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Ein Kapuziner mit Forschergeist

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«Der erste Winter in der neuen Welt erinnert mich an das, was ich über den harten Winter in Kanada gelesen hatte. Unseren Fribourger Älplern würde es das Herz zum Stocken bringen, wenn sie das Vieh im Schnee sähen, frierend vor Kälte und fast ohne Unterstand. Von der Kälte zur Armut gibt es nur einen kleinen Schritt.» Dies schreibt der Freiburger Kapuzinerpater Antoine Marie Gachet 1858 in seinem Tagebuch, das er während eines fünf Jahre dauernden Aufenthalts in Wisconsin verfasst und das später unter dem Titel «Cinq ans en Amérique» publiziert wird. Gut 200 Seiten weiter kommentiert Gachet den Glauben in der Menominee-Mission, in welcher er längere Zeit lebt, folgendermassen: «Ihr religiöses System ist, wenn wir von einigen Formen des Aberglaubens absehen, wie ein Vorhof zum Christentum. Wir finden in der Seele des Indianers vor allem die Seele, die von Natur aus christlich ist.»

Überraschende Worte

Dies sind nicht unbedingt die Worte, wie sie von einem Missionar zu erwarten wären, der Mitte des 19. Jahrhunderts die Gründung eines Klosters im Norden der USA sichern soll. «Für die damalige Zeit war das Vorgehen von Antoine Marie Gachet ausserordentlich. Ich kenne kein vergleichbares Beispiel», sagt denn auch Adrian Holderegger, emeritierter Theologieprofessor der Universität Freiburg und selbst Kapuziner, den Freiburger Nachrichten. Denn Gachet, der lieber die Menominee-Mission übernahm, anstatt das Kloster in Calvary aufzubauen, sei es nicht nur um die missionarische Tätigkeit gegangen, sagt Holderegger. «Er war ebenso interessiert an ethnologischen Fragen: Er versuchte, den Stamm zu verstehen und sich in die Kultur der Menominee einzufühlen.» So habe er nicht nur innert kürzester Zeit die Sprache der Indianer erlernt, sondern auch seine Beobachtungen minutiös festgehalten–mit Worten und mit Zeichnungen.

Selbst über den 1822 in Freiburg geborenen Kapuzinerpater geforscht hat Adrian Holderegger nicht. Dennoch hat er in den letzten Monaten das Archiv der Bibliothek des Kapuzinerklosters durchforstet und sich so einen Überblick über die teils handgeschriebenen, teils gedruckten Werke von Gachet verschafft. «Gachet wird zurzeit wieder neu entdeckt», erklärt Holderegger. In den USA rückten momentan vermehrt Gegenstände des Indianerstamms in den Fokus der ethnologischen Forschung. «Man versucht, den gesellschaftlichen Kontext anhand von Alltagsgegenständen zu rekonstruieren.»

Gachets Tagebuch hätten die Volkskundler für die Erforschung von Ritualen und Bräuchen des Indianerstamms zwar bereits früher konsultiert. Der Kapuziner liefere darin jedoch auch wertvolle Beschreibungen der sogenannten materiellen Kultur. «Und da die Ethnologen die gedruckte Ausgabe des Tagebuchs benutzten, übersahen sie die vielen Zeichnungen Gachets, die nur im Manuskript zu finden sind. Diese bieten jedoch auch eine wertvolle Quelle», so Holderegger.

Detaillierte Zeichnungen

Neben Texten und Karten hat Gachet detaillierte Zeichnungen von Pflanzen, Tieren und Gebrauchsgegenständen wie Fäustlingen und Schneeschuhen sowie Szenen aus dem Alltag der Menominees angefertigt. Weiter hat er Gegenstände der Menominees nach Freiburg gesandt, gut zwanzig davon werden heute im Museum von Greyerz aufbewahrt. Und schliesslich interessierte sich Gachet auch für die sprachlichen Fragen: Er verfasste eine Grammatik zur heute verschwundenen Sprache des Stamms.

Die Welt vermessen

«Gachet war in vielen Bereichen sehr begabt, wenn nicht gar genial», sagt Holderegger. Zwar fänden seine Aufzeichnungen zu den Menominees nun langsam Beachtung, es gebe jedoch auch einige andere Dokumente, bei denen sich ein vertiefter Einblick lohnen würde, ist der emeritierte Professor überzeugt. So etwa bei Aufzeichnungen und Reflexionen aus seiner Zeit in Indien (siehe auch Kasten).

Im Gegensatz zu anderen Missionaren habe Antoine Marie Gachet insbesondere in den USA nie versucht, die bestehende Kultur zu zerstören. «Er ging den umgekehrten Weg: Er versuchte, die Lebensweise der Menominees zu verstehen und sich ihnen anzupassen, und so wurde er einer von ihnen.» Damit sei Gachet nicht ein sehr typischer Vertreter der Missionare, sagt Holderegger. «Er stand ebenfalls in einem erstaunlichen Ausmass für den Forschergeist des 19. Jahrhunderts: Er ist ausgezogen, um die Welt–auch religiös–zu vermessen.»

Der Kapuziner hat detaillierte Karten erstellt.

Zur Person

Freiburg, Amerika und Indien

Antoine Marie Gachet wird am 8. April1822in der Unterstadt von Freiburg geboren. Er geht in Freiburg zur Schule, besucht das Jesuiten-Gymnasium St.Michael und tritt1841in das Noviziat der Kapuziner ein.1846wird er zum Priester geweiht, von1853 bis 1855wirkt er alsGuardiandes Freiburger Kapuzinerklosters.1857reist Antoine Marie Gachet nachWisconsin(USA), wo er dem Kapuzinerkloster Calvary vorstehen soll. Dort lernt er die Kultur des Indianerstamms der Menominee kennen.1862wird Antoine Marie Gachet als Hilfe für den alternden Bischof Anastasius Hartmann gegen seinen Willen nachIndienbeordert. Während er die kulturelle und religiöse Welt der Menominee positiv beurteilt, bleibt er den indischen Religionen gegenüber sehr kritisch. Nach dem Tod Hartmanns kehrt Gachet1868zurück in dieSchweiz, wo er in verschiedenen Funktionen abwechslungsweise in Freiburg und in Sitten wirkt. Er wird auch als Direktor des Kollegiums St. Michael vorgeschlagen, was er aber ablehnt.1890stirbt Antoine Marie Gachet in Freiburg.rb

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