Nach der Ernährungssicherheits-, der Ernährungssouveränitäts- und der Fair-Food-Initiative gelangt am 25. November schon die vierte landwirtschaftliche Vorlage innert Jahresfrist vors Schweizer Stimmvolk: die Hornkuh-Initiative. Sie verlangt, dass Halterinnen und Halter von ausgewachsenen Kühen, Zuchtstieren, Ziegen und Ziegenböcken mit Hörnern einen Beitrag erhalten.
Die Initiative wurde 2016 von der Interessengemeinschaft Hornkuh eingereicht. Das Initiativkomitee um den Bergbauern Armin Capaul aus Perrefitte im Berner Jura wünscht sich, dass mehr Landwirte Kühe und Ziegen mit Hörnern halten. Da die Haltung solcher Tiere mit mehr Kosten verbunden ist, solle der Bund diesen Mehraufwand mit einem Beitrag entschädigen. Damit würde laut den Initianten das Tierwohl stärker in den Mittelpunkt gestellt. Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab. Laut der bundesrätlichen Botschaft schafft die Initiative falsche finanzielle Anreize. Sie würde den Tieren zudem mehr schaden als nützen, und die Eigenverantwortung der Landwirte werde eingeschränkt. Das Entfernen der Hörner bei Kühen und Ziegen sei laut Tierschutzgesetzgebung erlaubt, weil es das Tierwohl nach heutigem Stand des Wissens nicht übermässig beeinträchtige. Hörner erhöhten zudem die Verletzungsgefahr, weil sich Tiere mit Hörnern gegenseitig verletzen können. Die Kosten der Umsetzung schätzt der Bundesrat auf 10 bis 30 Millionen Franken jährlich. Diesen Betrag könne er zwar über die bestehenden Kredite für die Landwirtschaft finanzieren. Das würde aber zu Kürzungen in anderen Bereichen der Landwirtschaft führen.
«Ich habe nie festgestellt, dass meine Tiere unter der Hornlosigkeit leiden.»
Philipp Fasel
Landwirt aus Alterswil
In der Parteienlandschaft zeichnet sich in Bezug auf diese Initiative ein klassischer Links-rechts-Graben ab: CVP, SVP, FDP und BDP sind gegen die Initiative, SP, Grüne, GLP und EVP dafür. Der Schweizerische Bauernverband hat Stimmfreigabe beschlossen.
«Wir enthornen alle Tiere»
«Ich bin gegen die Initiative», sagt der 40-jährige Philipp Fasel, der mit seiner Frau Sabine in Alterswil einen Betrieb mit 40 Holsteinkühen und deren Nachzucht führt. «Wir enthornen alle unsere Tiere», sagt er. Zudem würden die aktuellen Bestrebungen in der Viehzucht sowieso auf Hornlosigkeit hinführen, so dass die Initiative in 10 bis 15 Jahren obsolet würde. «Natürlich ist es jedem Bauern freigestellt, was für Tiere er halten will», so Fasel. Zu manchen Rassen gehöre der Kopfschmuck einfach dazu, jeder Betriebsleiter solle das aber aus Überzeugung machen. So etwas gehöre einfach nicht in die Verfassung und schaffe falsche Anreize. «Ich habe jedenfalls nie festgestellt, dass meine Tiere in irgendeiner Form unter der Hornlosigkeit leiden», so Fasel. Die Haltung von Horn tragenden Tieren bedeute für den Landwirt einen grossen baulichen Mehraufwand und stehe auch im Gegensatz zur aktuellen Landwirtschaftspolitik des Bundes.
«Es gibt heute schon zu viel Regulierung in der Landwirtschaft.»
Andreas Freiburghaus
Syndic Wünnewil-Flamatt
«Immer wieder hört man bei den Bürgern auf der Strasse die irrige Meinung, dass es bei dieser Abstimmung um ein Verbot der Enthornung geht – und das stimmt nicht», betont der 55-jährige Gabriel Yerly, Präsident des Freiburger Milchverbands. Auch er ist gegen die Initiative und spricht sich klar für die freie Wahl der Bauern aus.
«Mir würde es das Herz abdrücken, meine Kälber zu enthornen.»
Vreni Chervet
Bäuerin aus Clavaleyres
«Gras und Raufutter»
Zu den Befürwortern der Initiative gehören der 59-jährige Alfred Chervet und seine 56-jährige Frau Vreni aus Clavaleyres. Die beiden halten 35 Simmentaler-Kühe mit Hörnern – aus vollster Überzeugung. «Es ist traurig, dass es vielleicht schon bald keine Kühe mehr mit Hörnern gibt», sagt Alfred Chervet. Dieses Faktum habe mit der Bequemlichkeit der Bauern zu tun, aber auch mit einer falschen Agrarpolitik. Letztlich gehe es auch darum, ob man den Tieren Raufutter verfüttern wolle – was nur mit behornten Kühen möglich sei – oder «Weizenmehl und südamerikanisches Urwald-Soja». «Unsere Tiere fressen Gras und Raufutter; sie gehen auch auf die Alp und müssen dort zu 100 Prozent ohne Kraftfutter auskommen», sagt Alfred Chervet. Natürlich sei der bauliche Aufwand bei einem Betrieb mit Hornkühen grösser. «Diese Ställe brauchen Ruhezonen», sagt er.
Im Zentrum aber stehe für ihn die Würde des Tieres. Werde es enthornt oder zur Hornlosigkeit gezüchtet, so verliere es diese Würde und auch seinen Charakter, was sich sogar im Gang des Tieres äussern würde. «Mir würde es das Herz abdrücken, wenn ich meine Kälber enthornen müsste», bemerkt Vreni Chervet dazu. Sie zweifelt nicht daran, dass die Folgen des Enthornens bei den Tieren Schmerzen verursachen. Sie und ihr Mann befürchten, dass viele der Bauern, die auf enthornte Tiere setzten, diese gar nicht mehr auf der Weide laufen lassen wollten, sondern eine möglichst reine Stallhaltung bevorzugten. Das Geld, das bei einem Ja zur Initiative ausgeschüttet würde, könnte man gemäss Alfred Chervet übrigens auch dem Kulturfonds entnehmen. Denn behornte Tiere seien ein Teil der landwirtschaftlichen Kultur. Und auch das Argument der Unfallgefahr lässt Alfred Chervet nicht gelten. «Die Statistiken zeigen ganz klar, dass es mehr Unfälle mit enthornten Tieren gibt», sagt er. Letztlich gehe es bei der Initiative aber auch nicht um ein Verbot der Enthornung, so dass jeder Bauer weiterhin die Wahl habe, ob er seine Tiere enthornen will.