Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

20 Jahre Falli Hölli: Als 30 Millionen Kubikmeter Masse ins Tal stürzten

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Ein Nachmittag im Mai im Falli Hölli: Auf den ersten Blick erinnert nichts daran, was sich hier vor 20 Jahren abgespielt hat. Die Natur hat das Terrain zurückerobert. Eingezäunt steht am Rande der Strasse ein Stück Mauer mit einer Gedenktafel. «Hier hat einmal das Restaurant gestanden», erklärt Hugo Raetzo. Er kennt sich im Gebiet bestens aus und erinnert sich an den Fall Falli Hölli, als ob es gestern gewesen wäre. Als Geologe der Universität Freiburg hat er die Rutschung vor 20 Jahren intensiv begleitet und später seine Dissertation darüber geschrieben. «Dort sieht man noch ein Stück Asphalt, wohl von der früheren Strasse», sagt er beim Gang über das Gelände. Zwischen jungen Tannen ragt ein Stück Eisen aus dem Boden. Er zeigt auf eine Birke. «Sie stand vor 20 Jahren im Garten von einem der Chalets.»

Erste Anzeichen

Im März 1994 hatten Arbeiter in der Chleuwena, oberhalb von Falli Hölli, bei Unterhaltsarbeiten für die Trinkwasserversorgung eine schmale Rutschzunge entdeckt. Im April stellte der Besitzer eines Chalets in der Ferienhaussiedlung fest, dass die Mauern seines Häuschens Risse bekommen hatten. Bei einem anderen Chalet hatte sich das Fundament um mehrere Zentimeter gesenkt, so dass es schief stand. An einigen Stellen im Gelände hatten sich teils Meter lange tiefe Gräben aufgetan.

Das war der Anfang von dem, was später als der «grösste Rutsch in bewohntem Gebiet in Europa» in die Geschichte einging und über die Landesgrenzen hinaus für Aufsehen sorgte. Die Freiburger Nachrichten berichteten am 11. Mai 1994 erstmals über das Ereignis. Noch ahnte damals niemand das Ausmass, das der Erdrutsch annehmen sollte. Die Behörden waren zuversichtlich, dass er mit Entwässerungen gestoppt werden könnte. Sie gaben dem Wetter die Hauptschuld für die Rutschung.

Tatsächlich war das Winterhalbjahr 1993/1994 sehr niederschlagsreich, und im Frühling 1994 hatte es dreimal mehr geregnet als üblich. Dazu kam, dass die Ferienhaussiedlung mitten im Flyschgebiet lag, einer geologischen Zone, die für Rutschungen berüchtigt ist. Flysch, das sind Ablagerungen aus Sandstein und Ton, die bei der Alpenfaltung zusammengedrückt und deformiert wurden. Kommt Wasser hinzu, gerät das Ganze ins Rutschen, wobei der Sand der Tonschicht wie ein Schmiermittel wirkt, das die Schichten abrutschen lässt.

Nicht zum ersten Mal

Hugo Raetzo konnte später anhand von verdichteten Jahrringen in Holzproben nachweisen, dass die Rutschung bereits 1988 begonnen hatte. Bestätigt wurde dies durch die nachträgliche Auswertung von Satellitenaufnahmen. Geologische Untersuchungen zeigten auch, dass es nicht zum ersten Mal gerutscht hatte im Falli Hölli: Fossile Hölzer im Rutschmaterial konnten bis 5600 Jahre zurückdatiert werden. Den letzten Erdrutsch in der Chleuwena vor 1994 datierte Hugo Raetzo auf das Jahr 1612. «Der Hang ist seit Jahrtausenden am Rutschen, mal aktiver und mal ruhiger», so Hugo Raetzo. «Im Frühling 1994 ist er aus einer dieser Schlafphasen erwacht.»

«Die Ferienhaussiedlung hat den Erdrutsch nicht ausgelöst», hält Hugo Raetzo fest. Nicht der Mensch habe die Naturgewalten entfesselt. «Die Leute hatten nur das Pech, dort Häuser gebaut zu haben.»

Bis zu 50 Wellen

Zuerst sei der Steilhang unterhalb der Krete des Schwybergs ins Rutschen geraten, führt Hugo Raetzo aus. Es dauerte eine Weile, bis die Rutschmasse genügend Kraft und Material hatte, um über die Felsschwelle zu kommen. Die Zufuhr von grossen Mengen an Wasser führte dazu, dass Geröll, Erde und Lehm dann in Wellen das Tal hinunterrutschten. Der Experte nimmt an, dass im Falli Hölli etwa 50 solcher Wellen, davon zehn grosse, stattfanden. Er hat später berechnet, dass rund 30 Millionen Kubikmeter Material den Berg herunterkamen.

Schwierige Entscheide

Von Tag zu Tag nahm die Katastrophe grössere Ausmasse an. Die Gemeinde Plasselb konnte die Ereignisse nicht mehr alleine bewältigen. Ein Krisenstab mit dem damaligen Oberamtmann Marius Zosso an der Spitze wurde eingesetzt. Dieser musste fast täglich wichtige Entscheidungen treffen, angefangen mit dem Abbruch des ersten Chalets.

Anfangs hoffte der Krisenstab, den Rutsch aufhalten zu können. Erst Bohrungen durch die verschiedenen Bodenschichten zeigten, dass sich die eigentlichen Gleitschichten bis zu 38 Meter tief unter der Oberfläche befanden. Deshalb blieb beispielsweise auch die Pfählung des Geländes mit bis zu zehn Meter langen Holzstämmen zur Stabilisierung wirkungslos.

Der Rutsch dehnte sich in der Breite immer mehr aus und erfasste schliesslich alle Chalets, Alphütten und Gebäude in seinem Einzugsgebiet. Der Krisenstab verfügte erst ein Wohnverbot, dann ein Betretungsverbot für das ganze Gebiet und schliesslich die Evakuierung.

Es krachte und knackte

Als ob sie Spielzeuge wären, hat die ungeheure Kraft der Natur die Gebäude den Hang hinunterbewegt: Sie wurden zur Seite geschoben, mitgerissen, umgekippt oder zum Einsturz gebracht. Eindrücklich ist ein Bild, das die Schieflage verschiedener Häuschen nach links und jener der Nachbarchalets nach rechts zeigt. Unvergessen bleibt das unheimliche Geräusch, wenn es im Gebälk und in den Mauern der Gebäude krachte und knackte.

Hugo Raetzo erzählt von Geologenkollegen, die im Gelände mit Messungen beschäftigt waren, als plötzlich der Kamin eines Hauses zusammenbrach und nur wenige Meter von ihnen entfernt auf den Boden krachte.

In seinen «besten» Zeiten bewegte sich der Rutsch über sechs Meter am Tag. Er erstreckte sich auf einer Länge von zwei Kilometern und einer Breite von 450 Metern. Am Ende befanden sich die 37 Gebäude der Siedlung teils über 200 Meter von ihrem ursprünglichen Standort: Dort, wo beispielsweise einmal das Restaurant gestanden hatte, waren nun die Reste des einst obersten Chalets zu sehen. Auch Strassen, Bäume und Brücken rutschten mit. Das Bergrestaurant und das angrenzende Ferienheim rutschten zwar ebenfalls talwärts, waren aber massiver gebaut und hielten lange stand. Die geborstene Stützmauer am unteren Rand der Chaletsiedlung drückte den Asphalt der Strasse immer stärker gegen die Mauern der Gebäude. Am 10. Juni musste die Wirtefamilie Gremaud den Betrieb aus Sicherheitsgründen einstellen. Am 24. und 25. Juni fand der Liquidationsverkauf für das Mobiliar statt, und am 21. Juli stürzte das Dach des Restaurants in sich zusammen.

Ein Damm und ein See

In den kommenden Wochen und Monaten blieb das Gelände in Bewegung, die Rutschung wurde aber langsamer. Die Masse erreichte Mitte August 1994 den Höllbach rund zwei Kilometer weiter unten. Sie füllte das Flussbett auf und hob ihn um rund 20 Meter an. Es entstand ein Damm von 400 Metern Länge und 30 Metern Höhe und ein kleiner See, der Cleuwena-See, wie ihn die FN benannte. Grösse, Lage und Aussehen von See und Damm änderten sich ständig, da immer noch neues Material ankam: bis zu 10 000 Kubikmeter Schlamm, Gesteinsbrocken und Holz pro Tag. Experten aus der ganzen Schweiz versuchten zu klären, ob und in welchem Ausmass ein allfälliger Dammbruch eine Gefahr für die Anrainer der Ärgera ausgangs des Plasselbschlundes darstellen könnte. Es blieb zum Glück bei den Befürchtungen, eine Schlammlawine blieb aus.

Im Frühling 1995 ist die Rutschung mehr oder weniger zum Stillstand gekommen. Erst knapp ein Jahr später, im Sommer 1996, wurden die Überreste der Ferienhaussiedlung vor Ort so weit als möglich sortiert und entsorgt. Das Bundesgericht hatte erst entscheiden müssen, dass zwei noch hängige Beschwerden von Eigentümern über eine finanzielle Entschädigung für das verlorene Grundstück keine aufschiebende Wirkung hatten. Als «Mahnmal für allzu optimistische Ortsplaner» ist 1996 am früheren Standort des Bergrestaurants ein Stück Mauer mit einer Gedenktafel aufgestellt worden.

Es rutscht weiter

«Das Gelände ist immer noch in Bewegung», sagt Hugo Raetzo. Seiner Einschätzung nach war der Rutsch von 1994 ein Ereignis, das nur alle 300 bis 500 Jahre stattfindet. Er könne aber nicht ausschliessen, dass sich im Falli Hölli wieder einmal ein Rutsch von ähnlichem Ausmass wiederhole. Kleinere lokale Verschiebungen hat man auch nach 1994 festgestellt.

Die Faszination für die Rutschung im Falli Hölli hat Hugo Raetzo, der heute Naturgefahrenexperte im Bundesamt für Umwelt ist, nie losgelassen. Er sei regelmässig im Gelände, auch wenn er längst nicht mehr mit der Überwachung des Gebiets beauftragt sei, sagt er. Oft erläutert er die Ereignisse von damals vor Geologen oder Architekten aus dem In- und Ausland. Diese Sensibilisierung sei ihm wichtig. «Wir lernen aus solchen Ereignissen», sagt er. Es sei das Ziel der Experten, bei einem Rutsch potenzielle Szenarien zu erstellen und möglichst viele verschiedene Faktoren miteinzubeziehen. Doch sei jeder Fall anders. «Je mehr wir über den Verlauf eines Rutsches und die angewandten Massnahmen wissen, desto besser können wir neue Fälle einschätzen.»

Anlässe:Der Deutschfreiburger Heimatkundeverein organisiert am Samstag, 14. Juni, eineBegehungim Falli Hölli unter der Leitung von Hugo Raetzo und Christian Schmutz. Anmeldung bis 25. Mai: an info@heimatkundeverein.ch

Freilichtspiel:Die Geschichte des spektakulären Rutsches wird vom 17. Juni bis 12. Juli in Alterswil als Freilichtspiel aufgeführt. Weitere Infos: www.theater-hintercher.ch

Weitere Bilder

Plasselb: Grosse Hoffnungen in den Tourismus

D ie Idee für eine Ferienhaussiedlung im Falli Hölli, rund fünf Kilometer vom Dorf Plasselb entfernt, ist in den 1970er-Jahren entstanden. Wie andere Gemeinden in den Freiburger Voralpen sah Plasselb im Tourismus eine Möglichkeit, den wirtschaftlichen Niedergang zu stoppen. Ein Berner Tourismusprofessor hatte dem Gebiet zudem grosses touristisches Potenzial zugeschrieben. In dieser Aufbruchstimmung entstanden die Pläne, im Gebiet Baretta-Lantera, dem späteren Falli Hölli, ein Hotel mit zwölf Zimmern und einem grossen Restaurant mit Saal zu bauen. Das Baugesuch dafür wurde 1969 von allen Instanzen genehmigt. Im Sommer 1972 wurde die Anlage eröffnet. Im gleichen Jahr wurde der Skilift Lantera gleich neben dem Bergrestaurant in Betrieb genommen.

Im September 1971 reichten die Gemeinde und zwei private Promotoren ein Gesuch für die Überbauung des Quartiers Baretta mit Ferienhäusern ein. Gewisse Ämter brachten zwar Vorbehalte an, stimmten jedoch dem Projekt zu. Bei der Erweiterung des Quartiers 1974 sprach sich unter anderem die kantonale Kommission für Natur- und Landschaftsschutz für das Projekt aus, wies aber ausdrücklich auf das rutschgefährdete Gelände hin. Der Quartierplan Baretta II wurde 1976 genehmigt. Im gleichen Jahr reichte der Besitzer des Bergrestaurants ein Baugesuch für ein Militär- und Ferienlager neben dem Restaurant ein. Die Gebäudeversicherung und das Kantonale Feuerinspektorat verlangten ein geologisches Gutachten und lehnten in der Folge das Projekt ab. Vorbehalte brachten auch andere Amtsstellen an, genehmigten das Projekt aber trotzdem. Die Gebäudeversicherung lehnte die Abdeckung allfälliger Schäden durch Erdrutsch ab. Der Eigentümer reichte dagegen Beschwerde beim Staatsrat ein, und dieser hiess sie gut, so dass die Bauarbeiten beginnen konnten.

Nach dem Rutsch hat die kantonale Gebäudeversicherung rund 15 Millionen Franken Entschädigung an die Besitzer der zerstörten Häuser bezahlt. Für das Land, auf dem ihre Chalets standen, erhielten sie praktisch nichts. Einige versuchten, dies auf rechtlichem Weg einzuklagen. Der Kanton hat den Landbesitzern einen symbolischen Betrag von zwei Rappen pro Quadratmeter für den Rückkauf angeboten. im

 

Meistgelesen

Mehr zum Thema