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Wollen wir eine Gesellschaft des Misstrauens?

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ie tumbe bis brandgefährliche Rhetorik von US-Präsident Donald Trump wird derzeit in den USA aber auch in Europa heftig diskutiert. Trump treibt die Instrumentalisierung der Sprache medienwirksam auf die Spitze. Aber er ist bei Weitem nicht der Einzige, der dies tut. Rechtspopulistische Regierungen von Italien über Ungarn bis nach Brasilien bedienen sich einer Sprache, die einzig dazu da ist, Menschen gegeneinander aufzubringen sowie Angst und Misstrauen zu schüren. Meistens muss etwas oder jemand «weg» – «und zwar immer mit Ausrufezeichen!», sagte dazu einst der deutsche Linguist Martin Haase. In der Schweiz hat sich die SVP dieser Aufgabe verschrieben. So brachte 2003 der damalige SVP-Präsident Christoph Blocher erstmals den Ausdruck «Scheininvalide» ins Spiel. Der Mythos vom «Sozialschmarotzer» war geboren. Dieses Bild vom arbeitsscheuen IV-Bezüger, der nichts anderes im Sinn hat, als missbräuchlich zu Rentenleistungen zu kommen, hat sich über die Jahre subtil in den Köpfen vieler Menschen in der Schweiz eingenistet. Auf solche Weise offenbar, dass in der jüngsten Tamedia-Umfrage 68 Prozent für das Gesetz zur Überwachung von Sozialversicherten sind, das am 25. November zur Abstimmung kommt. Durch das Gesetz soll eine Praxis, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und in der Folge vom Bundesgericht gerügt worden war, legalisiert werden. Laut dem Gesetz dürfen Sozialversicherungen IV- und AHV-Bezüger, Arbeitslose sowie Unfall- und Krankenversicherte bei Verdacht auf Missbrauch überwachen lassen. Und zwar mit Bild- und Tonaufnahmen sowie unter Einbezug technischer Instrumente zur Standortbestimmung. Eine richterliche Genehmigung brauchen sie nur für den Einsatz von GPS-Trackern und Drohnen.

Die Überwachung von Versicherten als letztes Mittel habe sich bewährt, argumentiert das Komitee «Ja zu Fairplay im Sozialversicherungsrecht», bestehend aus Vertretern von CVP, SVP, FDP, GLP und BDP. Die Versicherungen hätten so in den vergangenen Jahren 80  Millionen Franken pro Jahr an ungerechtfertigten Auszahlungen einsparen können. Das ist zweifelsohne viel Geld. Doch ist diese Zahl zu relativieren, wie das Beispiel der Invalidenversicherung zeigt. 2017 hat die IV 2130 Ermittlungen wegen Verdachts auf Versicherungsmissbrauch abgeschlossen. Der Verdacht bestätigte sich in 630 Fällen. Bei insgesamt 220 000 IV-Bezügern ergibt das eine Missbrauchsquote von 0,3  Prozent. Diese Zahl klingt weitaus weniger empörend. Mehr als zwei Drittel der Fälle wurden zudem ohne Observation aufgedeckt, beispielsweise durch eine erneute medizinische Abklärung.

Die Daten des Bundesamtes für Sozialversicherungen zeigen aber auch, dass sich der Verdacht in vielen Fällen gar nicht bestätigt. Nun sind wir aber alle Versicherungsnehmer und vor Unfall oder Armut nicht gefeit. Das heisst, die Observierungsmassnahmen können alle treffen.

Missbrauch ist Betrug, und dagegen muss vorgegangen werden. Aber sollen dafür massive Eingriffe in die Privatsphäre der Bevölkerung zugelassen werden? Sollen Sozialdetektive Garten, Balkon, Wohn- und gar Schlafzimmer observieren können, solange diese von einem öffentlichen Ort her einsehbar sind? Soll das Gewaltmonopol von Polizei und Staatsanwaltschaft ausgehebelt werden, indem Versicherungen ohne richterliche Genehmigung bestimmen können, wen sie überwachen? Nein. Nur ein ordentliches rechtsstaatliches Verfahren schützt vor Willkür und vor einer Unkultur des Misstrauens.

Leitartikel

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