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Sparplan: BAG-Chefin Anne Lévy lanciert Initiative gegen Überversorgung – was das für Patientinnen bedeutet

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Schwyzer operieren den Meniskus drei Mal häufiger als Tessiner und auch in anderen Bereichen sind die Unterschiede gross zwischen Kantonen. Die Chefin des Bundesamts für Gesundheit, Anne Lévy, lanciert nun eine neue Initiative für eine «angemessene Versorgung».

Frau Lévy, Sparen im Gesundheitswesen ist schwierig. Dies, obwohl wir seit Jahren wissen, dass 20 Prozent der Kosten auf Ineffizienzen im System zurückgehen, die ohne Qualitätsverlust gestrichen werden könnten. Wo liegt das Problem?

Anne Lévy: Wir haben ein gutes Gesundheitssystem und eine hohe Lebenserwartung. Die Leute sind zufrieden mit der Versorgung, weil sie schnell einen Arzttermin erhalten. Die Wartefristen sind im Ausland deutlich länger. Das wird geschätzt, hat aber auch seinen Preis. Zudem ist es nicht einfach, Ineffizienzen zu belegen. In diesem Spannungsfeld befinden wir uns.

Warum ist es so schwierig, Einsparungen durchzubringen?

Es sind viele Akteure involviert, manches wird national geregelt, anderes kantonal. Das Gesundheitswesen ist föderal gestaltet. So bestimmen etwa die Kantone, wie viele Spitäler es gibt und wo es sie braucht. Wir haben über 200 Akutspitäler, mehr als 40 Krankenkassen, Hunderte Arztpraxen, die Pflege und viele Verbände. Sie alle bringen ihre Interessen ein. Das ganze System ist entsprechend komplex.

Komplexität als Problem: Müsste also die Anzahl Akteure sinken, um Reformen zu schaffen?

Der Föderalismus gehört zu den Grundpfeilern unseres Staates und macht im Gesundheitswesen auch Sinn. Es sind die Kantone, die nahe an den Menschen sind, die wissen, was sie brauchen.

Was ist Ihr Vorschlag?

Der Sorgenbarometer zeigt, dass die Gesundheitskosten die Bevölkerung stark beschäftigen. Unser Ziel muss darum sein, die gute Qualität aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Kosten zu dämpfen. Diese Balance zu halten, ist unsere Hauptaufgabe. Das ist anspruchsvoll. Und dafür müssen wir uns untereinander noch besser koordinieren. Dank den Kostendämpfungspaketen des Bundes konnten schon Einsparungen erwirkt werden, ebenso bei den Laboranalysen.

Sie wollen die Überversorgung angehen. An den Trendtagen in Luzern sprachen Sie von «angemessener Versorgung». Wie funktioniert diese?

Oberstes Ziel sind eine qualitativ gute Versorgung und die Sicherheit der Patientinnen und Patienten. Die Kunst dabei ist, weder eine Unterversorgung noch eine Überversorgung zu haben. Beides ist wichtig. Denn nicht nur eine fehlende Behandlung kann zu Schaden führen. Auch wer beispielsweise zu viel oder zu lange ein Medikament einnimmt, kann krank werden. Wir haben eine neue Initiative gestartet, um das Thema gemeinsam mit allen Akteuren zu vertiefen.

Wer legt eine angemessene Versorgung fest?

Zahlreiche medizinische Fachorganisationen, Spitäler und Verbände kümmern sich bereits darum, prüfen Behandlungen und geben Empfehlungen ab. Wir haben die Aktualisierung des Versorgungsatlasses des Gesundheitsobservatoriums Obsan unterstützt. Darin lässt sich genau ablesen, wie unterschiedlich die Versorgung in den Kantonen ist. Je nachdem, wo eine Person wohnt, wird ihr der Meniskus operiert – oder nicht. Das beobachten wir auch bei auch Hüftoperationen, Hallux-Operationen oder bei der Verschreibung von Schmerz- und Beruhigungsmitteln. Da sehen wir grosse Unterschiede.

Und die lassen sich nicht erklären?

Teilweise schon, über Demografie, den Unterschied zwischen Stadt und Land. Aber manche Unterschiede sind so massiv, dass sie rein medizinisch wohl nicht erklärbar sind.

Bild: Alex Spichale

Wer bestimmt nun, was das richtige Mass ist?

Das Wissen und die Erfahrung sind bei den jeweiligen Fachorganisationen, nicht beim BAG, sie können anhand einer klaren Indikation sagen, wann beispielsweise eine Meniskus-Operation Sinn macht. Und machen dies bereits auch, der Verein Smarter Medicine hat schon viele gute Beispiele zusammengetragen. Wichtig ist: die richtige Behandlung zur richtigen Zeit.

Ist es Ihr Ziel, gewisse Standards verbindlich zu erklären?

Wir sind nicht diejenigen, die sagen, wann es ein neues Hüftgelenk braucht und wann nicht. Das ist nicht unsere Aufgabe. Unsere Aufgabe ist nebst der Koordination und Übersicht, die Patientinnen und Patienten zu sensibilisieren. Damit auch sie sich überlegen, ob eine Operation der beste Weg ist. Die Qualität der Behandlung ist für die Patientensicherheit zentral.

War das nicht auch das Ziel des Qualitätsgesetzes, das 2019 verabschiedet wurde? Ist die Umsetzung gescheitert?

Die Qualitätskommission gibt es erst seit kurzem. Aber es ist in der Tat ihre Aufgabe, die Qualität zu fördern, und dafür hat sie schon Wichtiges aufgegleist.

Das Thema Überversorgung hängt auch von der Tarifierung ab, vom Preis. Dort tritt der Bundesrat seit Jahren auf der Stelle. Ein neuer Tarif für ambulante Arztleistungen liegt parat. Wie geht es weiter?

Das System der Abrechnung ist relevant. Das gilt auch für die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (Efas), die durchs Parlament gegangen ist. Im System haben wir falsche Anreize für die Finanzierung, weil die stationäre Behandlung von Kanton und Krankenkasse bezahlt wird, die ambulante aber nur durch die Krankenkasse. Das soll Efas nun ändern, also dass beide Behandlungen gleich finanziert werden. Das ist auch für die Patientensicherheit zentral.

Warum?

In der Schweiz wird im Vergleich zum Ausland viel häufiger stationär behandelt. Dabei wären ambulante Behandlungen erstens oft angenehmer für Patientinnen und Patienten, weil manche lieber daheim anstatt im Spital sind. Zweitens kann man das Risiko verringern, sich mit Keimen anzustecken. Mit der Reform zur einheitlichen Finanzierung bringen wir den Fehlanreiz weg, die teurere stationäre Behandlung vorzuziehen.

Sie werden den Bundesrat beraten, ob er den neuen Ärztetarif annehmen soll. Was empfehlen Sie?

Die Diskussion wird noch geführt. Klar ist, dass der alte Tarif Tarmed abgelöst werden muss. Aber es liegen zwei Vorschläge auf dem Tisch, neben dem Tardoc gibt es auch ambulante Pauschalen. Sicher ist, dass es in Zukunft beides braucht, Einzelleistungstarife und Pauschalen.

Über Qualitätsverbesserungen und Preispolitik kann einer Überversorgung begegnet werden. Wie wichtig ist das elektronische Patientendossier, das seit Jahren kaum vorwärtskommt?

Persönlich möchte ich das elektronische Patientendossier nicht mehr missen. Zwar ist es in der Ausführung noch nicht perfekt. Auch gibt es noch zu wenige Institutionen, die angeschlossen sind. Und zu wenige Leute, die es nutzen. Aber wir arbeiten daran.

Aktuell sind Spitäler, Geburtshäuser und Heime sowie neu zugelassene Ärzte verpflichtet, die Infrastruktur zu haben, aber die Anwendung ist freiwillig. Niemand nutzt das.

Darum brauchen wir ergänzend zur kurzfristigen Revision, mit der jedes eröffnete Dossier finanziell unterstützt wird, die umfassende Revision: Wir verbessern nicht nur die Anbindung, sondern verpflichten alle, das EPD zu brauchen. Die meisten Ärzte haben bereits ein digitales Praxisinformationssystem, und die Idee ist, dass man den Standard so setzt, dass mit einem Klick alle gewünschten Informationen auf dem elektronischen Patientendossier sind. Das vereinfacht vieles: keine Austrittsbriefe mehr zum Beispiel. Und der zuweisende Arzt weiss, was das Spital macht – und umgekehrt. Das ist eine Entlastung – oder zumindest müsste es eine werden.

Die Kantone wollen, dass der Bund die Zügel in die Hand nimmt und die Einführung koordiniert, um zu verhindern, dass es verschiedene Abrechnungssysteme gibt, die nicht miteinander kommunizieren. Müsste man nicht erst die technische Grundlage legen, bevor der Ausbau und das Obligatorium kommen?

Doch. Daran arbeiten wir ja. Wir treiben zwei Projekte voran. Neben dem EPD ist dies die Standardisierung und bessere Vernetzung der Informatiksysteme, das läuft mit Digisanté. Damit die Systeme besser aufeinander abgestimmt sind, miteinander kommunizieren können und ein Arzt eine Information nur noch einmal eingeben muss.

Und wieso hat dann jeder Kanton fürs EPD seine eigene Lösung?

Das Parlament entschied sich beim EPD zu Beginn für eine dezentral-föderalistische Lösung. Daraus sind mehrere Stammgemeinschaften erwachsen, sie operieren mit drei Systemen. Die Kantone können ihre Aufgaben und Anbieter aber natürlich zusammenschliessen. Das erfolgte zum Beispiel in der Romandie, wo sich die Kantone zusammengetan haben und in den Ausbau investieren. Wenn jetzt gewartet wird, dass für jeden Schritt eine Gesetzesänderung erfolgen muss, verlieren wir viel Zeit. Eine engere Koordination unter den Kantonen ist jetzt schon möglich.

Mit dem EPD ist der Kostenschub nicht gelöst. Der medizinische Fortschritt ist teuer. Wie lässt sich das in Zukunft auffangen?

Der medizinische Fortschritt ist beeindruckend. Ich denke etwa an Krebsbehandlungen oder Impfungen, seien es altbekannte wie gegen Pocken oder die relativ neue HPV-Impfung. Das sind nicht nur Medikamentenkosten, sondern auch Krankheitskosten, die uns erspart bleiben. Die Menschen sind bereit, für diesen Fortschritt etwas zu zahlen. Die Frage ist einfach, wie viel es kosten darf.

Und?

Schauen wir die neuen, teuren Medikamente an zur Bekämpfung von Krebs oder Bluterkrankheit – Krankheiten, die wir endlich behandeln können –, dann sind sie extrem hilfreich. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass unser Gesundheitssystem bezahlbar bleibt, das nehmen wir sehr ernst. Das ist der Grund, wieso es manchmal länger dauert, bis ein Medikament auf den Markt kommt. Jedes wird auf die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit untersucht. Wir führen harte Verhandlungen, damit Medikamente bezahlbar bleiben.

Sind denn die teureren Medikamente immer die besseren?

Auch das gehört zum Thema adäquate Versorgung. Wir prüfen nicht nur Medikamente. Beispielsweise würde in gewissen Fällen heute ein Röntgenbild reichen, trotzdem wird ein MRI gemacht. Mit unserer neuen Initiative geht es darum, zusammen mit den Fachleuten zu schauen, wie wir Über-, Unter- oder Fehlversorgung vermeiden können. Oder wann die konservative Methode eine günstigere, aber gleichwertige Behandlung bietet.

Bild: Alex Spichale

Seit Corona stellt die Ärzteschaft eine starke Verunsicherung fest. Das Selbstverständnis, gesund zu sein, schwindet. Die Angst vor Krankheit steigt. Sehen Sie das als Problem?

Wir können selbst viel machen, damit wir gesund bleiben: nicht rauchen, nicht trinken – zumindest nicht zu viel, sich genügend bewegen und auf die Ernährung achten. Ich finde es sehr positiv, dass sich die Bevölkerung dessen mehr bewusst ist. Aber wie bei allem kann es drehen. Menschen lassen sich verunsichern, wenn ihre Smartwatch Werte anzeigt, die ausserhalb der Norm sind – und sie sofort eine Laboranalyse bestellen. Wichtig ist zu informieren, dass nicht jede Mehrbehandlung besser ist.

Das ist doch ein Problem?

Es ist wichtig, dass man das gut einordnen kann. Es ist entscheidend zu wissen, wann ein Wert gefährlich ist.

Diese Verunsicherung ist unmittelbar Treiber von Kosten.

Die Frage ist, wer die Beratung macht. Das muss nicht zwingend ein Arzt oder eine Ärztin sein. Bereits heute übernehmen Apotheker wichtige Aufgaben, auch Pflegefachleute könnten manches übernehmen.

Wir haben Medikamenten- und Fachkräftemangel. Setzen wir den richtigen Fokus, wenn wir uns ständig um die Kostenfrage drehen?

Beides gehört zusammen. Gerade das will die adäquate Versorgung. Gesundheitsfachpersonen dort einsetzen, wo es sie braucht. Wir nennen das Task Shifting. Manche Personen müssen heute zu viel erledigen, was nicht ihren Hauptaufgaben entspricht und gut auch von anderen übernommen werden könnte.

Wie wollen Sie dem Mangel denn begegnen?

Die Umsetzung der Pflegeinitiative ist ein gutes Beispiel. Wir bilden mehr Menschen aus und verbessern die Arbeitsbedingungen, um die Fachpersonen länger im Job zu halten. Bei den Hausärzten haben wir das Gleiche gemacht. Die Schweiz bildet anderthalbmal so viele Medizinstudenten aus wie noch vor zehn Jahren. Auch die Arbeitgeber, also beispielsweise die Spitäler oder Praxen, sind gefragt, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass man gerne dort arbeitet.

Ihre neue Chefin, Elisabeth Baume-Schneider, hat angekündigt, einen Masterplan Grundversorgung zu lancieren. Machen wir noch zu wenig?

Mit der Förderung der Hausarztmedizin konnte ein wichtiger Pflock eingeschlagen werden. Wir haben mehr Studienplätze geschaffen und das Thema Grundversorgung während des Studiums attraktiver gemacht. Aber ja, es ist sinnvoll, die Grundversorgung weiter zu stärken. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider hat festgehalten, dass diese in einem nächsten Schritt breiter gedacht werden muss und Hausärzte, Pflegende, Apotheken sowie zum Beispiel Pädiater und Notfallversorgung in die Überlegungen einzubeziehen sind.

Aber Hausärzte fehlen immer noch.

Darum bleibt eine Stärkung natürlich das Ziel. Gleichzeitig ist zu schauen, was kann die Pflege an Aufgaben übernehmen? Und was muss eine Ärztin, ein Arzt erledigen? Beispielsweise können auch vermehrt Apotheken impfen. Der zweite wichtige Aspekt ist, dass stationäre Einrichtungen viele Ressourcen binden. Vieles könnte heute ambulant erledigt werden. Insofern bin ich zuversichtlich, dass wir eine gute Versorgung auch in Zukunft hinkriegen.

Auch wenn wir heute viele Fachkräfte aus dem Ausland abziehen?

Wir haben uns bemüht, und es ist uns gelungen, mehr Leute auszubilden. Wir bleiben da dran. Und es geht auch darum, diese Personen im Beruf zu halten. Da sind wir nicht perfekt, daran arbeiten wir.

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