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«Es bedarf einer gewissen Drastik, um der Menschheit einen Spiegel vorzuhalten»

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Anfang Jahr erschien das Buch «Schleuser» von Walter Fabian Schmid: In einer dystopischen Zukunft fliehen zwei Menschen in eine ungewisse Zukunft. Es ist Schmids erste Erzählung, und sie ist geprägt von seiner lyrischen Sprache.

Es wäre eine Untertreibung, Walter Fabian Schmids ersten Versuch in Prosa als eine Dystopie zu bezeichnen. Es ist eine dunkelschwarze Erzählung, ein Worst-Case-Szenario, wie es auf dieser Welt in Hunderten von Jahren aussehen könnte, «wenn die Menschen so weiter wüten», wie der Autor sagt.

Dennoch ist es reine Fiktion, ein Gedankenexperiment, an das sich der Lyriker aus Laupen gewagt hat: Es ist die Geschichte der Flucht zweier Menschen aus ihrer durch den Klimawandel zerstörten Heimat, einer ehemaligen Bergidylle. Vom Regen, der in dieser Albtraumwelt nur noch selten fällt, führt ihr Weg immer wieder in die Traufe. In den toxischen Landschaften ist kein langfristiges Überleben mehr möglich. Genügend Sauerstoff gibt es nur in den klimatisierten Städten, bestehend aus Glas und Stahl, die die beiden Nomaden durchqueren. Die Begegnung mit einem ausgestossenen Städter, dem titelgebenden «Schleuser», lässt sie wieder Hoffnung schöpfen, einen Ort zum Verweilen zu finden.

Walter Fabian Schmid, was hat Sie zu diesem Buch inspiriert?

Generell, dass wir Raubbau an unserem Planeten betreiben und überall unseren Schrott hinterlassen, zum Beispiel durch Lager für Kohlendioxid oder radioaktiven Abfall. Das Buch ist ein Gedankenexperiment, was passiert, wenn irgendwann in Hunderten von Jahren alles zugemüllt ist und der Klimawandel durchgeschlagen hat. Da die Geschichte in einer weit entfernten Zukunft spielt, ist sie fiktiv. Wie es dann tatsächlich aussehen wird, ist unvorstellbar. Als Mensch kann man gar nicht so weit vorausdenken. Das ist vielleicht unser Problem. Ich will die Leute dazu anregen, es doch einmal zu versuchen.

Sind Sie Pessimist?

Eigentlich bin ich ein optimistischer Mensch (lacht). Die Erzählung entspricht zwar zum Teil meinem Weltbild, aber sie ist sehr überzogen dargestellt.

Es bedarf einer gewissen Drastik, um der Menschheit einen Spiegel vorzuhalten.

Sie sind eigentlich Lyriker. Was hat Sie dazu bewogen, sich an Prosa zu wagen?

Ich wollte eine Fluchtgeschichte schreiben und habe mich von der Reise tragen, vom Schreiben leiten lassen. Lyrik ist eher etwas Statisches, eine Momentaufnahme. Ich bediene mich zwar einer poetischen, bildhaften Sprache, aber im Hintergrund liegt eine Handlung. Deshalb war Prosa naheliegend.

Die Hauptperson und ihre Begleitung fliehen aus ihrem Zuhause in den Bergen in eine ungewisse Zukunft. Warum?

Durch die klimatischen Veränderungen ist ihre Heimat unbewohnbar geworden. Sie verlassen ihr Zuhause in der Hoffnung auf ein neues Leben – wie es Klimaflüchtlinge schon heute tun. Gleichzeitig sehnen sie sich zurück an ihre gewohnte Umgebung, die Familie. Dieses Loslassen ist auch das Traurige an der Geschichte.

Meist versuchen Autorinnen und Autoren, die Natur schön und ansprechend darzustellen. Sie geben sich grosse Mühe, das Gegenteil zu tun: Die Erzählung trieft nur so von grotesken, albtraumhaften Vergleichen. Die Sonne «stank wie erkalteter Schweiss», die Vögel «tönten wie Blech» und ein «verbeulter Mond tauchte auf».

Das sind alles Metaphern für eine beschädigte und industrialisierte Natur, für Einflüsse, die der Mensch hinterlässt – aber immer noch gesehen aus menschlicher Perspektive. Wenn ich zum Beispiel sage, dass eine Libelle «Flügel aus Glas» hat, dann verunstalte ich zunächst das Tier. Ich industrialisiere die Natur und vergleiche sie mit etwas, das der Mensch erschaffen hat. Nicht einmal so etwas Unschuldiges wie eine Libelle kann sich letztendlich dem Wirtschaftskreislauf entziehen.

Die beiden Wandernden machen immer wieder in klimatisierten Städten halt, in die sie am Eingang jeweils ein Schleuser zum Auftanken von Sauerstoff kurz einlässt. Sie stellen die Städte nicht besonders menschenfreundlich dar.

Nein, das sind sie auch nicht. Unsere Städte sind zubetoniert, die Natur hat dort fast keinen Platz mehr. Inspiriert hat mich auch eine Reise nach Tokio. Ich hatte dort den Eindruck, die Menschen bewegen sich computergesteuert und laufen emotionslos herum. Grossstädte sind für mich lebensfeindlich. Ich brauche die Weite und das Grün um mich herum. Das habe ich projiziert.

In der Stadt stumpfen unsere Sinne ab.

Neben den Sinnen sagen Sie, dass die Leute in der Stadt auch ihre Hirne nicht mehr brauchen.

Die brauchen wir schon jetzt kaum mehr. Das ist mein Hirn (zeigt auf sein Smartphone). Das Wissen ist noch da, aber gehört nicht mehr uns. Es ist ausgelagert. Irgendwann müssen wir nicht einmal mehr eine Sprache erlernen.

Auf der Rückseite des Buchs steht der Satz: «Die Menschen waren ja nur dazu da, um lebenslang durch ihr Verschwinden zu gehen.» Was meinen Sie damit?

Der Satz hat verschiedene Bedeutungen. Einerseits ist er schlicht objektiv, weil jeder Mensch irgendwann verschwindet. Aber er soll auch dazu anregen, über den eigenen Tod hinauszudenken. Viele Lebenswelten werden verschwinden. Die Erde wird sich erholen, aber den Menschen wird es wahrscheinlich nicht mehr geben.

Zum Autor

Wahlheimat Laupen

Walter Fabian Schmid ist 1983 in Regen im Bayerischen Wald geboren. Der deutsch-schweizerische Doppelbürger studierte Germanistik in Bamberg und war anschliessend als Redaktor, Texter und in der Unternehmenskommunikation tätig. Vor elf Jahren kam er in die Schweiz und machte sie zu seiner Wahlheimat. In Laupen fanden er und seine Partnerin schliesslich ein Zuhause. Sein Gedichtband «Die Lost Places zucken noch» erschien 2023, seine Erzählung «Schleuser» im Januar 2024. Schmid ist Vater einer einjährigen Tochter. (mes)

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