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Weltfrauentag: Autorinnen sind immer noch benachteiligt

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Schriftstellerinnen würden stärker an ihrer Biografie als an ihrem Werk gemessen. Das sagt Literaturprofessorin Sabine Haupt. Zum Weltfrauentag haben die FN mit ihr und Gilberte Graf von der Buchhandlung Lüthy Kanisius über Frauen in der Bücherbranche geredet.

Die Zahlen sprechen für sich: Literatur von Frauen wird zwar sichtbarer, die Geschlechtergerechtigkeit ist aber bei weitem nicht erreicht. Unter dem Hashtag «Vorschauenzählen» nahmen die deutschen Literaturwissenschaftlerinnen Nicole Seifert und Berit Glanz im Jahr 2020 das literarische Frühjahrsprogramm grosser Verlage unter die Lupe. Insgesamt lag das Verhältnis von Autorinnen zu Autoren bei 40 zu 60 Prozent. Doch je renommierter ein Verlag war, desto mehr setzte er auf Männer. Suhrkamp stand mit einem Autorinnenanteil von 36 Prozent noch relativ gut da, Kiepenheuer & Witsch wies 33 Prozent auf, Fischer 27 Prozent, bei Hanser waren es nur noch 22 Prozent. 

Was sich nicht verkauft, verschwindet

«Das Ganze ist vor allem merkantil gesteuert. Es geht den grossen Verlagen immer mehr darum, einfach möglichst viele Bücher zu verkaufen», sagt dazu die Freiburger Literaturprofessorin und Schriftstellerin Sabine Haupt. Während es vor 30 bis 40 Jahren noch viel mehr kleine Literaturverlage gegeben habe, seien diese heute fast verschwunden. «Die meisten werden von grossen Medienhäusern wie Holtzbrinck oder Random House aufgekauft, in deren Chefetagen nur wenige Frauen sitzen.»

Auch die Querfinanzierung durch grosse Verlage, die mit einigen Autoren Kasse machten und dadurch Autorinnen, Lyrik oder Experimentelles unterstützen konnten, funktioniere nicht mehr. Das wirke sich zwar auch negativ auf männliche Autoren aus, sagt Haupt. Aber:

Alte patriarchale Vorurteile und Stereotype, wie, dass relevante Intellektualität männlich sein soll, werden durch diesen merkantilen Druck noch verstärkt.

Sabine Haupt
Literaturprofessorin Uni Freiburg

Frauenthemen en vogue,…

Täuscht also der Eindruck, der beim Besuch der Buchhandlung Lüthy Kanisius in der Stadt Freiburg entsteht, dass Bücher von Frauen in gleichem Masse vertreten sind wie solche von Männern? Die Buchhandlung hat im Hinblick auf den 8. März einen besonderen Tisch zu Themen rund um den Weltfrauentag aufgestellt. Präsentiert werden Romane, Biografien und Sachbücher mit den Titeln: «Good Night Stories für Rebel Girls», «100 aussergewöhnliche Frauen», «Unsichtbare Frauen», «Die Erschöpfung der Frauen».

Mit dem Büchertisch wolle man den Frauen Präsenz einräumen, sagt Gilberte Graf, Co-Filialleiterin. Sie stellt fest: «Über aktuelle Themen wie Abtreibung, Wechseljahre, Menstruation und Care-Arbeit wird – angestossen durch die Frauenbewegung – heute vermehrt geschrieben als noch vor einigen Jahren.»

Frauenthemen seien heute stärker im Mainstream angekommen, denkt auch Haupt. «Aber Selbstermächtigungsbücher und Bücher über die Befindlichkeit von Frauen hat es schon in den 1970er-Jahren gegeben.»

Dass Bücher über Frauenthemen heute nicht mehr versteckt werden müssen, mag als Fortschritt gesehen werden. Allerdings verkaufen sie sich auch gut. Wie die Schmonzetten mit den süssen, rosa gehaltenen Covers, die es schon im 19. Jahrhundert gab und die auch heute noch sehr beliebt sind. «Das ist Literatur, die vor allem Frauen anspricht. Sie wissen genau, was sie dafür bekommen», sagt Graf. In die gleiche Richtung – auf modern getrimmt – gingen die neuen Bücher mit sehr amerikanisch gehaltenen, poppigen Covers, die möglicherweise Ausfluss des Booktok-Phänomens seien, so Graf. Booktok ist eine Subcommunity der App Tiktok, die sich auf Bücher und Literatur konzentriert.

… Schriftstellerinnen weniger

Dass es solche Trivialliteratur und Selbstermächtigungsbücher gibt und dass sie verkauft werden, sei in Ordnung, finden sowohl Graf als auch Haupt. Faktum sei schliesslich, dass Frauen viel mehr lesen als Männer. Graf stellt zudem fest, dass heute Bücher mit einer starken, emanzipierten Frauenfigur, wie etwa «Eine Frage der Chemie» von Bonnie Garmus, vermehrt auch literarischen Charakter haben.

Früher wurde in der Literatur oftmals ausgeblendet, welche Auswirkungen die gesellschaftlichen Gegebenheiten auf Frauen haben.

Gilberte Graf
Co-Filialleiterin der Freiburger Buchhandlung Lüthy Kanisius

Haupt stört sich aber daran, dass Frauen ausserhalb der Unterhaltungsliteratur nach wie vor untervertreten sind. «Bei männlichen Autoren wird sehr viel mehr auf die Qualität der Texte geachtet. Bei Frauen stehen biografische Daten, wie etwa das Alter, oder die Medienpräsenz im Vordergrund.» Zu sehen sei dies beim Roman «Feuchtgebiete» von Charlotte Roche gewesen, die als Moderatorin bei Viva bekannt geworden war. Oder bei Helene Hegemann, die mit nur 17 Jahren ihren Debütroman «Axolotl Roadkill» schrieb. «Mit über 60 Jahren ist man als Autorin für den Buchmarkt kaum noch relevant», weiss Haupt aus eigener Erfahrung. Sie räumt aber auch ein, dass dies nur schwer zu quantifizierende und nachzuweisende Eindrücke sind.

Männer rezensieren Männer

Klar nachgewiesen dagegen hat das Branchenprojekt «#frauenzählen» in Kooperation mit der Universität Rostock im Jahr 2018, dass in den Medien mehr männliche Autoren rezensiert werden und dass es viel mehr Kritiker gibt als Kritikerinnen. Auch erhalten Werke von Männern im Fernsehen massiv mehr Sendezeit als die von Frauen. 

Kein Wunder also, dass bei so wenig Aufmerksamkeit gute Schriftstellerinnen unsichtbar bleiben. Graf bestätigt denn auch, dass Buchhandlungen nur das anbieten können, was verlegt und beworben wird. Denn:

Vor allem Bücher, die besprochen werden, sind gefragt.

Gilberte Graf
Co-Filialleiterin der Freiburger Buchhandlung Lüthy Kanisius

Keine Gesamtausgaben

Herausragende Schriftstellerinnen hat es indes schon immer gegeben. Doch viele von ihnen sind schlichtweg in der Versenkung verschwunden. Dass an den Schulen auch heute noch vorzugsweise Hesse und Frisch anstatt Mary Ann Evans alias George Eliot und Ilse Aichinger gelesen werden, hat damit zu tun, dass ihre Werke nicht gepflegt wurden und von den Verlagen zum Beispiel keine Gesamtausgaben bekommen haben. 

«Ich schätze den Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg sehr, oder Charles Lewinsky oder Lukas Bärfuss. Aber es gibt bestimmt viele Autorinnen, die genauso gut sind, die aber in keiner Weise diese Aura, diese mediale Ausstrahlungskraft haben», sagt Haupt.

Die männlichen Autoren werden in der Öffentlichkeit viel stärker wahrgenommen, das hat aber nichts mit der Qualität ihres Werks zu tun.

Sabine Haupt
Literaturprofessorin Uni Freiburg

Und wenn Autorinnen Aufmerksamkeit erhielten, wie Elfriede Jelinek, dann sei diese nicht selten negativ, sagt Haupt. «Was gab es für einen Aufschrei etwa im Feuilleton der NZZ, als Jelinek 2004 den Literaturnobelpreis erhielt! Was war sie umstritten, und was wurde sie gebasht!»

Wenn man zudem bedenkt, wie viel Geld beispielsweise in die kritischen Robert-Walser-Ausgaben gepumpt worden sei, sei das alles nicht erstaunlich, sagt Haupt. Anstatt drei kommentierte Ausgaben eines Autors zu realisieren, wäre es ihrer Ansicht nach angebracht, das wissenschaftliche Interesse zu diversifizieren und mehr Geld in das Verlegen von Autorinnen zu investieren. 

Was es bringt, wenn die Lebensleistung von Autorinnen mehr gewürdigt wird, zeigt das Beispiel von Tove Ditlevsen (1917–1976), wie Graf erzählt. Dank der unlängst erschienenen vollständigen Übersetzung ihrer «Kopenhagen-Trilogie» auf Deutsch werde sie heute als grosse literarische Wiederentdeckung gefeiert. Zuvor erlebte ihr Werk bereits in ihrer dänischen Heimat ein Revival. 2014 wurde es in den Literaturkanon aufgenommen und damit zur Schullektüre empfohlen.

Positive Entwicklungen

Unter dem Strich zieht Haupt eine durchzogene Bilanz der feministischen Errungenschaften für die Literaturszene: «Gegenüber der Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich klar etwas getan. Schaut man sich aber die Fortschritte seit den 1990er-Jahren an, finde ich diese nicht so beeindruckend.»

Für ein wenig mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Bücherbranche gesorgt habe der Umstand, so Haupt, dass heute mehr Frauen in den Jurys der verschiedenen Literaturpreise sitzen. «Allerdings weiss ich nicht, ob das vielleicht damit zu tun hat, dass die Jurytätigkeit möglicherweise nicht so gut bezahlt ist», fügt die Literaturprofessorin kritisch an. Faktum ist, dass Autorinnen in den letzten Jahren, insbesondere in der Schweiz, bei den wichtigsten Literaturauszeichnungen verstärkt berücksichtigt werden. 

Nach Ansicht von Haupt müsste es in der Schweiz für Autorinnen nebst Pro Helvetia und kantonalen Subventionen noch andere Förderinstrumente geben, wie die langfristige Verlagsförderung nach dem Vorbild Österreichs. 

Graf sieht das Ganze weniger negativ. «Die Buchbranche hat immer wieder bewiesen, dass sie schnell auf aktuelle Entwicklungen reagieren kann.»

Kinderbücher

Starke Mädchen im Vormarsch

Viel getan hat sich in Sachen Geschlechtergerechtigkeit in der Kinderliteratur, sagt die Freiburger Literaturprofessorin und Schriftstellerin Sabine Haupt. Das kann auch Gilberte Graf, Co-Filialleiterin der Buchhandlung Lüthy Kanisius, bestätigen. Im Buch «Auf dem Bauernhof» fährt die Mutter den Traktor, in «Dinorox» ist ein Mädchen mit einem Roboter befreundet, und in «Das fantastische fliegende Fundbüro» repariert ein Mädchen Flugobjekte. Was allerdings fehlt, so Graf, sei ein Rollentausch in die andere Richtung. «Es gibt kaum Geschichten, in denen Jungs beispielsweise stricken.» Haupt merkt zu Letzterem mit einem Lachen aber an: «Das erstaunt mich nicht. Männliche Biografien sind ja oftmals interessanter als die Geschichten strickender Nesthäkchen und Hausmütterchen.» rsa

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