Jeder spare, wo er könne, aber die fixen Kosten des ÖV seien hoch und weit voraus verplant. Nur vereinzelt ist Selbstkritik zu hören – etwa von Daniel Schafer, dem Chef der BLS, der zweitgrössten Bahn im Land. «Es hat noch Luft im System», sagte er Ende 2023 im Gespräch mit CH Media. Den Sparauftrag des BAV habe er als Herausforderung angenommen.

Füglistaler, der «mehr Ökonom als Bahnfan» ist, geht Streit nicht aus dem Weg. Das zeigte sich in der Ära von SBB-Chef Andreas Meyer von 2007 bis 2020. «Meyer hat den Konflikt gesucht und ich bin jemand, der ihn annimmt», sagt Füglistaler. Das sei gut so. Schliesslich hätten BAV und SBB andere Rollen. Persönlich verstünden sich die beiden besser, als es den Anschein macht. Er sei gerade daran, den nächsten Jassabend mit Meyer zu organisieren.

Sein Verhältnis zum aktuellen SBB-Chef Vincent Ducrot gilt hingegen als kühl, was auf Gegenseitigkeit beruhen dürfte. Ihr Auskommen sei «professionell gut», sagt Füglistaler. Als CH Media vor wenigen Wochen Ducrot auf Kritik des BAV-Chefs an der ÖV-Branche ansprach, wollte dieser die Aussagen nicht einmal kommentieren: Das sei «nicht seine Art».

«Ihr müsst wieder selbst denken»

Manche wittern Neid hinter Füglistalers Härte gegenüber den SBB-Chefs. Doch er dementiert, dass er selbst gerne SBB-Chef geworden wäre. Das sei zwar ein Spitzenjob, aber er sei am richtigen Ort gelandet – auch wenn er mit 350’000 Franken so viel verdiene wie jemand auf der dritten Führungsstufe der Bahn. Um Geld sei es ihm nie gegangen, und sein Lohn sei «fantastisch» und gebe ihm alle Freiheiten.

Füglistaler hat nicht nur Gegner. Erstens wird anerkannt, dass er ein gut geführtes und effizientes Amt hinterlässt. Füglistaler habe sich erfolgreich für den ÖV eingesetzt, sagt Ueli Stückelberger, Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr. Sehr viele Leute in der Branche schätzten sein Engagement. Dass er auch mal gegen ihn oder die Branche gestichelt habe, sei nie ein Problem gewesen. «Seine Kritik führte oft zum berechtigten Hinterfragen eingeschlagener Pfade», sagt Stückelberger.

Zweitens ist auch die ÖV-Branche kein homogenes Feld. Hier tummeln sich Monopolvertreter wie Vincent Ducrot, Wettbewerbsbefürworter und Autofahrer wie SOB-Chef Thomas Küchler, Service-Public-Ultras wie Matthias Hartwich, der Chef der Eisenbahner-Gewerkschaft SEV, oder Separatisten wie der Kanton Zürich mit seinem Verkehrsverbund (ZVV).

Mitte März spricht Füglistaler an einer ÖV-Konferenz in Bern zum vielleicht letzten Mal zu ihnen allen. Für seine kurzweilige Rede erntet er viele Lacher und warmen Applaus. Aber nicht nur: Als er sein Publikum warnt, dass es künftig «weniger Geld geben wird», bleibt es still im Saal. «Dann müsst ihr wieder mehr denken.»

Der Gewerkschaft sagte er Adieu

Zum Abschluss zeigt er eine Folie mit dem Titel «Wenn ich wünschen dürfte». Es ist eine Sammlung von Vorschlägen. Einer davon: Die Abschaffung des Gratis-GA für ÖV-Kader. «Bravo!» ruft jemand, andere klatschen. «Nur wer selbst einmal gebüsst wurde, weil er drei Sekunden zu spät eingecheckt hat, weiss, was für eine schlimme Situation das ist», begründet Füglistaler.

Weniger euphorisch reagiert das Publikum bei den Punkten «Wettbewerb ist und tut allen gut» oder «Jedes ÖV-Gremium weniger ist ein Fortschritt». Der scheidende Direktor verabschiedet sich mit einer politischen Botschaft: «Die Schweiz braucht Europa, aber Europa nicht die Schweiz!»

Damit spielt er auf die Liberalisierung des internationalen Personenverkehrs auf der Schiene an, die die EU von der Schweiz bei den Verhandlungen für ein neues Rahmenabkommen fordert. SBB und Gewerkschaften machten früh mobil dagegen. Das Mandat des Bundesrats sieht nun eine Liberalisierung lediglich in homöopathischen Dosen vor. Der Taktfahrplan bleibt genauso in Stein gemeisselt wie das hiesige Tarifsystem. In ausländischen Zügen sollen Schweizer Anstellungsbedingungen herrschen.

«Es geht um maximal drei Züge von Flixtrain pro Tag», sagt Füglistaler. «Dadurch geht das System nicht unter.» Verkracht hat er sich deswegen mit den Gewerkschaften. «Sie sind partout dagegen. Sie wollen gar nicht erst diskutieren.» Damit machten sie sich zu «Gehilfen der SVP», die jede Annäherung an die EU bekämpft. Dass auf den bereits existierenden Nachtzügen, welche die ÖBB und die SBB gemeinsam betreiben, ungarisches Personal zu schlechten Konditionen arbeite, ignorierten sie hingegen gekonnt.

Dabei ist Füglistaler kein Neoliberaler. Im Gegenteil: Er ist Mitglied der SP und war lange Jahre SEV-Mitglied. Den Austritt hat er gegeben, weil er in jedem Mitgliederheft «in die Pfanne gehauen» worden sei: «Das können sie auch ohne mein Geld machen.»

Dauerstreit mit Zürich

Die Liberalisierung und die Furcht davor ist immer wieder Thema in seinen Linkedin-Posts, die viele als «Provokationen» verstehen. In der kleinen Schweizer ÖV-Welt, in der man sich fast wöchentlich zu Sitzungen trifft, wollen viele von öffentlicher Kritik nichts wissen. Uneinigkeiten sollen unter vier Augen geklärt werden. Füglistaler hingegen sagt, die Beiträge seien wohlüberlegt. Und doch seien sie auch eine «Feierabend-Beschäftigung». «Vielleicht mache ich halt jemanden nervös», denke er sich manchmal, bevor er nach einem Tag voller Akten und Gesprächsnotizen auf den «Veröffentlichen»-Knopf klickt.

Selbst wer Füglistalers Meinungen nicht teilt, muss einen erfrischenden Gegensatz zu vielen Amtschefs anerkennen, die sich nur noch via Pressestellen verlauten lassen. «Mir sind Menschen lieber, die sagen, was sie denken, als nur wohltarierte Sprachregelungen zu verkünden, die inhaltlich nichts aussagen», sagt VöV-Direktor Stückelberger. Und Füglistaler ist kein Maulheld. Die Bilanz seiner Amtszeit lässt sich sehen. Mit dem Bahninfrastruktur-Fonds hat die Schweiz die Finanzierung des Erhalts und Ausbaus der ÖV-Infrastruktur auf eine dauerhafte und von politischen Tagesschwankungen unabhängige Basis gestellt. Es ist ein System, um das die Schweiz auf der ganzen Welt beneidet wird und das massgeblich seine Handschrift trägt.

Mit der Neat und ihren Basistunnels am Gotthard, Lötschberg und Ceneri begleitete sein Amt erfolgreich ein Grossprojekt, wie es sie auf der Welt nur selten gibt. Weniger Erfolg hatte er hingegen bei seinem Plan, ein einheitliches Tarifsystem zu schaffen. «Wir sind nicht dort, wo wir sein wollen», gibt er zu. Vor allem am ZVV biss sich Füglistaler die Zähne aus. 2017 wollte er einen «Systemführer» schaffen, der bestimmt hätte, wie die Tarife zu gestalten sind. Die Zürcher liessen sich diesen Angriff auf die Tarifhoheit nicht gefallen und machten mobil. Die Vorlage scheiterte.

«Diese Niederlage ist sieben Jahre her und seither sind wir nur wenig weiter», sagt Füglistaler. Auch beim «My Ride»-Projekt, mit dem der Branchenverband Alliance Swisspass das Tarifsystem vereinheitlichen will, stehe der ZVV auf die Bremse – was dieser bestreitet.

Tiefpunkt Postauto-Skandal

Auf fachlicher Ebene verläuft die Zusammenarbeit hingegen reibungslos, und persönlich nahm Füglistaler den Konflikt nie. Anders war das beim Postauto-Skandal. Es ist sein Tiefpunkt. Die Affäre nimmt ihn noch immer mit.

Im Herbst 2017 deckte das BAV auf, dass Postauto über Jahre Dutzende von Millionen Franken an Subventionen erschlichen hatte – und zwar mit bewussten Fehlbuchungen. «Das war eine riesengrosse persönliche Enttäuschung», sagt Füglistaler. «Die Postauto-Leute sassen an Sitzungen am selben Tisch und haben mich belogen. Dass so etwas möglich ist, hätte ich nie gedacht.» Warum sie dies taten, habe er nie begriffen.

Die Aufarbeitung verlief nicht, wie er es sich wünschte. Die Zuständigkeiten waren lange unklar. Diese Woche verhängte das Bundesamt für Polizei «durchaus milde» Geldstrafen für sieben ehemalige Mitarbeitende, wie Füglistaler findet. Er hat sich zuvor für eine Verschärfung der Regeln eingesetzt, drang aber mit der Forderung nach einer zentralen Stelle zur Strafverfolgung bei Subventionsfällen nicht durch. «Ich erhalte manchmal den Eindruck, dass der Staat nicht will, dass Subventionsbetrug verfolgt wird», sagt Füglistaler. «Man könnte einem Verbrecher fast empfehlen, den Staat zu betrügen, statt einen Kiosk zu überfallen. Das Risiko, verurteilt zu werden, ist weitaus geringer.»

Bevor Füglistaler in den Ruhestand geht, will er noch eine weitere schlechte Botschaft verkünden. Weil die Wako-Technologie in den neuen Doppelstockzügen für den Fernverkehr der SBB nicht funktioniert, entschieden diese vor knapp zwei Jahren, darauf zu verzichten. Deshalb können die Züge nicht wie geplant schneller in den Kurven fahren.

Politik soll bremsen beim Ausbau

Das macht einen grossen Teil der Planung für das künftige Bahnangebot obsolet. Dank der Technologie hätte auf einigen Abschnitten mehrere Minuten gewonnen werden sollen. «Wenn die fehlen, kann man das nicht mehr flicken», sagt Füglistaler. Das ÖV-Angebot im Jahr 2035 werde nicht so gut sein wie angekündigt. «Diese Botschaft werde ich noch verbreiten». Das wolle er nicht seiner Nachfolgerin überlassen, der Postauto-Managerin Christa Hostettler.

Auf einen Umschwung hofft er im Parlament. Dieses habe die Verhältnismässigkeit beim Bahnausbau «aus den Augen verloren». Derzeit seien Projekte im Umfang von über 20 Milliarden Franken beschlossen. Mindestens die nächsten zehn Jahre seien vollständig verplant. Trotzdem würden die Volksvertreter immer mehr Ausbauten für die Zeit danach beschliessen, von denen niemand wisse, ob es sie dann noch brauche.

Einfach immer weiterzubauen werde nicht funktionieren. «Idealerweise würde die Politik zehn Jahre lang keine neuen Projekte mehr beschliessen», sagt er. «Danach können wir noch immer über Ausbauten reden, und zwar ohne Zeitverzögerung.» Auf Vorrat Projekte für die eigene Region zu sichern, das ergebe keinen Sinn.

Bis Ende Juli weibelt er noch für dieses Anliegen. Danach werde er sich nicht mehr öffentlich einmischen: «Es gibt nichts Schlimmeres als pensionierte Eisenbahnexperten, die immer alles besser wissen.» Langweilig werde es ihm nicht. Er habe einen grossen Bekanntenkreis, freue sich, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen und werde einem weiteren Chor beitreten.

Schon heute singt der Vater zweier erwachsener Kinder im Kirchenchor von Wabern BE, wo er lebt. Dort sucht er das Rampenlicht nicht. Er sei gefragt worden, ob er den Chor leiten wolle – und habe abgesagt. Immerhin rolle er mit einem Kollegen jeweils das Klavier hinein. Das, sagt Füglistaler, sei ihm privat Verantwortung genug.

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