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Zum Jahresende: Wenn einfache Alltagsaufgaben zur Belastung werden

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Immer mehr Menschen kommen mit dem Leben nicht mehr alleine zurecht. Sie sind überfordert, werden psychisch krank und benötigen Hilfe. Verschärfend kommt der finanzielle Druck durch steigende Kosten hinzu, sagt Sozialarbeiter Elmar Boschung.

«Wir sehen uns als die Anwältinnen und Anwälte jener Menschen, die das Alltagsleben nicht mehr selbst meistern können», sagt Elmar Boschung. Die Bandbreite der Klientinnen und Klienten, mit denen es der Leiter der Berufsbeistandschaft Sense-Unterland in seinem Alltag zu tun hat, ist gross. Das sind alte, kranke und einsame Leute, körperlich oder geistig beeinträchtigte, aber auch junge lebensuntüchtige Erwachsene, die drogensüchtig oder psychisch krank sind.

Sein elfköpfiges Team hilft diesen Menschen bei ganz banalen Alltagsaufgaben: Rechnungen zu bezahlen, Briefe an Behörden zu schreiben, einen Pflegeheimplatz zu suchen, eine Stellenbewerbung auszuarbeiten, einen Haushalt aufzulösen – oder auch mal die Katze zu füttern, wenn der alleinstehende Besitzer unerwartet ins Spital kommt.

Die Berufsbeistandschaften im Sensebezirk haben in den letzten Jahren einen markanten Anstieg der Fälle verzeichnet.
Bild: Charles Ellena

Der Druck steigt

Derzeit betreut sein Team 235 Dossiers. 2022 hat der Dienst, der für rund 22’000 Menschen im Sense-Unterland zuständig ist, einen markanten Anstieg der Fälle verzeichnet. Ein Trend, der sich 2023 fortgesetzt hat und von dem Elmar Boschung annimmt, dass er weiter steigen wird. Denn wenn so wie jetzt gerade Krankenkassenprämien, Strom, Miete und Lebensmittel teurer werden, dann spüren die Klientinnen und Klienten der Berufsbeistandschaft dies noch intensiver als der Rest der Bevölkerung. Der 56-Jährige sagt:

Die meisten von ihnen haben kleine Löhne und tiefe Renten. Der finanzielle Druck steigt.

Je nach Bedürfnis

«Wir helfen Menschen, die entweder selbst nicht mehr in der Lage sind, den Alltag zu bewältigen, oder die keine Angehörigen haben, die sie dabei unterstützen wollen oder können», erklärt Elmar Boschung die Arbeit der Berufsbeistandschaft. Bei einigen betreffe die Hilfe nur einen Bereich, zum Beispiel die Finanzen, weil sie mit Geld nicht umgehen können.

Bei anderen brauche es ein Rundumpaket, eine sogenannte umfassende Beistandschaft. «Wir erledigen dann alles, was das Leben betrifft: Arbeiten, Wohnen, Gesundheit, die Verwaltung vom Einkommen und Vermögen.»

Nach einem Spitalaufenthalt

Weil die Bevölkerung dank der medizinisch guten Versorgung immer älter wird, gehören viele Betagte zum Klientenkreis der Berufsbeistandschaft. Den Auftrag, ein Dossier zu übernehmen, bekommt diese jeweils vom Friedensgericht. Gerade bei älteren Leuten seien es oft Ärzte, Spitäler oder Angehörige, die bemerken, dass etwas nicht stimmt. «Sie stellen zum Beispiel fest, dass die betroffene Person nicht gut ernährt ist, einen leicht verwahrlosten Eindruck macht, weil sie Wäsche und Putzen nicht mehr schafft, und dass sich bei ihr zu Hause die unbezahlten Rechnungen stapeln.»

Junge ohne soziales Netz

Seit einigen Jahren hat eine neue Altersgruppe vermehrt Bedarf, von der Berufsbeistand unterstützt zu werden: junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren. «Die Zahl hat markant zugenommen», sagt Elmar Boschung. Ganz genau kann er diese Entwicklung nicht erklären. Er verweist auf eine Untersuchung des Bundesamts für Gesundheit, die zeigt, dass immer mehr junge Menschen an psychischen Krankheiten leiden:

Viele haben kein soziales Netz oder eine Familie, die sie stützen, und kommen mit dem Leben nicht zurecht. Sie leiden an Vereinsamung.

Der Leiter Berufsbeistandschaft Sense-Unterland ist besorgt über die zunehmende Zahl von Klienten zwischen 18 und 25 Jahren.
Bild: Charles Ellena

Hohe Erwartungen

Er habe den Eindruck, dass einige auch rasch überfordert seien. «Möglicherweise stehen auch ihre Eltern bereits unter grosser Spannung, haben eigene Probleme und können deshalb ihren Kindern nicht helfen», mutmasst er. Vielleicht hätten diese jungen Menschen auch zu strenge Anforderungen an sich selbst oder zu hohe Erwartungen an das Leben, falsche Vorstellungen, was ihnen das Leben bieten sollte. «Unsere Welt glänzt, aber es ist nicht einfach, etwas von diesem Glanz abzubekommen.» Einige flüchten sich in Drogen:

Der zunehmende Konsum von Drogen ist im Sensebezirk ein grosses Thema.

Sozial isoliert

Bei seiner Arbeit bekommt Elmar Boschung Einblick in viele menschliche Schicksale und Menschen, die sich in einem Teufelskreis befinden: «Jede Preiserhöhung setzt sie unter Stress, noch mehr zu sparen und sich noch stärker einzuschränken», erklärt er. Sie sparten dann beispielsweise an Kultur und sozialen Kontakten. «Sie laden niemanden mehr ein, gehen keinen Kaffee trinken oder verzichten darauf, sich ab und zu etwas Gutes zu tun, was für die Moral gut wäre.» Das wiederum verstärke die soziale Isolation:

Sie ziehen sich in ihr Schneckenhaus zurück.

Sie seien dann zwar für die Gesellschaft nicht mehr sichtbar. «Aber sie sind immer noch da, leben ein spartanisches Leben.» Er nimmt an, dass dies viele Leute betrifft, auch im Sensebezirk, und dass die Dunkelziffer hoch ist.

Kaum billige Wohnungen

Dass das Leben teurer geworden ist, merke die Berufsbeistandschaft vor allem auch, wenn sie für die Klientinnen und Klienten bezahlbare Wohnungen suche. Der Markt habe sich massiv verschlechtert. Die Suche sei sehr aufwendig, weil es im Sense-Unterland sehr wenig billige Wohnungen auf dem Markt habe. «Die Menschen müssen dann entweder einen Umzug in eine andere Region in Betracht ziehen oder in einer schäbigen, renovationsbedürftigen Wohnung leben.»

Schwierige Entscheide

Egal, welchen Hintergrund ein Klient oder eine Klientin hat: «Wir versuchen immer, die für sie massgeschneiderte Lösung zu finden», hält er fest. Viele können diese Hilfe leicht annehmen, und andere hätten mehr Mühe. «Einigen fehlt beispielsweise die Einsicht, dass es wichtiger ist, die Krankenkassenprämien zu bezahlen als die Handyrechnung», führt er aus:

Manchmal müssen wir gegen den Willen des Mandanten entscheiden, aber zu seinem Schutz.

Elmar Boschung: «Jeder Fall ist anders. Wir suchen eine massgeschneiderte Lösung.»
Bild: Charles Ellena

Dankbare Menschen

Damit die Zusammenarbeit gut funktioniere, brauche es ein Vertrauensverhältnis. «Wir erklären, was wir warum entscheiden, damit sie merken, dass wir für sie da sind und nur das Beste wollen.» Auch wenn ein Sozialarbeiter oder eine Sozialarbeiterin parallel mehrere Dossiers behandelt: «Die Menschen sind bei uns nicht Nummern. Wir kennen sie, gehen vorbei oder rufen an, um zu fragen, wie es ihnen geht.» Kleine Gesten wie eine Geburtstagskarte würden sehr geschätzt.

«Wir reden hier vielleicht jetzt viel über negative Dinge, denen wir bei unserer Tätigkeit begegnen. Dabei gibt es auch viel Gutes, viele liebe und dankbare Leute, mit denen wir gut zusammenarbeiten und die uns ihr Vertrauen aussprechen.»

Viel Spielraum

Elmar Boschung schätzt deshalb an seiner Arbeit, dass er trotz eines klar abgesteckten gesetzlichen Rahmens einen recht grossen menschlichen Spielraum hat:

Wir haben zum Glück sehr viele Freiheiten, wie wir auf die Leute zugehen, um individuelle Lösungen zu finden.

Das mache die Arbeit auch spannend, denn kein Fall sei gleich. Wenn ein Klient nur Hilfe bei finanziellen Angelegenheiten, aber keinen persönlichen Kontakt wünsche, dann werde dies akzeptiert. Ebenso wie die Sozialarbeiterinnen und -arbeiter für andere eine Art Ersatz für die fehlende Familie seien. «Wir drängen uns nicht auf, aber wir geben ihnen zu spüren, dass wir für sie schauen.»

Auf Augenhöhe

Es sei immer ein Abwägen, in welchem Fall was gewünscht und nötig ist: «Wir wollen den Leuten auf Augenhöhe begegnen. Das macht unsere Arbeit wertvoll, auch wenn das heisst, dass wir ihren Emotionen ausgesetzt sind.» Das könne mitunter auch belastend sein. Man müsse lernen, abzuschalten, die Arbeit gut zu reflektieren und müsse aufpassen, dass man nicht zynisch werde:

Aber es sind auch spannende Lebensgeschichten, die wir mitbekommen. Wir lernen sehr originelle Leute kennen.

Mehr Alleinstehende

Der stete Anstieg der Fälle, die bei der Berufsbeistandschaft landen, führt Elmar Boschung einerseits auf die geänderten gesellschaftlichen Strukturen zurück. Andererseits gibt es aber viel mehr ältere Leute. Pro Senectute prägte vor kurzem den Begriff der «Gesellschaft des langen Lebens». Es fehle an Menschen, die sich um diese Alten kümmern, weil Familienstrukturen heute anders seien. «Die Kultur der Nachbarschaftshilfe ist verloren gegangen», sagt er:

Die Leute schauen viel weniger zueinander und sind auch weniger dazu bereit, etwas füreinander zu tun.

Elmar Boschung leitet die Berufsbeistandschaft Sense-Unterland seit 2016.
Bild: Charles Ellena

Aus den Augen

Er vermisst den Gemeinschaftssinn und stellt fest, dass die Gesellschaft die grossen Errungenschaften unseres Sozial- und Gesundheitswesens als eine Art Ausrede verwendet, um sich nicht um Menschen zu kümmern, denen es nicht so gut geht. «Wir Sozialarbeiter machen unsere Arbeit professionell und gut, funktionieren nach Gesetzen, Reglementen und Vorschriften. Aber damit lassen wir die Menschen, die wir betreuen, auch irgendwie verschwinden.»

Er stelle fest, dass ein Grossteil der Bevölkerung gar nicht wisse, was eine Berufsbeistandschaft eigentlich mache. «Es wäre schön, wenn die Probleme dieser Menschen wieder mehr zum Thema werden.» Wenn mehr Mitgefühl für sie entstünde und der zunehmende Hang zum Egoismus wieder abnehmen würde:

Die Maximierung des persönlichen Glücks ist bei vielen Leuten zu vordergründig. Das reicht aber nicht, damit eine Gesellschaft funktioniert.

Ein wenig Zeit und Mut

Beim Blick in die Zukunft erhofft sich Elmar Boschung deshalb einen erneuten Wandel der Gesellschaft, ein stärkeres aufeinander Zugehen und mehr Eigenverantwortung: «Eine Gesellschaft, in der es wieder selbstverständlich ist, dass es den Kindern nicht zu viel ist, für ihre älter werdenden Eltern oder alleinstehenden Tanten oder Onkel ab und zu ein paar administrative Aufgaben zu erledigen.» Er wünscht sich auch mehr Mut, beispielsweise neue Modelle des Zusammenlebens auszuprobieren, eine «Altershaus-Gemeinschaft» oder eine Wohngemeinschaft vor dem Eintritt ins Pflegeheim:

Wir sollten etwas Neues wagen, um als Gemeinschaft besser zu funktionieren.

Fälle werden immer komplexer

Die Berufsbeistandschaft Sense-Unterland hat 2022 eine grosse Zunahme an Fällen festgestellt. Auch 2023 sei die Zahl der Dossiers gestiegen, aber doch weniger stark als im Vorjahr, sagt Stellenleiter Elmar Boschung. «Die Fälle werden aber immer komplexer», hält er fest. Oft könne das Team die rechtlichen Fragen nur mithilfe von Juristen klären. Vor allem die Abklärungen mit den verschiedenen Stellen, wenn es um die Übernahme von finanziellen Leistungen gehe, sei überaus aufwendig. Er nennt als Beispiel einen Mann, der einen Unfall erleidet. Bis klar sei, wer denn nun für die Kosten in welchem Mass aufkommt, ob Arbeitgeber, Unfallversicherung, Sozialversicherung, Krankentaggeldversicherung oder gar Invalidenversicherung, brauche es viel Energie. «Es wird immer juristischer.» Zugenommen habe auch der Formalismus:

Wir füllen sehr, sehr viele Formulare aus.

Zermürbend sei auch, dass eine Stelle die Verantwortung auf die andere abschiebe. «Niemand will zuständig sein, alle hüten ihr Gebiet, niemand will verantwortlich sein, und alle verweisen auf eine andere Stelle, sodass man immer wieder anstösst.» Das hätte sicher Potenzial für eine Verbesserung der Abläufe. «Vielleicht braucht es eine Art Topf, denn irgendwann muss ja jemand die Kosten übernehmen.»

Sozialarbeiter Elmar Boschung liebt seinen Beruf.
Bild: Charles Ellena

Am Anschlag

«Wir haben ein aufwendiges Sozial- und Gesundheitswesen wie kaum ein anderes Land auf der Welt und geben sehr viel Geld dafür aus», sagt Elmar Boschung. Es gebe überall viele gute und engagierte Leute. Und doch stosse das heutige System immer wieder an seine Grenzen. Viele Leute seien am Anschlag, in den Pflegeheimen und bei der Spitex zum Beispiel. Es fehle an psychiatrischen Fachleuten, um die zunehmenden Fälle von psychisch Kranken zu betreuen, oder auch an Hausärzten. «Wir diskutieren jahrelang über eine neue Finanzierung der Sozialversicherungen, und langsam zweifle ich daran, dass wir es je schaffen, eine Revision zu Ende zu bringen.»

Um die finanzielle Last von Menschen zu nehmen, die eh schon jeden Franken dreimal umdrehen müssen, wünschte er sich auch, dass diesen der volle Teuerungsausgleich bezahlt wird, wie dies bei Staatsangestellten in der Regel der Fall sei. im

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