Item: «Zustand und Kilometeranzeige sind egal»

Häufig werden einem über Visitenkärtchen lukrative Geschäfte angeboten. So unter dem Scheibenwischer meines (etwas älteren) Autos.

Vielleicht erinnern Sie sich an die kleinen Zettel in unserem Briefkasten. Heilung von absolut allem wird da angepriesen – diskret und seriös, wirksam und potent (item vom 18.3.24).

Ähnliches versprechen die Visitenkärtchen, von denen in den letzten Wochen drei unter dem Scheibenwischer meines Autos zu finden waren: «Kauf von Occasion-Autos» und «Barzahlung» werden angeboten. «Gute Preise» und «Zustand und Kilometeranzeige egal» sind die einfachen Rahmenbedingungen. Alles diskret und seriös. Jetzt ist gar noch eine E-Mail aus Lausanne mit einem ähnlichen Angebot in meinen beruflichen Posteingang hereingebingt. Höchste Zeit also für ein klärendes Gespräch.

«Nein, nein, liebes Auto, nimms nicht persönlich. Die kennen dich halt nicht. Und du weisst doch, dass ich dich nicht an den erstbesten Autohändler verscherble.

Natürlich weiss ich, dass du schon 17 wirst. Du bist der Methusalem unter den Autos auf Schweizer Strassen. Dort ist aktuell ‹gross, wirksam und potent› Trumpf. Schon elf Jahre leistest du mir treue Dienste – unterwegs bei Sonnenschein und Regen, tags und nachts, durch Nebel und Sturm, mit und ohne Zeitdruck, über Schnee und Eis, gekühlt und geheizt. Du bekommst auf deinem Parkplatz unter der Rosskastanie im Frühling die klebrigen Blüten, dann die Vogelschisse ab, erduldest stillschweigend im Spätsommer die Kastanien und im Herbst die Blätter.

Drum hat deine Karosserie zahlreiche Kratzer und Altersflecken, aber die habe ich ja auch. Wir passen zusammen.

Klar, habe ich dich schon stehen lassen und bin mit dem Bus heimgefahren, oder ich habe dich schlichtweg irgendwo vergessen. Sorry. Aber diese kleinen Untreuen hast du mir längst verziehen, liebes Auto.»

Aber das mit der E-Mail beschäftigt mich: Wie wissen die, dass mein Auto nicht mehr das jüngste ist? Sieht man das mir oder meiner E-Mail-Adresse an? Wie haben die mich gefunden?

In der Rubrik «item» halten Redaktorinnen und Redaktoren Beobachtungen aus ihrem beruflichen und privaten Alltag fest.