Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

«Mir gefällt das Frauenbild in vielen Grimm-Märchen nicht»

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Christine Reckhaus ist professionelle Märchenerzählerin aus Tafers. Im Gespräch mit den FN erzählt sie, warum sie nicht gerne Märchen der Brüder Grimm erzählt und was das mit dem Weltfrauentag zu tun hat.

Frau Reckhaus, Sie sind ausgebildete Märchenerzählerin. Was fasziniert Sie so an den Überlieferungen?

Es sind uralte Geschichten, die helfen können. Oftmals steckt eine starke Botschaft dahinter, und die Zuhörerinnen und Zuhörer können daraus Hoffnung schöpfen oder gar Lösungsansätze für eigene Probleme erkennen. Das kommt an bei den Menschen, darum lassen Märchen selten wen unberührt.

Was für Märchen erzählen Sie Ihrem Publikum am liebsten?

Es gibt unglaublich tolle Märchen aus der ganzen Welt. Wenn ich Kindern Märchen erzähle, dann solche, die sich um eher schwache Lebewesen drehen, die im Verlauf der Geschichte jedoch gestärkt werden, Mut finden und diesen auch zeigen. Ich mag zum Beispiel auch Märchen, wo Mädchen schlau und präsent sind und wo ein Miteinander der Geschlechter und kein Geschlechterkampf stattfindet. Viele Märchen der Brüder Grimm finde ich in der Hinsicht nicht ideal.

Warum das?

Mir gefällt das Frauenbild in vielen ihrer Märchen nicht. Meistens sind die Frauen in passiven Rollen, sind bescheiden und demütig. Bestes Beispiel ist Dornröschen: Die wehrlose Prinzessin muss von einem Helden gerettet werden. Ein Muster, dem wir oft in den Geschichten der Brüder Grimm begegnen.

Woher kommt dieses Bild?

Die Geschichten der Brüder Grimm wurden im 19. Jahrhundert gesammelt und aufgeschrieben, die Frauen entsprechen dem damaligen Frauenbild. Die ursprünglichen Märchen sind aber viel, viel älter und zeigen ein Bild, in dem die Frauen Helferinnen sind, klug, sie sind Kämpferinnen, Heldinnen, Herrscherinnen und Göttinnen – wie etwa die Frau Holle als Muttergöttin. Sie verkörperte noch das Helle, wie Leben geben, und das Dunkle, den Tod bringen. Durch die Einführung des Christentums wurde das positive, das ganzheitliche Bild der Göttin und damit auch das Bild der Frau verändert. Alles Helle wurde auf die Gottesmutter Maria projiziert. Dunkle Eigenschaften, die in jedem Menschen vorhanden sind, wurden Frauen und anderen Wesen angelastet. So entstand etwa die Figur der Hexe. Damit ging bei den Frauenbildern die Einheit verloren.

Andere Kulturkreise kennen dieses Phänomen nicht?

Auf jeden Fall nicht in diesem Ausmass. Weltweit gibt es Märchen, die von Frauen handeln, die Heldenstatus erlangen, sich als barmherzige Helferinnen oder Göttinnen zeigen. Sie werden oftmals mit Leben und Liebe in Verbindung gebracht. 

Nicht in allen Grimm-Märchen kommen die Frauen schlecht weg.

Das stimmt natürlich, es gibt auch Ausnahmen. Bestes Beispiel ist etwa Gretel, die sich im Verlauf der Geschichte von ihrer passiven Rolle löst und sich zu einem schlauen und mutigen Mädchen entwickelt, das seinen Bruder Hänsel und sich selber rettet. Aber trotz dieses Umstands ist auch diese Geschichte, was typisch ist für Grimm-Märchen, nicht wirklich kindertauglich. 

Warum haben sich Grimm-Märchen trotzdem so durchgesetzt?

Die Sammlung der Gebrüder Grimm ist wohl die am meisten verbreitete. Die Märchen sind etwa auch auf dem afrikanischen Kontinent verankert – Missionierende haben sie dort unters Volk gebracht. Im 19. Jahrhundert waren viele Märchensammler unterwegs, um die Märchen vor dem Vergessenwerden zu retten. Die Grimms hatten ganz einfach das beste Marketing, auch weil sie die Märchen als ideale Kindergeschichten anpriesen, was sie ja aber überhaupt nicht sind. 

Verlassen wir die Welt der Märchen. Heute ist der Internationale Tag der Frau. Wenn Sie die Rollenbilder in den Grimm-Märchen mit der heutigen Welt vergleichen, was löst das in Ihnen aus?

Ich kenne mich in Geschichte relativ gut aus und kenne das Frauenbild in unterschiedlichen Epochen. Ich bin nicht glücklich mit dem, was ich sehe; aber es war schon schlimmer.

Christine Reckhaus (63) wohnt in Tafers und ist professionelle Märchenerzählerin.
zvg

Was stört Sie besonders?

In Bezug auf die Märchen finde ich ganz schlimm die Märchenfilme von Walt Disney. Märchen als Film oder Trickfilm zu zeigen, finde ich ohnehin schade; jede und jeder sollte sich seinen eigenen Bilder zu Märchen machen. Aber wie Disney etwa Schneewittchen zeigt: Dieses in meinen Augen zuckersüsse Mädchen in ihrem Kleid, die entsetzlich böse, angsteinflössende Königin, die geistig verkümmerten Zwerge, das geht so nicht. Diese Filme tragen das alte Frauenbild weiter.

Heute kämpfen wir noch immer gegen überholte Frauenbilder und Ungleichbehandlung von Frauen an. Liegt das auch an den Märchen, die uns als Kinder erzählt wurden?

Das glaube ich nicht, das hat sich eher historisch entwickelt. Auch sind nicht alle Märchen der Brüder Grimm auf ein schlechtes Frauenbild zurückzuführen. Erschreckend fand ich, dass es während Covid erneut einen Rückschritt bei der Gleichstellung gab – zumindest habe ich das so wahrgenommen. Erneut waren es vor allem Frauen, die schauen mussten, wie sie Schulausfälle oder Kitaschliessungen mit ihren (Teilzeit-)Jobs vereinbaren konnten.

Zwei Jahre Pandemie, jetzt Krieg in der Ukraine. Brauchen wir in solchen Momenten Märchen besonders?

Märchen können wir immer gebrauchen. Es sind oft Leidensgeschichten mit einem positiven Ende. Wer wünscht sich das nicht, gerade in der aktuellen Situation. Märchen können uns helfen, den Mut nicht zu verlieren – oder wieder zu finden. 

Internationaler Frauentag

Kämpfen für Gleichberechtigung

Jeweils am 8. März wird der Internationale Frauentag gefeiert. Erstmals wurde der Frauentag, der auf Initiative sozialistischer Organisationen ins Leben gerufen wurde, am 19. März 1911 gefeiert. Mit dem Tag soll seit Anbeginn seiner Entstehung weltweit für die Gleichberechtigung, das Frauen-Wahlrecht und die Emanzipation von Arbeiterinnen gekämpft werden. 1921 wurde der Frauenkampftag definitiv auf den 8. März gelegt. In rund 20 Ländern gilt der Tag als gesetzlicher Feiertag, etwa in China, Kasachstan, Uganda, der Ukraine oder Russland. Auch in Berlin gilt der Tag als Feiertag.

Kommentar (0)

Schreiben Sie einen Kommentar. Stornieren.

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Pflichtfelder sind mit * markiert.

Meistgelesen

Mehr zum Thema