Die Erläuterungen des Bundesrates zu der Abstimmung am 22. September haben’s in sich: eine richtig anspruchsvolle Textverständnis-Übung bei den Ausführungen zur Änderung des Arbeitsgesetzes. Da lerne ich im ersten Teil, dass nur solche Tankstellenshops rund um die Uhr geöffnet sein dürfen, die sich auf Autobahnraststätten und an Hauptverkehrswegen mit starkem Reiseverkehr befinden. Nutzniesser der Ausweitung der Öffnungszeiten sollen also klar die «Reisenden» sein, auf deren spezifische Bedürfnisse das Sortiment ausgerichtet wird: Ja sicher, eine Zahnpasta oder eine Zeitschrift nachts um 3 Uhr kaufen zu können, ist nun einfach eine dringliche Notwendigkeit für Reisende–das vermittelt mir der Text, das hab ich verstanden. Ins Schleudern bei meiner Übung komme ich dann einfach bei den Argumenten des Bundesrates. Da spielen nämlich die ins Feld geführten «Reisenden» plötzlich keine Rolle mehr: Hier ist nämlich die Rede von den Personen, die heutzutage «bis weit in die Nacht hinein oder sehr früh am Morgen» arbeiten. Die möchten «die in den Tankstellenshops erhältlichen Artikel» – also besagtes Reisesortiment–auch in den vier Stunden zwischen 1 und 5 Uhr kaufen können. Aus den ursprünglichen «Reisenden» werden Personen, die noch spät oder schon früh arbeiten und deren Bedürfnis wird als «Bedürfnis in der Bevölkerung» qualifiziert. Ich versteh schon: In der nächsten Lektion Textverständnis werden aus den «Tankstellenshops an Hauptverkehrswegen» einfach Tankstellenshops an irgendwelchen Strassen–wieso nicht grade Shops irgendwelcher Art, rund um die Uhr geöffnet, mit vollem Sortiment? So werden auch ganz praktisch aus Verkaufspersonal zwar nicht zwingend Reisende im ursprünglichen Sinn, aber sicher Personen, die noch spät oder schon früh arbeiten und die deregulierten Ladenöffnungszeiten grad selber legitimieren. Ich hab den Text verstanden und sag drum lieber jetzt schon Nein zum Zahnpastakauf nachts um 3 Uhr!
- Bern
- 29.09.2023
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- 29.09.2023
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