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Um die neue Welt besser verstehen zu können

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Jürg Kohlas, in Ihrem Buch «informatik@gymnasium» fordern Sie die Einführung der Informatik als Pflichtfach in den Gymnasien. Hat die Informatik nicht schon längst Einzug in unsere Schulen gefunden?

Zuerst muss man wissen, dass Informatik und deren Anwendung nicht das Gleiche ist. Kinder surfen, mailen, gamen und beteiligen sich an sozialen Netzen. In den Schulen wird heute oft unterrichtet, wie man Personal Computer (PC), Laptops und andere neue Geräte der Informations- und Kommunikationstechnologie einsetzt. Dies erfolgt meist im Rahmen der Medienkunde. Uns geht es aber nicht um die Anwendung, sondern um die Lehre, was hinter den Anwendungen steckt, also um Informatik als eigenständige Wissenschaft, bei der es um die automatische Verarbeitung von Informationen mithilfe von Digitalrechnern geht. Heute wird in den Gymnasien Informatik höchstens als freiwilliges Ergänzungsfach angeboten.

 

 Und wieso ist dies so wichtig, dass man sich damit in den Gymnasien befasst?

Seit der Industrialisierung Ende des vorletzten, Anfang des letzten Jahrhunderts spielen die Maschinen eine wichtige Rolle. Die ersten Maschinen übernahmen mühsame Arbeiten, dienten der Energieumformung und übertrugen Kräfte. Um zu verstehen, wie Maschinen funktionieren, wie Energie erzeugt und übertragen wird, sind physikalische Kenntnisse notwendig. In der Folge wurden naturwissenschaftliche Fächer wie Physik, Chemie, Biologie in den Schulen, insbesondere in den Gymnasien, eingeführt.

 

 Und warum soll das neue Fach Informatik dazukommen?

Die Erfindung des Computers war ein Ereignis, das die Welt verändert. Bei diesen neuen Maschinen stehen nicht mehr physikalische Begriffe wie Energie, Arbeit und Kraft im Vordergrund, sondern die Begriffe der Information und Daten. Heute werden dank Computer Daten, Texte, Bilder und Ton in unvorstellbaren Grössenordnungen gespeichert und verarbeitet. Das alles schafft eine neuartige Welt, welche nach einer entsprechenden Weltsicht verlangt, die auch virtuelle Sachverhalte einbezieht. So ist es logisch, dass nun die Informatik als Schulfach aufgenommen wird.

 

 In Ihrer Begründung für die Einführung der Informatik in Gymnasien weisen Sie auf deren gesellschaftliche Bedeutung hin.

Ja, Entscheidungen werden heute und vermehrt in Zukunft nicht nur von menschlichen, sondern ebenso von maschinellen Akteuren beeinflusst. Die Computer prägen unseren Alltag. PC, Laptop, Handy, iPhone, iPad sind nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Das ist aber nur die sichtbare Oberfläche. Unsichtbar steuern unzählige Prozessoren unsere Suche nach Informationen im Internet, regeln und überwachen alle Aspekte unserer Umwelt, so die Kommunikation und den Verkehr auf der Strasse, bei der Bahn und in der Luft. Sie kontrollieren die Energieerzeugung und -verteilung und vieles andere mehr. Für den Konsumenten unerkennbar werden Unmengen von Daten über ihn gesammelt und verarbeitet.

 

 Sie plädieren für ein spezifisches Regelwerk?

Ja. Mit dem kommenden «Internet der Dinge», also der Automation unserer häuslichen Umgebung und weiteren Entwicklungen, wird sich die Rolle der maschinellen Akteure noch verstärken. Es werden neue soziale Netze und Kommunikationsformen geschaffen. In dieser neuen Welt reicht es längst nicht mehr, eine Wirtschafts- und Rechtsordnung allein für das Zusammenleben der Menschen aufzustellen. Es braucht eine Ordnung für die Mensch-Maschinen-Welt. Dazu gehören etwa Regeln zum Umgang mit der Informationsflut, zum Schutz der Privatsphäre, zum elektronischen Geschäftsverkehr, zu elektronischen Wahlen und Abstimmungen und so weiter. NSA, CIA und Co. lassen grüssen. Für das Verständnis einer solchen Ordnung bildet vertieftes Wissen über das Wesen der informationsverarbeitenden Systeme eine unerlässliche Voraussetzung. Nur mit diesem Wissen kann verhindert werden, dass die Gesellschaft in eine gefährliche Abhängigkeit von Spezialisten gerät.

 

 Grundkenntnisse der Informatik sind für Sie auch eine Voraussetzung für ein Hochschulstudium.

Ja, laut dem Maturitätsanerkennungs-Reglement MAR müssen Maturanden eine persönliche Reife erlangen, die Voraussetzung für ein Hochschulstudium ist und die sie auf anspruchsvolle Aufgaben in der Gesellschaft vorbereitet. Sie müssen sich aber auch in ihrem natürlichen, technischen, gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld zurecht finden. Zu dieser Reife gehören Grundkenntnisse der Informatik. Und solche Kenntnisse sind heute in allen Fachrichtungen der Hochschulen gefragt. Informatik in den Gymnasien ist als unumgängliche Voraussetzung für Spitzenleistungen in allen Fächern und für die Übernahme von Verantwortung in der Gesellschaft gedacht.

 

 So ist Informatik auch für das tägliche Berufs- und Privatleben wichtig?

Die Beherrschung von Mitteln der Informatik-Kerntechnologien ist in der Arbeitswelt wie im Privatleben unentbehrlich geworden. Es geht im Besonderen um die Bereiche Textverarbeitung und Tabellenkalkulation, Grafik und Visualisierung, Dateien, Gestaltung der Datenbanken und Informationssuche im Internet und in vernetzten Datenbanken. Dabei sind grundlegende Kenntnisse der Informatik hilfreich, um laufende Weiterentwicklungen auf diesen Gebieten ein Leben lang folgen zu können und ihr Potenzial auszuschöpfen. Ohne Informatik-Kenntnisse kann eine neue Software den Anwendern grosse Mühe bereiten. In der Berufswelt werden oft Leute für betriebsinterne Informatikprobleme ausgebildet. Solche angelernte Informatiker können dann überfordert sein, wenn sich nach ein paar Jahren die Technologie ändert, was eine Entlassung zur Folge haben kann. Ohne Informatik-Kenntnisse ist es oft unmöglich, entsprechende Projekte in einer Firma zu begleiten. Die Mitarbeiter sind sodann den Spezialisten ausgeliefert. Wird die Informatik ausgelagert, so entbindet das den Auftraggeber nicht von einer engen Überwachung der Informatikprojekte, wenn Entgleisungen wie beim Bund verhindert werden sollen.

 

 Was muss man unter dem Fach Informatik in den Gymnasien verstehen?

Als Pflichtfach im Gymnasium muss die Informatik einen Einblick in die wissenschaftlichen Grundlagen der Informationsgesellschaft vermitteln. Elemente einer Informatikbildung sind etwa Algorithmen und Programmierung, Information und Daten, Grenzen der Automatisierbarkeit, Datenschutz und sichere Kommunikation, das Arbeiten an Simulationsmodellen und Visualisierung. Das fördert logisches, exaktes Denken und die Problemlösungsmethodik .

 

 Soll der Gymnasiast lernen zu programmieren?

Es geht vor allem darum, dass die Problemlösungsfähigkeit der Gymnasiasten gefördert wird. Dies geschieht eben, indem sie Algorithmen als automatisierbare Lösungsmethoden erforschen, entwickeln, formulieren und bezüglich Effizienz analysieren. Dies setzt voraus, dass sie Rechenabläufe in Programmiersprachen beschreiben und die benötigten Daten in geeigneten Strukturen darstellen und dann das Programm auf dem Computer testen. Im Vordergrund steht aber nicht das Erlernen einer bestimmten Programmiersprache.

 

 Ihr Buch ist in diesem Frühjahr erschienen. Auf welches Echo ist es gestossen?

Unsere Botschaft ist angekommen. Jedenfalls wird die Konferenz der Schweizerischen Mittelschulämter, eine Untersektion der Erziehungsdirektoren-Konferenz, zusammen mit Experten eine Arbeitsgruppe ins Leben rufen, welche die Einführung des Faches Informatik im Gymnasium studiert.

 

 Informatik@gymnasium Ein Entwurf für die Schweiz.Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich; Hsg. Jürg Kohlas, Jürg Schmid, Carl August Zehnder. Auf Deutsch vergriffen–als E-Book weiterhin erhältlich. Die französische Version ist noch lieferbar.

Zur Person

Seit 1973 an der Universität Freiburg

Jürg Kohlas ist emeritierter Professor für Informatik an der Universität Freiburg. Nach dem Studium der Mathematik und Physik an der Universität Zürich promovierte er dort in Operations Research und habilitierte sich für angewandte Mathematik. Anschliessend befasste er sich im Forschungszentrum der Firma ABB mit der Automatisierung der elektrischen Energieerzeugung und -versorgung. 1973 wurde er ordentlicher Professor an der Universität Freiburg, zuerst für Operations Research und EDV, dann für Informatik. Er war massgebend an der Entwicklung des Informatikdepartements der Uni Freiburg beteiligt.az

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