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Kolumne zum Buch: Im Lese-Fluss

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Kolumnist Stephan Moser teilt mit der FN-Leserschaft seine Erfahrungen und Beobachtungen über Kuriositäten des Alltags.

Als Kind bin ich in einen Fluss gefallen. Seither habe ich Superkräfte.

Aber der Reihe nach. Gibt es ein Buch, das Ihr Leben verändert hat? Bei mir ist es «Die Kahnfahrt» von John Burningham. In Ihrem Lesezirkel werden Sie damit nicht punkten können. Es ist nämlich ein Bilderbuch für Kinder, mit ganzen 30 Seiten und 30 ganzen Sätzen.

Die Geschichte ist schnell erzählt. Herr Adam macht eine Kahnfahrt auf dem Fluss. Erst lässt er zwei Kinder mitfahren, «wenn ihr nicht rauft». Nach und nach steigen ein Kaninchen, eine Katze, ein Hund, ein Schwein, ein Schaf, Hahn und Henne, ein Kalb und eine Ziege in den Kahn, nachdem Herr Adam sie ermahnt hat, nicht zu hüpfen, sich nicht zu jagen, keinen Dreck zu machen, nicht zu blöken, nicht zu flattern, nicht zu trampeln und nicht zu boxen.

Natürlich, Sie ahnen es, passiert genau das. Die Ziege boxt, das Kalb trampelt, der Kahn kentert, und alle plumpsen ins Wasser. Statt einem Donnerwetter gibts von Herrn Adam eine Einladung zum Tee – ja, es ist ein englisches Kinderbuch – und das Versprechen, bald wieder einen Ausflug zu machen.

Vielleicht denken Sie jetzt, was muss der Moser für ein lauwarmes Henniez légère sein, dass ihn so etwas beeindruckt. Aber: «Die Kahnfahrt» war das allererste Buch, das ich je gelesen habe. Wir waren in der ersten Klasse gerade mit dem Alphabet durch, und an einem Sonntag, meine Eltern und mein Bruder lasen in der Stube, schnappte ich mir das Buch und begann: D-a-s i-s-t H-e-r-r A-dam. Die Buchstaben setzten sich zu Wörtern zusammen, aus Wörtern wurden Sätze, und die Sätze formten sich zu einer Geschichte. Ich war geflasht.

Und ich bin es immer noch. Zusammen mit der fröhlichen Kahngesellschaft fiel ich vor 40 Jahren in den Fluss, den Lese-Fluss, und als ich wieder auftauchte, war ich verwandelt. Ich hatte den Schatz im Silbensee gefunden, ich hatte meine Superkraft entdeckt. Ich konnte lesen. Lesend kann man eintauchen in fremde Welten, sich von spannenden Geschichten mitreissen lassen, sich an aufregende Ufer spülen lassen, nach Gedanken tauchen, die wie funkelnde Kiesel im Bachbett liegen, oder sich hypnotisieren lassen vom Gurgeln, Murmeln und Rauschen des Sprachflusses.

Man steigt nie zweimal in denselben Fluss. In den letzten 40 Jahren habe ich viele Bücher aufs Podest des Lieblingsbuches gehoben. Bei manchen frage ich mich heute, was ich früher nur an ihnen finden konnte. «Die Kahnfahrt» aber hat ihre Magie behalten.

Jetzt muss ich aber los. Das nächste Buch wartet schon. Jetzt heisst es Luft holen und abtauchen, wir sehen uns dann flussabwärts.

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