Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Uniprofessor sagt: «Wir dürfen Religion nicht als etwas Starres behandeln»

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

«Der islamische Religionsunterricht erfährt grosse Unterstützung von allen Seiten», sagt Hansjörg Schmid, Direktor des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft an der Uni Freiburg. Im FN-Interview spricht er über die Religion heute und morgen.

Die Schweiz wird religiös immer diverser: Dies stellt auch Schulen vor neue Anforderungen. Die grösste religiöse Minderheit sind mit 5,5 Prozent die Musliminnen und Muslime. Vor 20 Jahren startete das Projekt «Islamischer Religionsunterricht» in verschiedenen Deutschschweizer Schulen. In einer Studie hat der Freiburger Professor Hansjörg Schmid in Zusammenarbeit mit weiteren Experten eine Bestandesaufnahme vorgelegt. Im Interview spricht er über die Wichtigkeit des Zukunftsthemas Religion.

Professor Schmid, provokativ gefragt: Hat Religionsunterricht überhaupt noch Platz in der Schule?

Religion ist ein wichtiger Bestandteil der meisten Kulturen. Sie spielt auch eine wichtige Rolle für ethisches Handeln und soziale Verantwortung. Religion ist weltweit ein wichtiger Faktor in Konflikten, sie kann auch Kräfte der Versöhnung mobilisieren. Man kommt also nicht an Religion vorbei, deshalb hat sie auch in der Schule einen Platz.

In welcher Form soll dieser Unterricht stattfinden? Ist konfessioneller Unterricht noch zeitgemäss?

Im Kanton Freiburg und in Kantonen der Deutschschweiz haben wir mit dem Lehrplan 21 ein zweigleisiges Modell: Im religionskundlichen Unterricht wird Grundwissen erarbeitet und im konfessionellen Unterricht im Hinblick auf die eigene Religion vertieft. Dort gibt es auch Raum für Lebensfragen und die persönliche Orientierung. Beides ergänzt sich.

Wie können wir auf die veränderten demografischen Verhältnisse eingehen?

Die veränderten demografischen Verhältnisse sind eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Die gesellschaftliche Realität geht über Statistiken hinaus. So kann eine Person auf dem Papier katholisch, aber eigentlich eine grosse Zweiflerin sein. Auf der anderen Seite kann eine konfessionslose Person ein sehr spiritueller Mensch sein. Es ist viel Bewegung da, und wir dürfen Religion nicht als etwas Starres behandeln. Die Religion in unserer Gesellschaft ist vielfältiger geworden. Es besteht eine Chance darin, Gemeinsamkeiten zu entdecken, auch wenn einem etwas zunächst fremd vorkommt. Unsere Studie zeigt, wie Schulklassen beim Besuch einer Moschee solche Erfahrungen machen können.

Die Muslime bilden mit ungefähr 5,5 Prozent die grösste religiöse Minderheit in der Schweiz. Vor 20 Jahren sind Pilotprojekte «Islamischer Religionsunterricht» gestartet. Welches ist die Bilanz?

Dort wo er gestartet ist, ist der Unterricht sehr angesehen und erfährt grosse Unterstützung von allen Seiten. Dieser Unterricht ist konzeptionell auf den Schweizer Kontext ausgerichtet und vermittelt die islamische Religion in didaktisch angepasster Form. Umgekehrt ist es schwierig, wenn Kinder hinsichtlich religiösem Wissen in einem Vakuum aufwachsen. Es besteht ein Risiko, im Internet auf radikale Seiten zu stossen, ohne die Kompetenz zu haben, sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Die Schülerinnen und Schüler können sich im Unterricht orientieren und eine Meinung bilden. Den Unterricht leiten muslimische Fachkräfte mit entsprechender Ausbildung, oft sind es Imame oder Religionspädagoginnen. Dieser Unterricht findet an zehn Schulen in den Kantonen Luzern, Thurgau, Zürich und Schaffhausen statt. Viele dieser Projekte sind niederschwellig organisiert und hängen an Einzelpersonen.

Die Studie zeigt in einer Momentaufnahme der aktuellen Situation auf, dass eine grosse Uneinheitlichkeit zwischen den Gemeinden herrscht. Ist dies eine Chance oder eine Barriere für den islamischen Religionsunterricht?

Pilotprojekte haben den Vorteil, dass sie viel Spielraum bieten. Dieser wurde ausgenutzt. Es kann auch eine Chance sein, wenn sich die Dinge von unten nach oben entwickeln. Die lokale Ebene mit direkten Kontakten zwischen den verschiedenen Akteuren und Institutionen ist wichtig. Der islamische Religionsunterricht verfügt jedoch nicht über die gleichen Ressourcen wie der römisch-katholische oder evangelisch-reformierte konfessionelle Unterricht. Dieser hat meist einen festen Platz in der Stundentafel sowie ein Nutzungsrecht für die Schulräumlichkeiten.

Der Unterricht der christlichen Kirchen ist im Gegensatz zum islamischen Religionsunterricht rechtlich anerkannt. Welche Schritte wären nötig, um dies zu ändern?

Während in manchen Kantonen der Religionsunterricht sehr niederschwellig geregelt ist, erfordert er in vielen Kantonen eine rechtliche Anerkennung der verantwortlichen Religionsgemeinschaft. Die muslimischen Gemeinschaften haben Dachverbände aufgebaut, in denen die verschiedenen lokalen Vereine Mitglieder sind. Bisher hat noch kein Kanton einen solchen Dachverband anerkannt. Die Anforderungen dafür sind hoch, dazu gehören demokratische Strukturen und eine staatliche Oberaufsicht. Es gibt aber auch den Weg, zwischen Staat und muslimischen Gemeinschaften in Projekten dort zusammenzuarbeiten, wo ein besonderer Bedarf besteht. Das passiert schon in der muslimischen Seelsorge.

Wie steht es um die Finanzierung des islamischen Religionsunterrichts?

Diese ist privat und hängt sprichwörtlich am seidenen Faden. Sie ist etwa von Elternbeiträgen abhängig, die sich im Durchschnitt um die 30 Franken pro Kind und Monat bewegen, um die Lehrkräfte symbolisch zu entschädigen. In Kreuzlingen hat sich ein breit abgestützter Trägerverein etabliert, an welchem sich auch Vertreter der Kirchen beteiligen. Der islamische Religionsunterricht ist auch ihnen ein wichtiges Anliegen. Das Thema der Finanzierung ist kompliziert, da die muslimischen Gemeinden keine Kirchensteuern erheben können.

Wie ist die Situation im Kanton Freiburg? Gibt es da islamischen Religionsunterricht?

Ja, in den verschiedenen Moscheen von Freiburg, Murten und Bulle. Fände Religionsunterricht in der Schule statt, könnte er ein breiteres Spektrum an Schülerinnen und Schülern erreichen. 11’500 Personen muslimischen Glaubens ab 15 Jahren leben im Kanton Freiburg, hinzu kommen zwischen 1000 und 1500 Kinder im Schulalter. Musliminnen und Muslime in der Schweiz sind aufgrund der Migrationsgeschichte im Durchschnitt jünger als die nicht muslimische Bevölkerung.

Was ist mit anderen religiösen Minderheiten oder dem stetig wachsenden Anteil der Konfessionslosen?

Alle Schülerinnen und Schüler der obligatorischen Schule nehmen am religionskundlichen Unterricht teil, der mit dem Lehrplan 21 eine feste Verankerung bekommen hat. Es gibt auch einzelne Fälle, wo Kinder als Gast am römisch-katholischen oder evangelisch-reformierten konfessionellen Unterricht teilzunehmen.

Ein Ausblick?

Mit unserer Studie können wir eine Bestandesaufnahme vorlegen, aber keine Lösungen vorgeben. Man sieht, überall passiert etwas, es gibt verschiedene Modelle schweizweit, die Inspiration bieten können. Das grosse Echo der Studie und die vielen Anfragen dazu zeigen, dass Religion ein wichtiges Zukunftsthema ist.

Studie

Studie der Universitäten Freiburg und Luzern

Experten der Universitäten Freiburg und Luzern, darunter die Freiburger Professoren Hansjörg Schmid und René Pahud de Mortanges, zeigen laut Pressemitteilung in ihrer Studie «Religiöse Diversität, interreligiöse Perspektiven und islamischer Religionsunterricht in der Schweiz: Bestandesaufnahme und Gestaltungsräume», dass sich konfessioneller islamischer Religionsunterricht integrativ auswirkt. Wie der konfessionelle christliche Religionsunterricht findet der islamische ergänzend zum religionskundlichen Unterricht statt.

Laut der Studie leistet der altersgemässe und auf den Schweizer Kontext ausgerichtete Unterricht einen wichtigen Beitrag zur Prävention vor Radikalisierung, da er die Toleranz stärkt, und Kinder und Jugendliche beim Aufbau einer eigenen religiösen Identität begleitet. Damit wird die Resilienz gegenüber stark abgrenzenden Religionsverständnissen gefördert und vermieden, dass junge Menschen in ein Vakuum fallen, welches sie für Radikalisierungsprozesse anfällig machen kann. Die Studie wurde unter Federführung des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft erarbeitet und im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus vom Bundesamt für Polizei gefördert. ea

Zur Person

Professor für interreligöse Ethik

Hansjörg Schmid (Jahrgang 1972) ist seit 2015 Direktor des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft (SZIG) an der Universität Freiburg. Der katholische Theologe ist auch Professor für interreligiöse Ethik und christlich-muslimische Beziehungen. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen sozialethische Fragen des pluralen Zusammenlebens, Muslime in Europa, Konflikt und Frieden in Zusammenhang mit religiösen Ressourcen sowie muslimische Seelsorge und Soziale Arbeit im Kontext des Wohlfahrtsstaats. ea

Kommentar (0)

Schreiben Sie einen Kommentar. Stornieren.

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Pflichtfelder sind mit * markiert.

Meistgelesen

Mehr zum Thema