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«Im Zentrum der Rechtsanwendung sollte immer der Mensch stehen»

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Per Ende Jahr geht der langjährige Kantonsrichter Christian Pfammatter in Pension. Im Interview spricht er über Veränderungen und Reformbedarf im Justizbetrieb und erinnert sich an prägende Fälle.

An seinem vorletzten Arbeitstag in der zweiten Dezemberhälfte empfängt Christian Pfammatter im Kantonsgericht zum Interview. Wer sein Büro im renovierten ehemaligen Augustinerkloster betritt, muss über eine Türschwelle in Form eines wuchtigen Balkens steigen und den Kopf leicht einziehen. Das Erste, worauf Pfammatter hinweist, sind die schrägen Wände des ehemaligen Klosters. Trotzdem scheint dem Richter das Gebäude, in dem das Kantonsgericht seit 2013 seinen Sitz hat, ans Herz gewachsen zu sein. Pfammatter, dem man sein Pensionsalter nicht ansieht und anmerkt, war 30 Jahre lang für die Freiburger Justiz tätig und hat in dieser Zeit an Tausenden von Urteilen mitgewirkt.

Christian Pfammatter, wie sehen Ihre letzten Arbeitstage am Kantonsgericht aus?

Bis heute, also meinem vorletzten Arbeitstag, habe ich gearbeitet und noch einige wichtige Dinge zu Ende gebracht. Am letzten Tag spendiere ich dann den Mitarbeitenden des Gerichts einen Apéro, packe meine Sachen und gehe nach Hause.

Verlassen Sie das Kantonsgericht wehmütig oder zufrieden?

Weil ich nach meiner Pensionierung als Ersatzrichter am Kantonsgericht weitermache, bereitet mir der Abschied überhaupt keine Probleme. Mir war wichtig, dass ich nicht abrupt aufhöre, sondern meine Tätigkeit langsam herunterfahre. Das kann ich dank der Ernennung als Ersatzrichter durch den Grossen Rat nun verwirklichen.

Vor genau 30 Jahren sind Sie als Kantonsrichter zur Freiburger Justiz gestossen. Können Sie sich an Ihren ersten Arbeitstag erinnern?

Ich kann mich sehr gut daran erinnern. 1992 begann ich als Richter am damals neu geschaffenen Verwaltungsgericht, das später im Kantonsgericht aufging. Wir erhielten ein Budget, und uns wurde ein leeres Gebäude in Givisiez zugeteilt, danach waren wir mehr oder weniger auf uns allein gestellt und mussten das Gericht selbstständig aufbauen und organisieren. Ich war damals zuständig für die Informatik und durfte die Anfänge der Digitalisierung im Justizbereich hautnah miterleben.

Welche sind die grössten Veränderungen in der Justiz, die Sie seither miterlebt haben?

Auffällig ist, dass sich die Anzahl der Fälle vervielfacht hat. Insbesondere in den letzten drei Jahren ist diese Entwicklung besorgniserregend geworden. Für die Rechtssuchenden bedeutet der starke Anstieg längeres Warten auf Urteile und als Richter kann einem diese Lawine an Fällen etwas die Freude an der Arbeit nehmen.

Haben Sie eine Erklärung für diesen starken Anstieg von Fällen?

Ich stelle fest, dass die Rechtssuchenden heute höhere Ansprüche haben und tendenziell weniger offen für Kompromisse sind, was sich auf die Anzahl der Fälle bei uns auswirkt. Ein Teil der Erklärung hängt sicherlich auch mit dem Rechtsgebiet zusammen, das mich als Präsident des zweiten Verwaltungsgerichtshofs besonders beschäftigt hat: das Raumplanungsrecht. Der Kanton Freiburg hat vor einigen Jahren seinen Richtplan angepasst. Diese Anpassung stellte eine deutliche Verschärfung gegenüber der früheren Situation dar. Viele Fachleute und Gemeinden realisierten erst spät, was dieser neue Richtplan bedeutet, und versuchten dann, gerichtlich gegen seine Anwendung vorzugehen. In den allermeisten Fällen wiesen wir sie mit Verweis auf den neuen Richtplan ab und wurden dabei wiederholt auch vom Bundesgericht gestützt.

Welche Reformen sind in der Raumplanung in Zukunft nötig?

Der neue Richtplan des Kantons geht meiner Meinung nach in die richtige Richtung. Ich finde es wichtig, dass wir unsere Landschaft bewahren und vernünftig bauen. Auch in vielen Gemeinden ist dieses Bewusstsein am Wachsen, was mich erfreut. Ein Problem bleibt der Umgang mit Bauwerken in landwirtschaftlichen Zonen. Hier sind die Gesetze noch immer sehr grosszügig, was sicherlich auch auf die Stärke der Bauernlobby in Bundesbern zurückzuführen ist.

Das Raumplanungsrecht zeichnet sich heute durch eine enorme Komplexität aus. Ist diese Regelung bis ins kleinste Detail für die Rechtsprechung von Vorteil oder schränkt sie ein?

Einerseits erleichtern klare Regeln die Beurteilung von Fällen und die Rechtsprechung. Andererseits schätze ich es als Richter auch, einen gewissen Beurteilungsspielraum zu haben. Dies erlaubt es, im Einzelfall angemessene Lösungen zu finden und die eigene Haltung miteinfliessen zu lassen. Wir Richter sind keine Maschinen, wenn uns eine Lösung persönlich überzeugt und wir diese innerhalb den vom Recht gesetzten Schranken durchsetzen können, so werden wir uns dafür einsetzen. Im Raumplanungsrecht habe ich den Eindruck, dass zwischen Ermessensspielraum und starren Regeln ein gutes Gleichgewicht besteht.

Der Kantonsrichter Christian Pfammatter schätzt es, einen Beurteilungsspielraum zu haben.
Marc Reidy

Gibt es einen Fall in Ihrer Karriere, der besonders in Erinnerung bleibt?

Sehr gut erinnere ich mich daran, wie wir als Kantonsgericht den Ortsplan der Gemeinde Avry aufgehoben haben, was für einige Empörung gesorgt hat. Viele Gemeinden hatten nämlich vor Inkrafttreten des bereits angesprochenen neuen Richtplans eine Revision ihrer Ortspläne angestossen, um den neuen, strengeren Richtplan zu umgehen. Das erklärten wir in unserem Urteil für unzulässig. Kurz nach dem Urteil zum Ortsplan von Avry musste ich als Gerichtspräsident vom Grossen Rat gewählt werden und habe ein miserables Wahlergebnis eingefahren. Diese Erfahrung zeigt für mich, dass die unbegrenzte Amtsdauer von Richterinnen und Richtern in Freiburg eine gute Lösung ist.

Wie gestaltete sich sonst der Austausch mit der Politik?

Das lief immer gut. Von Zeit zu Zeit riefen mich Abgeordnete an, weil es in ihren Wahlkreisen Fälle gab, welche die Gemüter bewegten. Ich hatte aber nie das Gefühl, dass Druck auf mich ausgeübt wurde oder dass es eine Einmischung gab.

Wo sehen Sie in der Freiburger Justiz Reformbedarf?

Vor kurzem erschien eine vom Kanton in Auftrag gegebene Studie über die Freiburger Gerichtsbehörden. Sie kam unter anderem zum Schluss, dass die Unabhängigkeit der Judikative weiter gestärkt werden kann. In diesem Zusammenhang fände ich es beispielsweise sinnvoll, dass die Judikative ihr eigenes Budget beantragt und dieses vor dem Parlament verteidigt und nicht bloss ein Posten im von der Exekutive beantragten Budget ist. Damit will ich nicht sagen, dass in Freiburg die Beziehung zum Regierungsrat schlecht ist; es geht mehr um eine Prinzipienfrage.

Sie standen dem Kantonsgericht im Corona-Jahr 2020 als Präsident vor. Welche Herausforderungen stellten sich in dieser Zeit?

Wichtig fand ich es, allen Mitarbeitenden zu vermitteln, dass sie nicht allein sind und dass wir zusammenstehen. Ich glaube, dass uns das gut gelungen ist. Herausforderungen stellten sich natürlich auch in organisatorischer und technischer Hinsicht. Viele der gefundenen Lösungen für diese Herausforderungen haben sich in der Zwischenzeit bewährt und werden auch nach der Pandemie verbleiben, beispielsweise die Möglichkeit, teilweise im Homeoffice zu arbeiten.

In über 3000 behandelten Fällen haben Sie als Kantonsrichter auf Menschen in den verschiedensten Situationen eingewirkt. Was haben all diese Fälle mit Ihnen selbst gemacht?

Persönlich ist die Arbeit für mich eher schwieriger geworden. Zu Beginn meiner Karriere wandte ich das Gesetz strikt an und die zugrunde liegenden Sachverhalte gingen mir nicht besonders nahe. Später wandte ich das Gesetz natürlich immer noch korrekt an, aber die Schicksale der betroffenen Personen beschäftigten mich stärker und ich nutzte den Ermessensspielraum, den mir das Gesetz einräumte, stärker. Das ist auch richtig so, denn im Zentrum der Rechtsanwendung sollte immer der Mensch stehen.

Was steht bei Ihnen nach der Pensionierung an?

Zuerst werde ich mir etwas Zeit für mich nehmen. Danach werde ich als Ersatzrichter weiterhin am einen oder anderen Fall mitwirken. Zusätzlich wirke ich weiterhin als Präsident der Kommission für bedingte Strafentlassung und die Abklärung der Gemeingefährlichkeit. Diese wichtige Tätigkeit ist nicht nur herausfordernd, sondern auch sehr bereichernd, weil auch bei ihr stets der Mensch eine zentrale Rolle spielt.

Zur Person

Schulzeit und Studium in Freiburg

Christian Pfammatter, Jahrgang 1957, absolvierte seine obligatorische Schulzeit in Villars-sur-Glâne und Freiburg, wo er später auch das Gymnasium besuchte. Im Anschluss an ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Freiburg erlangte er 1984 das Anwaltspatent in Genf. Nach einer kurzen Tätigkeit als Jurist in der Bundesverwaltung wechselte er als Gerichtsschreiber zum Bundesgericht in Lausanne. 1992 stiess er zur Freiburger Justiz und wurde Richter am kantonalen Verwaltungsgericht, das 2008 im Zuge einer Gerichtsreform im Kantonsgericht aufging. Seither war Christian Pfammatter als Kantonsrichter tätig und wirkte im ersten und zweiten Verwaltungsgerichtshof, Letzteren präsidierte er bis zu seiner Pensionierung. beg

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