Mit sieben Jahren wird das sizilianische Mädchen Filomena von ihrer Mutter in ein Klosterinternat abgeschoben. Ohne Begründung, ohne Abschied. Im Benediktinerkloster im Süden Siziliens herrscht strenge Klausur. Für die Kinder wie für die Nonnen gibt es kaum Kontakt zur Aussenwelt – zur «Draussenwelt», wie es Filomena nennt. Als Neuling im Internat ist das Mädchen auf sich allein gestellt, nur ihre neue Ziehmutter, Suor Immacolata, wird langsam zur Bezugsperson für das verstörte Kind.
Anna Castronovo schildert in «Klosterkind» unbarmherzig die Innenwelt eines verlassenen Mädchens. Ihre Isolation geht unter die Haut – aber auch die Glücksmomente und die Hoffnung berühren den Leser. In ihrer Einsamkeit gibt es Lichtblicke: «Suor Immacolata streichelte mein Haar, ganz kurz nur. Ihre scheue Geste war die einzige körperliche Zuwendung, die ich seit Monaten erfahren hatte.»
Gradlinig, spannend
Der Leser sucht wie das Mädchen nach dem Grund der Abschiebung, erwartet wie das Mädchen den Tag der Erlösung und bangt mit dem Mädchen dem langersehnten Treffen mit der alten Mutter entgegen. Und fragt sich, ob es mit einer solchen Vorgeschichte jemals Versöhnung geben kann.
Nur gerade eine Handvoll Personen behandelt Castronovo eingehender, der Fokus liegt durchweg auf der Icherzählerin. Damit wird die Handlung sehr linear, Castronovo erlaubt sich keine Abschweifungen vom Schicksal des Mädchens. Was als Einseitigkeit abgetan werden könnte, erlaubt der Autorin gleichzeitig, die Spannung durchgehend hochzuhalten.
Die Spannung geht auch dann nicht verloren, wenn die alte Nonne Immacolata die Legenden um Madre Isabella Tomisa erzählt. Die wundersamen Geschichten um die Nonne, die im 17. Jahrhundert freiwillig Status und Vermögen ablegte und sich zur niedersten Dienerin Gottes machte, sind historisch bezeugt. In ihrer Vorbildfunktion soll Isabella Zielscheibe des Teufels geworden sein, der sie bis ans Lebensende immer wieder in Versuchung geführt haben soll. Ihren Spuren folgt nun Filomena.
«Klosterkind» ist ein Buch über starke Frauen. Es ist kein feministisches Buch, aber die Rollenverteilung ist klar. Filomenas Vater gehört der sizilianischen Mafia an, schlägt und säuft, die Mutter ist das gutmütige, wehrlose Opfer. Filomena, die in Verzweiflung und Einsamkeit aufwächst und heranreift, ist schliesslich das starke, ja emanzipierte Mädchen, das sich trotz allen Bemühungen ihres Umfelds nicht brechen lassen will.
Anna Castronovo: «Klosterkind», Books on Demand, 2018, 316 Seiten.
Die Autorin
Spürbare Wurzeln in Sizilien
Anna Castronovo, Jahrgang 1977, ist in München geboren, hat aber familiäre und berufliche Wurzeln in Italien. Sie studierte Italienisch-Übersetzung in Perugia und ist mit einem sizilianischen Mann verheiratet. «Klosterkind» ist ihr dritter Roman.
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